19.08.2021 12:25 Uhr

Bayerns RV-Puzzle: Probleme, Gerüchte und eine kluge Lösung

Julian Nagelsmann muss beim FC Bayern auf der Rechtsverteidiger-Position basteln
Julian Nagelsmann muss beim FC Bayern auf der Rechtsverteidiger-Position basteln

Die EM-Fahrer sind integriert, der Supercup ist in der Tasche, die schleppende Vorbereitung ist beinahe vergessen: Beim FC Bayern München könnte man voller Vorfreude auf die kommenden Wochen blicken, wären da nicht einige Fragezeichen auf der Rechtsverteidiger-Position. 

Benjamin Pavard verletzt, Bouna Sarr nicht gut genug: Julian Nagelsmann hat es dieser Tage beim FC Bayern nicht leicht. Der neue Trainer muss puzzlen, um eine schlagkräftige Abwehr zusammenzubekommen. Ob er dabei möglicherweise in Zukunft auf frisches Personal zählen kann, ist derzeit offen.

Noch vor gar nicht langer Zeit hätte der FC Bayern wohl die Geld-Schatulle geöffnet und einen arrivierten Verteidiger für die rechte Abwehrseite geholt und damit die anhaltenden Probleme der letzten Jahre gelöst. Doch auch an den Münchnern ist die Corona-Pandemie nicht spurlos vorbeigegangen. 

Nagelsmann muss also kreativ werden. Optionen hat der Bayern-Coach einige, nicht alle dürften aber die nötige Qualität haben. Derzeit kristallisiert sich heraus, dass der 34-Jährige sogar schon das passende Puzzle-Teil gefunden hat. Und noch mehr: Vielleicht hat Nagelsmann bald sogar die Qual der Wahl! Die Rechtsverteidiger-Kandidaten im Check:

Benjamin Pavard - der Pechvogel

Der Franzose verbrachte - wie schon 19/20 - weite Teile der letzten Saison auf der rechten Abwehrseite und agierte meist solide. Defensiv ließ Pavard kaum etwas anbrennen, verbesserte sich im Laufe der Zeit auch in der Vorwärtsbewegung immer weiter. Der 25-Jährige wäre zum Saisonauftakt mit größter Wahrscheinlichkeit Stammspieler gewesen, hätte er sich nicht kurz vor dem Start im Training am Sprunggelenk verletzt. 

Sein Ausfall wiegt schwer, zumal sich der EM-Fahrer in der Vorbereitung in starker Form und in gutem körperlichen Zustand präsentierte. Mitte September dürfte bei passendem Verlauf wieder mit Pavard zu rechnen sein. Bis dahin stehen allerdings noch vier Pflichtspiele an. Ob der 25-Jährige dann am 5. Spieltag im Heimspiel gegen den VfL Bochum (18.09., 15:30 Uhr) wieder voll mitwirken kann, wird sich zeigen.

Bouna Sarr - der Fehleinkauf

In einer perfekten Welt wäre Bouna Sarr erster Vertreter von Pavard gewesen. Der Franzose, der im letzten Sommer auf den letzten Drücker als Stammspieler von Olympique Marseille kam, konnte aber bislang nie nachweisen, dass er den Ansprüchen der Münchner genügt.

Unter Ex-Coach Hansi Flick spielte der 29-jährige Rechtsverteidiger folgerichtig kaum eine Rolle. Zwar bekam Sarr unter Julian Nagelsmann in der Vorbereitung viel Spielzeit, überzeugen konnte der Franzose aber auch hier nicht nachdrücklich. Zum Saisonstart setzte der neue Trainer auf andere Spieler.

Unter Experten gilt Sarr schon seit Längerem als erster Verkaufskandidat in der Abwehr und als Fehleinkauf von Hasan Salihamidzic. Doch der Vertrag des Franzosen, der bis 2024 datiert ist, macht es nicht leichter, Sarr von der Gehaltsliste zu bekommen.

Niklas Süle/Chris Richards - die Andersgeplanten

Auch Süle und der von der Leihe zu 1899 Hoffenheim zurückgekehrte Richards sind durchaus Alternativen auf der rechten Abwehrseite. Erstgenannter musste bereits unter Flick einige Male hinten rechts ran und machte seine Sache solide, ohne jedoch in der Offensivbewegung zu glänzen. Der flexible Richards, der bei der TSG allerdings ausschließlich auf seiner Hauptposition in der Innenverteidigung eingesetzt wurde, kennt die Aufgaben rechts in der Defensive aus seiner Zeit in der U23 der Bayern. 

