07.06.2021 14:52 Uhr

Der Hype um Jude Bellingham und seine Folgen

Jude Bellingham will nach seiner starken Debütsaison beim BVB auch im Nationalteam durchstarten
Jude Bellingham will nach seiner starken Debütsaison beim BVB auch im Nationalteam durchstarten

Wenige Tage vor dem Start der paneuropäischen EM ist im englischen Team ein Spieler in aller Munde, der vor etwas mehr als einem Jahr noch in der 2. Liga gekickt hat: Borussia Dortmunds Shootingstar Jude Bellingham. Dass rund um den Teenager in seiner Heimat ein riesiger Hype entstanden ist, hat für den BVB jedoch nicht nur Vorteile.

"Ich kann nicht glauben, dass er erst 17 ist. Vielleicht ist er ein Lügner. Er ist dermaßen gut, ein fantastischer Spieler" - diese auffallend blumigen Worte fand Starcoach Pep Guardiola nach dem 2:1-Rückspiel-Erfolg von Manchester City im Viertelfinale der Champions League nicht etwa für einen seiner Schützlinge, sondern für einen Akteur des Gegners.

Ein gewisser Jude Bellingham hatte den BVB gegen die favorisierten Sky Blues zwischenzeitlich in Führung geschossen und sich so als zweitjüngster Torschütze in einem K.o.-Spiel der Königsklasse in den Geschichtsbüchern verewigt. Nicht nur deshalb war der Mittelfeldmann nach der Partie in aller Munde.

Der englische Boulevard überschlug sich förmlich, schwärmte, dass Bellingham alleine Manchester City "Angst gemacht" ("Mirror") hätte und Guardiola hätte "leiden lassen" ("The Sun"). Auch dem letzten Fußball-Fan auf der Insel dürfte damals klar geworden sein, dass sich das einstige Zweitliga-Talent von Birmingham City fernab der Heimat in kürzester Zeit zur Nationalmannschaftshoffnung gemausert hat.

Und tatsächlich: Wenige Tage vor dem EM-Auftakt der "Three Lions" gegen Kroatien im Londoner Wembley Stadium (Sonntag ab 15 Uhr im LIVE-Ticker) ruhen in England große Hoffnungen auf den Schultern des BVB-Legionärs, der mit dem Hype um seine Person erstaunlich locker umgeht.

Der BVB will Teamplayer Bellingham an "sein Limit pushen"

Starallüren sind Bellingham, der bereits vier Mal von Nationaltrainer Gareth Southgate in der A-Auswahl eingesetzt wurde, bislang fremd. In Dortmund hat sich der frühreife Teenager als fleißiger Arbeiter und Teamplayer einen Namen gemacht und seinen Marktwert vervielfacht.

"Man kann nicht anders, als die Leistung eines Jungen in diesem Alter zu bewundern. Es ist respektlos, ihn einen Jungen zu nennen, weil er 17 ist. Aber er ist kein Junge, oder? Er spielt wie ein Mann", adelte Southgate Bellingham, den jüngsten Spieler in seinem Turnier-Aufgebot, erst vor wenigen Tagen. Dass der Youngster mehreren erfahreneren Profis vorgezogen wurde, spricht für sich.

Verdient hat sich Bellingham diesen Hype allemal. 46 (!) Mal lief der lauf- und spielstarke Allrounder in seiner Debütsaison wettbewerbsübergreifend für Borussia Dortmund auf, war dabei an acht Toren direkt beteiligt. Sowohl der im Winter entlassene Lucien Favre als auch dessen Nachfolger Edin Terzic setzten von Anfang an auf den Neuzugang, der für 23 Millionen Euro aus Birmingham gekommen war.

"Wir sehen jeden Tag im Training, was er drauf hat", sagte Terzic einmal. "Das Einzige, was wir bei ihm nicht kennen, ist sein Limit. Das wollen wir herausfinden und ihn dorthin pushen."

Bellinghams EM-Nominierung Segen und Fluch für den BVB

Freilich bringt der raketenhafte Aufstieg Bellinghams für den BVB auch Risiken mit sich. Eine starke EM könnte den ohnehin umworbenen Rechtsfuß in den Notizbüchern der Premier-League-Klubs noch weiter nach oben katapultieren. Champions-League-Sieger FC Chelsea soll sein Interesse bereits hinterlegt haben.

In Dortmund hat Bellingham zunächst "nur" bis 2023 unterschrieben. Heißt: Bleibt er noch eine Saison beim BVB, verlängert aber nicht, droht den Borussen 2022 vor Beginn des letzten Vertragsjahrs ein Verkauf unter Wert. Schon jetzt wird in Branchenkreisen über Ablösen jenseits der 60 Millionen Euro spekuliert, nach der Europameisterschaft könnte der Kurs für Bellingham komplett explodieren.

Für den Mittelfeldspieler selbst spielen derartige Faktoren aktuell nur eine untergeordnete Rolle. Bellingham will die EM für Eigenwerbung nutzen, vor allem aber mit der Mannschaft möglichst weit kommen. Gemeinsam mit Phil Foden (Manchester City) und Bukayo Saka (FC Arsenal) gilt er als einer der Hoffnungsträger für eine glorreiche Zukunft der "Three Lions", die bei der Weltmeisterschaft 2018 immerhin bis ins Halbfinale vorgedrungen waren und nun ihre titellose Durststrecke beenden wollen.

Bellingham soll dabei helfen - sein erstes großes Turnier wird sicher nicht sein letztes bleiben.

Heiko Lütkehus