22.03.2021 16:36 Uhr

Was für Schalke der letzte Sargnagel war

William (l.) und Shkodran Mustafi (r.) haben dem FC Schalke bislang nicht helfen können
William (l.) und Shkodran Mustafi (r.) haben dem FC Schalke bislang nicht helfen können

Um all die Fehler aufzuführen, die der FC Schalke 04 vor und während der Horror-Saison 2020/2021 gemacht hat, reichen Tage nicht aus. Dramatisch ist der Absturz des einstigen Europapokal-Dauergasts, der unmittelbar vor dem Abstieg in die 2. Bundesliga steht. Zum letzten Sargnagel wurde die vollkommen verfehlte Einkaufspolitik im Winter.

Wenige Stunden, nachdem Christian Gross beim FC Schalke Geschichte war, blickte der Schweizer Trainer bereits via "Blick" auf seine kurze Amtszeit in Gelsenkirchen zurück. Eine Aussage des 66-Jährigen blieb besonders hängen.

"Ich würde im Winter nicht mehr die gleichen Spieler holen. Ich würde bei den Transfers versuchen, ein glücklicheres Händchen zu haben", antwortete Gross auf die Frage, was er im Nachhinein anders gemacht hätte.

Mit ihrer Auswahl lagen die damaligen Verantwortlichen der Königsblauen um den mittlerweile entlassenen Sportvorstand Jochen Schneider in der Tat komplett daneben:

  • Sead Kolasinac | 27 | ausgeliehen vom FC Arsenal

Bei seiner Rückkehr wurde der mentalitätsstarke Verteidiger von vielen Fans als Heilsbringer gefeiert. Kolasinac lieferte in seinem ersten Spiel gegen Hoffenheim (4:0) dann tatsächlich eine Galavorstellung und stieg kurzerhand zum Kapitän auf.

Problem: In den Folgewochen passte sich der Bosnier dem erschreckenden Niveau der restlichen Mannschaft an und ging zumeist sang- und klanglos mit unter.

  • Shkodran Mustafi | 28 | ablösefrei

Manchmal wirkt der Weltmeister von 2014 wie das fleischgewordene Unglück. Mustafi machte da weiter, wo Vorgänger Ozan Kabak (jetzt Liverpool) aufgehört hatte - mit unerklärlichen Aussetzern en masse.

Zugutehalten muss man dem 28-Jährigen, dass er immer vorangeht und das Team antreiben will. Als ständiger Unsicherheitsfaktor ist Mustafi jedoch nicht der Leader, den der FC Schalke so dringend gebraucht hätte.

  • William | 25 | ausgeliehen vom VfL Wolfsburg

Der Brasilianer kam ohne Spielpraxis aus Wolfsburg und schaffte es zu keiner Zeit, die Schalker Problemzone auf der rechten Abwehrseite zu beheben.

Gegen Gladbach setzte es die Höchststrafe: Nach nur 20 (!) Minuten holte ihn Trainer Dimitrios Grammozis aus Leistungsgründen vom Feld. Hinten überfordert, vorne ohne Durchschlagskraft - bislang ist William überhaupt keine Hilfe.

  • Klaas-Jan Huntelaar | 37 | ablösefrei

Bisher ist das Comeback des einstigen Goalgetters ein einziges Missverständnis. Der Stürmer konnte nur in zwei Spielen mitwirken, war ansonsten immer verletzt. Dabei wäre ein kaltschnäuziger Vollstrecker so wichtig gewesen.

Kein Zweifel: Von dem körperlich kaum noch belastbaren 37-Jährigen, der im Sommer seine Karriere beenden will, hätten die Verantwortlichen im Nachhinein lieber die Finger gelassen.

FC Schalke 04 verbrennt eine Menge Geld

Zwar wäre es unfair, die vier Neuen alleine für den ausgebliebenen Aufschwung verantwortlich zu machen, schließlich kam das Quartett ohne Rhythmus in eine völlig verunsicherte Mannschaft.

Dass sie dennoch teils negativ hervorstachen (u.a. Mustafi in Wolfsburg, William gegen Gladbach), zeigt einmal mehr, wie dilettantisch die (alte) sportliche Führung gearbeitet hat.

Mit hohem Aufwand wurde frisches Geld rangeholt, allen voran durch vorzeitig verlängerte Sponsorendeals, die finanzielle "Soforthilfen" beinhalteten. Mehrere Millionen Euro standen dadurch im Frühjahr zur Verfügung, die zuvorderst in die fürstlichen Gehälter der Neuzugänge gesteckt wurden. Eine klassische Fehlinvestition.

In kürzester Zeit war die Aufbruchstimmung beim FC Schalke wieder verflogen, der erhoffte Ruck, der durch den gesamten Verein gehen sollte, ist ausgeblieben. Und damit die letzte Chance, das Ruder noch einmal herumzureißen.

Nach 26 Partien beträgt der Rückstand der Knappen auf den Relegationsrang 13 Punkte, das Torverhältnis liegt aktuell bei -53. Schalke 04 wird den bitteren Gang ins Unterhaus antreten müssen - die gefloppten Winter-Transfers waren der letzte Nagel im königsblauen Bundesliga-Sarg.

Heiko Lütkehus