23.06.2021 12:44 Uhr

Einst gescheitert, jetzt EM-Held: Menschenfänger Hjulmand

Kasper Hjulmand führte die Dänen ins Achtelfinale
Kasper Hjulmand führte die Dänen ins Achtelfinale

In Mainz gescheitert, nun gefeierter Held: Trainer Kasper Hjulmand ist eine zentrale Figur des dänischen EM-Märchens. Besonders sein Verhalten nach dem Drama um Christian Eriksen beeindruckt.

Kasper Hjulmand war außer Rand und Band. Völlig losgelöst hetzte der sonst so besonnene Trainer der dänischen Nationalmannschaft über den Rasen des Parken-Stadions, machte nach dem kaum mehr für möglich gehaltenen Achtelfinaleinzug vor jeder Tribüne alleine die Welle. Noch über eine halbe Stunde nach Abpfiff hallten Hjulmand-Sprechchöre durch die Arena, die Fans konnten gar nicht genug von ihm bekommen. Und irgendwie war genau das bezeichnend - der in Mainz einst gescheiterte Coach ist urplötzlich einer der Helden dieser Europameisterschaft.

Mit seiner empathischen Persönlichkeit hat Hjulmand die Herzen Fußball-Europas und vor allem seiner Spieler im Sturm erobert. "Kasper ist außergewöhnlich, das zeigt er, seit er bei uns ist. Er ist ein großartiger Trainer und denkt rund um die Uhr an Fußball", schwärmte Kapitän Simon Kjaer: "Aber er hat auch jetzt gezeigt, dass er viel mehr als das ist. Ich bin tief beeindruckt und dankbar, ihn als Trainer zu haben."

Nach dem Drama von Christian Eriksen zum EM-Start hätten die Aufgaben für Hjulmand nicht größer sein können - doch er meisterte sie bislang mit Bravour. "Ich bin dankbar, dass er die Situation um Eriksen so gehandhabt hat, wie er es getan hat", sagte Rechtsverteidiger Daniell Wass. Bei der Aufarbeitung des Dramas zeigte Hjulmand verschiedene Facetten, sei es als Kritiker an der UEFA wegen der Spielfortsetzung oder Trainer in einer Ausnahmesituation.

Hjulmand: "Bin immer in einem Lernprozess"

Doch vor allem war er eins: komplett Mensch. "Er selbst hat auch seine Emotionen gezeigt, nachdem was mit Christian passiert ist. Er hat auch Hilfe gebraucht", sagte Linksverteidiger Joakim Maehle. Und doch sei Hjulmand immer für sein Team dagewesen, habe eigene Befindlichkeiten hinten angestellt. "Er ist für mich ein richtig guter Trainer, aber dazu auch ein Freund der Spieler", so Maehle weiter.

Dem bescheidenden Hjulmand sind die Lobeshymnen fast schon peinlich. "Wir sind eine Einheit, das bin nicht ich allein", sagte der 49-Jährige: "Ich habe es geschafft, weil ich ein großartiges Team um mich herum habe. Wir geben uns gegenseitig Rückendeckung." Diese absolute Rückendeckung hatte er bei seinem kurzen Bundesliga-Abenteuer in der Saison 2014/15 nicht.

Beim FSV Mainz 05 musste Hjulmand als Nachfolger von Thomas Tuchel nach knapp acht Monaten schon wieder gehen. Zu lieb zu den Spielern, zu ruhig, zu wenig emotional für den Abstiegskampf waren die Vorwürfe. Böses Blut wird es von seiner Seite allerdings nie geben, vielmehr betrachtet er auch seine Zeit in Rheinhessen als wertvolle Erfahrung.

"Ich habe dort eine Menge gelernt, so wie ich bei jeder Station eine Menge gelernt habe", sagte er auf "SID"-Nachfrage: "Ich versuche immer, morgen besser zu sein als heute. Ich bin immer in einem Lernprozess, um Dinge besser zu machen."

Bei der EM hätte Hjulmand die Dinge bislang gar nicht besser machen können - und das dänische Fußball-Märchen muss ja noch lang nicht vorbei sein.