06.06.2021 10:56 Uhr

Als Schalke und Co. den Tod des Fußballs riskierten

Brachte den Bundesliga-Skandal rund um FC Schalke 04 und Co. ins Rollen: Horst-Gregorio Canellas
Brachte den Bundesliga-Skandal rund um FC Schalke 04 und Co. ins Rollen: Horst-Gregorio Canellas

Am Sonntag jährt sich die Aufdeckung des Bundesliga-Skandals zum 50. Mal. Rot-Weiß Oberhausen und Arminia Bielefeld schafften dank manipulierter Spiele den Klassenerhalt, auch Spieler des FC Schalke 04 waren verwickelt.

Horst-Gregorio Canellas suchte für seinen 50. Geburtstag die ganz große Bühne. Bei seiner Gartenparty versammelte der Präsident von Kickers Offenbach die geballte deutsche Fußball-Prominenz, alles sah nach einem rauschenden Fest aus.

Doch urplötzlich gefror Helmut Schön und Co. auf einen Schlag das Blut in den Adern. Denn Canellas war nach dem Abstieg seiner Kickers einen Tag zuvor gar nicht nach feiern, er wollte eine Bombe platzen lassen.

Der Deutsch-Spanier präsentierte seinen Gästen am 6. Juni 1971 vor laufenden Kameras brisante Tonbandaufnahmen - und ließ die Bundesliga so in ihren ersten großen Skandal taumeln.

Denn diese Bänder belegten eindeutig, dass ihm die Herthaner Tasso Wild und Bernd Patzke sowie der Kölner Manfred Manglitz im Saisonendspurt Bestechungsangebote machten. Bundestrainer Schön verließ unverzüglich fassungslos die Party, dabei war das erst der Anfang.

Lug und Trug in der Bundesliga tief verankert

Denn Lug und Trug waren in jener Bundesliga-Saison noch viel tiefer verankert. Fast jede für den Abstiegskampf relevante Begegnung war an den letzten sieben Spieltagen betroffen, insgesamt wurden 18 Partien manipuliert. DFB-Chefermittler Hans Kindermann hatte alle Hände voll zu tun, über Wochen und Monate gab es nahezu täglich neue Enthüllungen.

Los ging das wohl schwärzeste Kapitel der Bundesligageschichte am 17. April, als sich Arminia Bielefeld gegen Schalke den Sieg erkaufte.

"So doof wie wir kann man gar nicht sein! Für einen Sieg hätten wir 2000 Mark Prämie bekommen. Für 2300 haben wir verloren", sagte S04-Angreifer und Nationalspieler Klaus Fischer später der "Bild". Doch die Summen und auch die Dreistigkeit wurden noch größer, je mehr sich die Lage im Tabellenkeller zuspitzte.

Von aktiver Bestechung des Gegners bis zur Zahlung von Siegprämien an Dritte war alles dabei. Es kam zu Geldübergaben auf dunklen Raststätten, in Trainerwohnungen oder im Stadion. Am letzten Spieltag zahlte ein Manager von Arminia Bielefeld satte 250.000 Mark an die Hertha-Spieler - insgesamt flossen in der Liga über eine Million Mark an Bestechungsgeldern.

Bielefeld und Oberhausen schaffen den Klassenerhalt

Bielefeld schaffte letztlich ebenso wie Rot-Weiß Oberhausen dank Manipulationen den Klassenerhalt. Canellas' Kickers mussten trotz eigener Schiebereien den Gang in die Zweitklassigkeit antreten.

Insgesamt waren über 50 Spieler, zwei Trainer und sechs Funktionäre aus zehn der 18 Erstliga-Klubs in den Bestechungsskandal verwickelt. Die Aufarbeitung dauerte Jahre.

Einige der Beteiligten kamen mit Geldstrafen davon, für andere gab es Sperren von ein paar Monaten bis hin zu lebenslänglich. Die meisten der Bestraften wurden allerdings noch vor der Heim-WM 1974 begnadigt. Für acht Schalker Spieler um Fischer schloss sich noch ein Verfahren wegen Meineids an, in dem sie Ende 1975 zu Geldstrafen verurteilt wurden.

Bemerkenswert war, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Ergebnisse aller nachweislich "verkauften" Spiele nicht annullierte, sondern ganz regulär für die Statistik wertete. "Wir müssen eiserne Pfähle einbetonieren, sonst reißen alle Dämme. Wenn wir das Vertrauen nicht wieder zurückgewinnen, ist der Fußball tot", sagte Chefermittler Kindermann.

Doch der Fußball überlebte.