30.11.2020 12:27 Uhr

"D-Day" rückt näher: Am Freitag geht's um Löws Zukunft

Wie geht es für Joachim Löw weiter?
Wie geht es für Joachim Löw weiter?

Joachim Löw ist auch zwei Wochen nach der historischen Schmach von Sevilla noch Bundestrainer. Das ist in diesen aufgeregten Tagen schon eine Nachricht. Die goldene Brücke, die ihm der Deutsche Fußball-Bund zum Rücktritt gebaut hat, wollte und will Löw ganz offensichtlich nicht beschreiten. Stattdessen überwiege bei ihm der "Trotz", heißt es aus seinem Umfeld. Löw will um seinen Job kämpfen und es noch einmal allen beweisen. Die Frage in dieser Woche der Wahrheit ist jedoch: Darf er das?

Um darüber zu befinden, soll Löw zunächst am Dienstag im kleinen Kreis mit DFB-Präsident Fritz Keller, Vize Peter Peters und Direktor Oliver Bierhoff zusammenkommen. Das Trio möchte Sportliches hören: Welche Ursachen hat Löw für das historische 0:6 gegen Spanien gefunden? Wie sieht sein weiterer Weg bis zur EM aus, auch personell? Und es möchte Persönliches wissen: Brennt Löws Feuer auch im 15. Amtsjahr noch?

Nach allem, was aus dem Mikrokosmos DFB zu hören ist, lautet Löws Antwort auf die letzte Frage: ja. Ansonsten dürfte er bemüht sein, die positiven Ansätze seit dem Katastrophenjahr 2018 zu betonen. Etwa die souveräne EM-Quali und die guten Ergebnisse in der Nations League vor dem "einmaligen Blackout" in Spanien. Oder: Gradmesser für die Bundestrainer-Beurteilung seien stets Turniere gewesen, nie nur ein Spiel.

Am Freitag geht's um Löws Zukunft

Kritiker halten ihm aber auch intern die extrem wacklige Defensive entgegen, das verfehlte (mannorientierte) Pressing, den Mangel an Führungsspielern oder die Tatsache, dass er seit dem Abrücken vom Ballbesitz-Credo 2018 keinen klaren Spielstil gefunden hat. Dazu kommt die Dauer-Diskussion um das ausgebootete Weltmeister-Trio.

In diesem Punkt, das will die "Bild"-Zeitung erfahren haben, soll Löw zu Zugeständnissen bereit sein. Nicht für die Länderspiele im März, wohl aber vor der EM könnte er demnach je nach Bedarf und Form der Rio-Helden neu entscheiden. Diese Interpretation lässt schon Löws Aussage nach dem Spanien-Desaster zu. "Wir müssen die Situation zum richtigen Zeitpunkt bewerten", hatte er da über Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels gesagt.

Wenn all diese Themen im innersten Zirkel besprochen sind, soll der Präsidialausschuss mit Vize Rainer Koch, Generalsekretär Friedrich Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge informiert werden. Am Freitag dann präsentiert Bierhoff die Ergebnisse dem Präsidium, das letztlich den Daumen über Löw hebt oder senkt.

DFB-Präsidium gespalten

Die Gemengelage dort ist extrem unübersichtlich. Nur Vize Peters hat sich bisher öffentlich klar pro Löw geäußert, als er vor "Hauruck-Aktionen" warnte - also vor einem Rauswurf. Auch Keller gilt als Unterstützer des Bundestrainers. Doch der interne Machtkampf hat den Präsidenten massiv geschwächt. Löw selbst soll Klarheit an der Verbandsspitze vermissen.

Dass die 14 stimmberechtigten Präsidiumsmitglieder die wichtigste Personalie im deutschen Fußball nicht einfach nur abnicken werden, wird indes immer offensichtlicher. Fast täglich melden sich anonyme Angehörige des Gremiums zu Wort und warnen vor angeblichen Alleingängen Kellers oder des Präsidialausschusses.

Doch eine gemeinsame Haltung zu den oben genannten Fragen gibt es im Präsidium nicht. Die einen wollen von Löw hören, dass er die Tür für Müller und Co. öffnet, die anderen sind gegen ein Comeback und fordern stattdessen eine Systemumstellung.

Löws einstiger Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm, der dem Präsidium in seiner Rolle als OK-Chef der EM 2024 als nicht stimmberechtigtes Mitglied angehört, hat bereits die rasche "Neuerfindung" seines früheren Chefs angemahnt.

Diese Debatten über die ureigenen Kompetenzen eines Trainers zeigen vor allem eins: Löw wird mindestens angekratzt aus dieser entscheidenden Woche hervorgehen - auch wenn er seinen Job behalten darf.