22.04.2021 15:30 Uhr

Ulreichs Glanz ist längst verpufft

Sven Ulreich wechselte im Sommer vom FC Bayern zum HSV
Sven Ulreich wechselte im Sommer vom FC Bayern zum HSV

Mit großen Vorschusslorbeeren wechselte Sven Ulreich im vergangenen Sommer vom FC Bayern in die 2. Bundesliga zum Hamburger SV. Doch der Glanz, den der Schlussmann vom deutschen Rekordmeister zum HSV mitbrachte, ist längst verpufft.

"Der HSV bekommt einen auch international erfahrenen Torwart, der eine Führungsrolle übernehmen kann", gratulierte Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic dem HSV im Oktober 2020 zur Last-Minute-Verpflichtung von Sven Ulreich.

Die Erwartungen beim HSV waren entsprechend groß. "Wir erhoffen uns, dass er die Qualität noch weiter erhöht", sagte Rothosen-Trainer Daniel Thioune über den Neuzugang, der sich gleich als Stammtorwart etablierte und Daniel Heuer Fernandes auf die Bank verbannte.

Jener Erwartung konnte Ulreich, wenngleich er in der Liga alle Spiele über die vollen 90 Minuten absolvierte, allerdings (noch) immer nicht gerecht werden. Im Gegenteil: Der 32-Jährige erwies sich teilweise sogar als Unsicherheitsfaktor im Aufstiegskampf.

Schon Ende November, nur rund zwei Monate nach seiner Ankunft beim HSV, kamen erstmals Zweifel an Ulreich auf. Bei der 2:3-Niederlage am 9. Spieltag gegen den 1. FC Heidenheim leistete sich der Routinier einen folgenschweren Patzer.

Ulreich hatte sich beim Stand von 2:2 nach einem Zuspiel des Mitspielers den Ball zu weit vorgelegt und somit Heidenheim-Knipser Christian Kühlwetter zum Siegtreffer eingeladen. Der HSV hielt dennoch an seiner Nummer eins fest: "Ihn jetzt zu rasieren, das ist nicht unser Ding. Bisher hat er gute Spiele gemacht", zitierte die "Sport Bild" den Hamburger Sportdirektor Michael Mutzel damals.

Ähnlich große Fehltritte vermied Ulreich zwar seitdem, kleinere Missgeschicke blieben aber nicht aus - wie zuletzt bei der 1:2-Niederlage gegen den SV Darmstadt 98, als ihm ein hoher Ball durch die Hände glitt. Dieser Fauxpas blieb zwar ohne Folgen, sorgte aber nicht gerade für zusätzliches Selbstbewusstsein bei der Hamburger Hintermannschaft.

HSV-Keeper Ulreich bekommt schlechte Noten

Ohnehin blieb der HSV in dieser Saison erst acht Mal ohne Gegentreffer. Im Torhüter-Ranking der 2. Bundesliga belegt Ulreich damit nur Rang acht. Eine Platzierung, die man von einem Keeper, der schon in der Champions League zwischen den Pfosten stand und beim FC Bayern immer wieder erfolgreich für Manuel Neuer in die Bresche sprang, nicht unbedingt erwartet hatte.

Mehr noch: im "kicker"-Ranking der besten Torhüter im deutschen Unterhaus belegt Ulreich mit einer Durchschnittsbenotung von 3,35 den letzten Platz.

Mit nur 73 gehaltenen Torschüssen rangiert der 221-fache Bundesliga-Spieler zudem nur im unteren Mittelfeld der Zweitligakeeper. Zum Vergleich: Bester Mann der Rangliste ist Martin Männel von Erzgebirge Aue mit 122 parierten Schüssen.

Stevens fordert Geduld vom HSV

Öffentlich erhält Ulreich dennoch weiter Rückendeckung, etwa von Ex-HSV-Coach Huub Stevens, mit dem er einst beim VfB Stuttgart zusammenarbeitete. "Sven hat den Rhythmus der Spiele lange nicht gehabt. Da kommst du nur wieder raus über Spielminuten. Der HSV muss geduldig bleiben", sagte der Niederländer zum "Hamburger Abendblatt".

Gerade jetzt sei es besonders wichtig, dass Trainer Thioune Ulreich das Vertrauen schenkt. "Schwache Phasen gehören bei Torhütern dazu", betone Stevens und erklärte die Druck-Situation, der Ulreich angesichts der Aufstiegs-Pflicht des HSV ausgesetzt ist: "Jeder Fehler kann bedeuten, dass du es nicht mehr schaffst."

Doch der Geduldsfaden des HSV dürfte nicht mehr allzu lang sein. Zumal der Aufstieg durch die jüngste Niederlage gegen Darmstadt und das 3:3-Remis gegen Hannover 96 mal wieder in Gefahr gerät. Aktuell liegen die Norddeutschen mit einem Spiel weniger als Greuther Fürth und vier Punkten Rückstand nur auf dem Relegationsrang.

Flüchtet Ulreich zurück zum FC Bayern?

Der Druck wächst daher von Spiel zu Spiel. Nicht nur auf den HSV, auch auf Ulreich. Derart viel Verantwortung trug der 32-Jährige in den vergangenen Jahren nur selten. Schließlich stand er rund fünf Jahre lang beim FC Bayern im Schatten von Manuel Neuer. Einzig in der Saison 2017/18 wurde er aufgrund einer schwerwiegenden Verletzung des Nationaltorhüters gebraucht, machte satte 47 Pflichtspiele. In den zwei folgenden Spielzeiten waren es zusammen genommen nur 13. 

Nun ist er in der neuen Rolle als Führungsspieler gefordert und muss vorangehen, um den Hamburger SV endlich zum Aufstieg zu führen.

Ansonsten könnte der Ausflug ins Scheinwerferlicht für Ulreich schon wieder vorbei sei. Laut "Sport1" könnte der fünffache deutsche Meister über eine Rückkehr nach München nachdenken, sollte der HSV den Aufstieg verpassen. Es wäre ein Schritt zurück aus der Verantwortung, zurück in den Schatten von Manuel Neuer.

Lissy Beckonert