04.07.2021 11:52 Uhr

Belgien weint um seine "Gouden Generatie"

Die Belgier bleiben erneut ohne Titel
Die Belgier bleiben erneut ohne Titel

Kevin De Bruyne stand wie zu einer Statue erstarrt auf dem Rasen der Münchner Arena. Die Hände in die Hüften gestemmt, der Blick leer und mit dem Bewusstsein: Der viel besungenen "Gouden Generatie" Belgiens werden so bald keine Denkmäler gebaut. Nicht nach dieser EM, und wohl auch nicht in den kommenden Jahren.

"Wir haben bis zum Ende gekämpft", sagte der Star der Roten Teufel tapfer, als er sich nach dem bitteren Viertelfinal-Aus bei der EM gegen ein magisches Italien (1:2) gesammelt hatte, "es war ein schwieriges Turnier für uns, wir hatten zu viele Verletzungen. Wir werden versuchen, das nächste Mal zu gewinnen." Doch wird es ein "nächstes Mal" geben?

Zweifel sind angebracht und werden bereits vorgetragen. "Letzter Halt München, ciao goldene Fußballkinder", schrieb "Het Laatste Nieuws" in ihrem traurigen Nachruf auf diese wundervolle Mannschaft, die ein ganzes Land vom ersten Titel hatte träumen lassen.

Bei der nächsten EM 2024 in Deutschland, gab Torhüter Thibaut Courtois zu bedenken, "sind wir alle drei Jahre älter, das ist eine lange Zeit".

Wie sieht die Zukunft der Belgier aus?

De Bruyne dachte bei seinem Blick in die Zukunft auch eher an die WM in Katar, die bereits in rund 16 Monaten beginnt. Allerdings: Langjährige Säulen wie Vincent Kompany, Marouane Fellaini oder Radja Nainggolan sind schon weg. Und aus dem Kader dieser EM-Endrunde sind zehn (!) Feldspieler 30 oder älter, die Dreierabwehr um Kapitän Jan Vertonghen zählt zusammen 101 Jahre.

Immerhin wurde in München auch ein junger Mann vorstellig, dessen Auftritt sehr verheißungsvoll war. Jeremy Doku, 19 Jahre alt, legte sich immer wieder mit der italienischen Abwehr an, er holte unter anderem den umstrittenen Elfmeter heraus, der zum 1:2 führte. Doku fand das Ausscheiden "doodjammer", jammerschade, aber er selbst habe "echte Reife" gezeigt, lobte Trainer Roberto Martinez.

Doku könnte Belgiens Zukunft sein, doch was ist mit dem Trainer? "Jetzt über die Zukunft zu reden, wäre nicht klug", sagte Trainer Roberto Martinez, dessen Vertrag bis zur WM 2022 läuft, "das Aus ist noch frisch, ich möchte nichts sagen, was von Emotionen geprägt ist." Angeblich besitzt der Spanier eine Ausstiegsklausel, angeblich besteht Interesse an ihm bei englischen Klubs, angeblich beruht es auf Gegenseitigkeit.

De Bruyne spielte mit Bänderriss

De Bruyne ist auch schon 30 Jahre alt - und soll doch der Schlüsselspieler bleiben. Gegen Italien war er einer der Besten, obwohl er mit einem Bänderriss im linken Knöchel spielte. "Es war nicht einfach", meinte er geknickt, "aber ich habe immer versucht, alles für die Mannschaft reinzuwerfen." Jetzt müsse er sich "körperlich erholen. Es war zu viel."

Courtois und der Dortmunder Thomas Meunier fanden noch im Stadion Trost in den Armen ihrer Familien. Bei der Ankunft am heimischen Trainingszentrum in Tubize nachts um halb vier wurden De Bruyne und Co. von einem einsamen Trommler und drei Fans mit rot leuchtenden Bengalos empfangen. Danach zerstreuten sie sich in alle Winde.

Zur WM-Qualifikation im September könnten sie wieder zusammenkommen, am 7. Oktober steigt das Halbfinale in der Nations League gegen Frankreich. Im Endspiel könnte es zur Revanche gegen Italien kommen. Vielleicht reicht es ja wenigstens noch zu einem Titelchen.