19.01.2022 14:20 Uhr

"Beckenbauer des Ostens": Trauer um "Dixie" Dörner

"Dixie" Dörner ist im Alter von 70 Jahren gestorben

Fußball-Deutschland trauert um Hans-Jürgen "Dixie" Dörner. Die Klubikone von Dynamo Dresden verstarb nach schwerer Krankheit im Alter von 70 Jahren.

Er war der "Beckenbauer des Ostens" - auch wenn Hans-Jürgen Dörner das nicht so gern über sich las. Aber der Vergleich mit Franz Beckenbauer drängte sich förmlich auf. Auch "Dixie" Dörner war mit seiner modernen Interpretation des Liberos seiner Zeit weit voraus, zudem galt er als die Lichtgestalt des Fußballs in der ehemaligen DDR.

In der Nacht zu Mittwoch verstarb der wohl begabteste Spieler, den die DDR hervorgebracht hat, nach langer und schwerer Krankheit sechs Tage vor seinem 71. Geburtstag. "Lieber 'Dixie', Du wirst uns unendlich fehlen und dennoch immer mit uns sein", schrieb Zweitligist Dynamo Dresden auf seiner Internetseite über die Klubikone: "Ruhe in Frieden!"

Dresden, der Osten, ja ganz Fußball-Deutschland trauert um einen seiner Größten. "Die Nachricht hat mich umgehauen, ich bin tief betroffen und fassungslos", sagte Dörners langjähriger Wegbegleiter Ede Geyer dem "SID": "Dixie und ich haben viele Kämpfe ausgetragen. Er hatte das gewisse Etwas und war eine Inspiration für viele Fußballer."

Dynamo Dresden "in tiefer Trauer"

100 Länderspiele, fünf Meistertitel, fünf Pokalsiege, Olympiagold 1976, dreimal Fußballer des Jahres in der DDR - Dörners Spielerkarriere war von Erfolg gekrönt. Nur eine Sache wurmte ihn bis zum Tod: Wegen einer Gelbsucht hatte er die WM 1974 und damit auch den 1:0-Sensationssieg in Hamburg über den großen Bruder BRD verpasst.

Dynamo verliert seinen Rekordprofi, Ehrenspielführer, sein Aufsichtsratsmitglied - und einen glühenden Fan. Dörner war immer mit Herzblut ein Schwarz-Gelber. "Was den Fußball betrifft, war ich in Dresden immer zufrieden", sagte er einmal, "den Wunsch nach Veränderung hatte ich nie."

Sein Tod stürze den Verein "in tiefe Trauer", sagte Dynamo-Präsident Holger Scholze. In Dörner sei "nicht nur der größte Spieler der Vereinsgeschichte von uns gegangen", so Scholze, "wir haben auch einen Menschen verloren, der unser aller Herz erobert hatte." Dörner habe sich mehr als fünf Jahrzehnte "auf und neben dem Platz für die Farben unserer Stadt und unseres Vereins in beeindruckender und herausragender Art und Weise eingesetzt".

Sammer über Dörner: "Du warst Deiner Zeit weit voraus"

Als Dank dafür brachte der Klub 2021 anlässlich von Dörners 70. Geburtstag eine Sonderbriefmarke im passenden Wert von 70 Cent heraus. Dörner war wettbewerbsübergreifend 558-mal für Dresden aufgelaufen und hatte dabei 101 Tore erzielt. Im Oktober 2019 wurde Dörner, dessen Trainerkarriere nach einem unglücklichen Einstand bei Werder Bremen nie in Fahrt gekommen war ("Wir Osttrainer hatten kein großes Standing"), in die "Hall of Fame" des Deutschen Fußballmuseums aufgenommen.

Für Matthias Sammer, der später selbst eine Weltkarriere hinlegte, war Dörner als Jugendlicher ein Vorbild. "Du warst Deiner Zeit weit voraus", sagte Sammer zu Dörners letztem Geburtstag: "Pep Guardiola hätte seine Freude an Dir gehabt."

So viel Aufhebens um seine Person war Dörner gar nicht recht. "Ich bin nicht der Messias", sagte er einmal. Der gebürtige Görlitzer war eher verschlossen, "aber wenn das Lied 'Mendocino' gespielt wurde", verriet Geyer, "dann konnte er auch aus sich herausgehen."

Die Frage nach der Herkunft seines Spitznamens "Dixie", den er seit Kindheitstagen trug, wird wohl auch über den Tod hinaus ungeklärt bleiben. "Ich weiß nicht von wem und warum", sagte Dörner einmal: "Es hat jedenfalls nichts mit den alten Autos zu tun oder mit dem Dixieland-Festival."

Hermann Winkler, Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes, war "bestürzt und fassungslos". Dörners Tod bedeute "für den Fußball im Osten Deutschlands und in Sachsen eine Zäsur. Die Menschen hier haben zu ihm aufgeschaut, er war eine Identifikationsfigur, als Spieler hat er die Massen begeistert, als Mensch die Herzen erreicht".

Dynamo will für das Zweitliga-Auswärtsspiel am kommenden Sonntag (13:30 Uhr/Sky) bei Hannover 96 eine Schweigeminute beantragen. Zudem soll die Mannschaft als Zeichen der Anteilnahme mit Trauerflor spielen.