09.03.2021 09:38 Uhr

Jetzt ist "Dortmunds Sisyphos" gefragt

BVB-Angreifer Thorgan Hazard lieferte bei seinem Startelf-Comeback beim FC Bayern eine Vorlage
BVB-Angreifer Thorgan Hazard lieferte bei seinem Startelf-Comeback beim FC Bayern eine Vorlage

Borussia Dortmund kämpft am Dienstagabend (21:00 Uhr) in der Champions League gegen den FC Sevilla um den Einzug ins Viertelfinale. Wie schon im Top-Spiel gegen den FC Bayern muss der BVB im Achtelfinal-Rückspiel auf Jadon Sancho verzichten. Andere müssen in die Bresche springen - vordergründig einer, der in dieser Saison mehr Spiele verpasst als absolviert hat.

Hat Thorgan Hazard etwa die (Fußball-)Götter verärgert? Wie Sisyphos, die tragische Figur aus der griechischen Mythologie, musste der Angreifer des BVB schließlich schon so manchen Steinbrocken auf den Berg hinaufwälzen - nur, damit dieser kurz vor dem Gipfel wieder den Weg nach unten findet und die Arbeit von vorne beginnt. 

Es begann alles mit einer Muskelverletzung am ersten Bundesliga-Spieltag gegen seinen Ex-Klub Borussia Mönchengladbach. Das Zwicken im hinteren Oberschenkel beendete jäh eine vielversprechende Vorbereitung von Dortmunds zweitbestem Scorer der Vorsaison. Sieben Tore und 13 Vorlagen hatte Hazard 19/20 allein im deutschen Oberhaus gesammelt.

Hazard nahm den Steinbrocken sogleich wieder auf und kämpfte sich zurück ins Team, bewies im Spätherbst vor allem in der Champions League mit einem Tor und zwei Vorlagen, wie wichtig er für die BVB-Offensive sein kann. 

Ende Dezember 2020, im Pokalspiel gegen Braunschweig, folgte die nächste Oberschenkelverletzung. Der Brocken war wieder unten, die Arbeit begann von vorne.

Hazard mit guter Leistung beim FC Bayern

Mittlerweile ist Thorgan Hazard fast wieder oben angekommen, beim 3:0-Sieg gegen Arminia Bielefeld feierte er sein Comeback. Nach einem weiteren Kurzeinsatz im Pokal gegen Gladbach (1:0) stand er im jüngsten Spitzenspiel beim FC Bayern erstmals wieder in der Startelf - und bekam von Trainer Edin Terzic sogleich die schwerste aller Aufgaben zugewiesen.

Dortmunds Nummer zehn sollte den seit Jahresbeginn so formstarken und torgefährlichen Jadon Sancho im Angriff ersetzen. In 2021 hatte der Engländer bis dato acht Tore und sieben Vorlagen geliefert. Hazard, längst noch nicht wieder im Vollbesitz seiner Kräfte, zeigte in Ansätzen, wie wichtig auch er sein kann.

Zwar verlor der BVB in München trotz 2:0-Führung, seine Vorlage zum zweiten Treffer von Erling Haaland dürfte Hazards Selbstvertrauen aber durchaus gestärkt haben. Es war die siebte Torbeteiligung des 31-fachen Nationalspielers im 15. Saisoneinsatz, angesichts einer derart von Verletzungen geplagten Spielzeit eine ansehnliche Quote. Zudem hebelte er immer mal wieder das hohe Pressing der Bayern aus.

Der Knackpunkt: Hazards Puste reichte lediglich für 60 Minuten. 

Dem BVB fehlen die Alternativen

Unwahrscheinlich, dass die hohe Belastung aus dem Bayern-Spiel dafür gesorgt hat, dass Hazard ausgeruht ins Aufeinandertreffen mit dem FC Sevilla geht. Terzic fehlen jedoch schlichtweg die Alternativen, um den Sancho-Ausfall anderweitig zu kompensieren.

Bei Giovanni Reyna sei es nach muskulären Problemen bis zur Rückkehr "eine Frage von Tagen", hatte der Dortmunder Cheftrainer am Montag auf der Pressekonferenz zu Protokoll gegeben. Ob es für den US-Amerikaner gegen Sevilla reicht, werde kurzfristig entschieden. Ein Startelfeinsatz erscheint jedoch unwahrscheinlich.

Bei Julian Brandt bereitet die noch immer anhaltende Formschwäche Sorgen. Der deutsche Nationalspieler kam gegen Bayern für Hazard ins Spiel, Akzente konnte er nicht setzen. 34 Mal stand der 24-Jährige nun schon in dieser Saison für die Borussia auf dem Rasen, herausgesprungen sind lediglich drei direkte Torbeteiligungen.

Bei Leihspieler Reinier, der grundsätzlich ebenfalls auf allen Positionen in der Offensive agieren kann, dürfte wohl noch die letzte Überzeugung fehlen. Zu wichtig ist das Spiel gegen Sevilla, um dem Brasilianer seinen ersten Startelfeinsatz zu schenken. Schließlich gewann der BVB das Hinspiel in Spanien "nur" mit 3:2, vor dem Weiterkommen liegt noch ein hartes Stück Arbeit.

Und so entschied sich Terzic in der Vorbereitung auf das Duell in der Königsklasse lieber für eine Vorsichtsmaßnahme. Hazard drehte zu Wochenbeginn abseits des Mannschaftstrainings lediglich lockere Laufrunden. "Er hat sehr lange nicht gespielt", so der BVB-Coach, "und da haben wir uns entschieden, dass er nur läuft und keinen Ballkontakt unbedingt mehr haben muss". 

Oder anders ausgedrückt: Der Steinbrocken von "Dortmunds Sisyphos" Thorgan Hazard soll tunlichst oben bleiben.

Gerrit Kleiböhmer