Allerdings waren Richards Leistungen in der Vorbereitung durchwachsen. Der US-Amerikaner hat bei Nagelsmann keinen bleibenden Eindruck hinterlassen und muss sich vorerst hinten anstellen. Anders Süle: Der 25-Jährige scheint seinen Coach in der Hauptrolle als Innenverteidiger überzeugt zu haben, stand sowohl beim Bundesliga-Auftakt als auch im Supercup für den verletzten Lucas Hernández - der sich wieder einmal wird strecken müssen - in der Abwehrzentrale neben Neuzugang Dayot Upamecano.

Josip Stanisic - der Chance-Ergreifer

Nach seinem Bundesliga-Debüt unter Flick Anfang April scheint für Stanisic unter Nagelsmann nun die Zeit gekommen für viele weitere Einsätze. Der 21-Jährige darf sich über seinen Status als Aufsteiger der letzten Monate freuen. Stanisic stand in jedem Vorbereitungsspiel unter dem neuen Trainer in der Startelf und profitiert nun massiv vom Ausfall von Pavard. 

"Er war die ganze Zeit da und ist topfit", lobte Nagelsmann den defensiv über alle Zweifel erhabenen und vielseitig einsetzbaren Verteidiger, der dank seiner Beidfüßigkeit mit gutem Passspiel überzeugt und zudem eine gewisse Grundaggressivität mitbringt.

"Er hat sich offensiv gut eingeschaltet, hat zwei sehr gute Chancen eingeleitet und eine gute Chance selber gehabt. Er hat auch gut verteidigt, hat das gemacht, was er auch in der Vorbereitung gezeigt hat. Dass er ein sehr verlässlicher Spieler ist", sagte Nagelsmann nach dem Bundesliga-Auftakt gegen Gladbach (1:1).

Laut "Sport Bild" hofft man - wie aus Klub-Kreisen zu hören ist - ohnehin, das Rechtsverteidiger-Problem intern lösen zu können. Da dürfte Stanisics sehr gute Form den Münchner Verantwortlichen in die Karten spielen. Dass der 21-Jährige aus der Jugendabteilung des Klubs stammt, auf die Nagelsmann mehr und mehr setzen soll, und zudem in München geboren ist, dürfte das i-Tüpfelchen auf dieser klugen Lösung sein. 

Héctor Bellerín - die Tausch-Idee

Es wäre unter Umständen eine dieser Win-Win-Situationen gewesen, wenn der abwanderungswillige Héctor Bellerín vom FC Arsenal zum FC Bayern gewechselt wäre und im Gegenzug Corentin Tolisso München verlassen und sich den Gunners angeschlossen hätte. Doch an diesem Tausch-Gerücht, das durch den englischen Transferexperten John Collins und das italienische Portal "calciomercato" befeuert wurde, ist nichts dran. 

Dem Vernehmen nach haben die Münchner ohnehin kein Interesse am 26 Jahre alten Spanier, Kontakt soll es gar nicht gegeben haben. Zudem hofft man Tolisso eher zu Geld machen zu können, um die klammen Transferkassen zu füllen. Ob Bellerín den Bayern zudem wirklich sofort weitergeholfen hätte, darf hinterfragt werden. Der Spanier tat sich in der letzten Saison, die der FC Arsenal nur auf Platz acht abschloss, nicht positiv hervor.

Thilo Kehrer - der neueste Stern am Gerüchtehimmel

Sollten sich durch einen Verkauf doch noch die nötigen freien Finanzmittel ergeben, gilt der frühere Schalker und aktuelle PSG-Profi Thilo Kehrer als heißer Kandidat für die rechte Abwehrseite. Nach Informationen der französischen "L'Équipe" haben sich die Verantwortlichen des FC Bayern mit dem 24-Jährigen getroffen und sogar schon auf einen Dreijahresvertrag verständigt. 

Als Ablöse sind laut der Sportzeitung zwölf Millionen Euro im Gespräch. Ob diese Summe ausreicht, um Kehrer aus Paris loszueisen, der 2018 für immerhin 37 Millionen Euro in die französische Hauptstadt gewechselt war, ist noch offen. Fest steht, dass PSG Spieler veräußern muss, um die Verpflichtung von Lionel Messi gegenzufinanzieren.

Während der "L'Equipe"-Bericht sehr detailliert gestaltet ist, vermeldet "Sport1", dass es kein Treffen mit dem Ex-Schalker gegeben habe. Kehrer werde in diesem Sommer nicht nach München wechseln. Wo die Wahrheit liegt, werden die kommenden Tage bis zum Transferschluss am 31. August zeigen.

Chris Rohdenburg