23.09.2022 13:19 Uhr

Das seltsame BVB-Phänomen Thomas Meunier

Thomas Meunier ist beim BVB gesetzt
Thomas Meunier ist beim BVB gesetzt

Bei Borussia Dortmund gehört Thomas Meunier auch in dieser Saison wieder zu den Dauerbrennern. Der Belgier spielt selten gut, ist bei den Fans umstritten - und dennoch unverzichtbar für den BVB. Warum?

Ob sich die Verantwortlichen von Borussia Dortmund vor der Verpflichtung von Thomas Meunier im Sommer 2020 auch auf Youtube über den Neuzugang informierten, ist nicht überliefert.

Sollten die BVB-Bosse in dem Videoportal recherchiert haben, könnte ihnen ein Clip aufgefallen sein, der wenig schmeichelhafte Spielszenen Meuniers aus seiner Zeit bei Paris Saint-Germain zeigt.

Mit beißender Ironie wird die "phänomenale Flankentechnik" des heute 31 Jahre alten Rechtsverteidiger dargestellt. "Unschlagbar in der Luft" heißt ein Abschnitt mit missglückten Kopfbällen. Auch "bemerkenswerte Passtechnik" und ein "unglaublicher Fußball-IQ" werden Meunier zugeschrieben.

Als BVB-Fan schmerze ihn der Anblick dieser Aktionen, kommentiert ein User das Video. "Wie der Mann Profi geworden ist, ist für mich bis heute noch ein Rätsel", schreibt ein anderer.

BVB: Viel Kritik an Thomas Meunier

Regelmäßig gehört Meunier nach BVB-Spielen in den sozialen Netzwerken und Fan-Foren zu den am härtesten kritisierten Spielern in Schwarz und Gelb. Den Anhängern im Stadion (und wohl auch dem ein oder anderen Entscheidungsträger des BVB) kostete Meunier in den letzten zwei Jahren so manches Mal einiges an Nerven.

Insbesondere sein Offensivspiel ist gelinde gesagt ausbaufähig. Gefährliche Flankenläufe, eigentlich eine Kernkompetenz moderner Außenverteidiger, gelingen ihm so gut wie nie - eine besonders bittere Erkenntnisse angesichts der Tatsache, dass mit dem im BVB-Trikot bisher so enttäuschenden Anthony Modeste im Angriffszentrum ein Stürmer agiert, der genau auf solche hohen Zuspiele in guter Qualität angewiesen wäre.

Meuniers Schwächen kennen längst auch die Gegner des BVB. Manchester City ließ dem Routinier im Champions-League-Duell auffallend viel Platz auf seiner rechten Seite. Kapital daraus schlagen konnte er nicht.

BVB "zu anfällig" wegen Thomas Meunier?

Defensiv ist Meunier an guten Tagen zwar grundsolide. Gegen den Ball schwankt die Qualität seiner Darbietungen allerdings stark.

Beim schwierigen Auswärtsspiel gegen den SC Freiburg wechselte Trainer Edin Terzic den gelbverwarnten Meunier nach schwacher Leistung bereits zur Halbzeit aus. Einen 0:1-Rückstand drehte der BVB ohne den WM-Dritten von 2018 noch zu einem 3:1-Sieg.

Bei der 0:3-Klatsche bei RB Leipzig gehörte Meunier ebenfalls zu den schwächsten Borussen. Insgesamt 52 Prozent gewonnene Zweikämpfe in der Liga zeugen auch nicht gerade von einem Bollwerk auf der rechten Dortmunder Seite.

"Zu anfällig" sei der BVB auch wegen Meunier, kritisierte Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus bereits vor Saisonstart gegenüber "Bild".

Dass Meunier wettbewerbsübergreifend trotzdem auf Rang fünf der BVB-Profis mit den meisten Einsatzminuten 2022/2023 liegt, überrascht daher durchaus - allerdings nur auf den ersten Blick.

Darum ist Thomas Meunier für den BVB unverzichtbar

Denn trotz seiner durchwachsenen Leistungen ist Meunier für Terzic eigentlich unverzichtbar.

Der eigentlich als Hauptkonkurrent vorgesehene Mateu Morey kämpfte sich nach seinem Kreuzbandriss im Frühjahr 2021 gerade wieder ans Team heran, erlitt dann aber eine Meniskusverletzung und musste erneut operiert werden.

Niklas Süle oder Emre Can sind allenfalls Notlösungen auf der Rechtsverteidigerposition.

Allzweckwaffe Marius Wolf wird aufgrund der dünnen Personaldecke teilweise auch auf dem rechten Offensivflügel oder der linken Abwehrseite benötigt. Und Eigengewächs Felix Passlack hat auch unter Edin Terzic nicht den Status, um Chancen auf einen Stammplatz zu haben.

Anders ausgedrückt: Echte Konkurrenz gibt es für Meunier beim BVB nicht.

Kein Wunder also, dass sich trotz vieler Gerüchte in der zurückliegenden Transferperiode ein Abgang aus Dortmund zerschlug. Klangvolle Namen wie Manchester United und auch der FC Barcelona wurden mit ihm in Verbindung gebracht.

Konkret wurden die Gerüchte nicht. Vielleicht, weil man in Manchester und Barcelona auch YouTube zu Rate zog.

Tobias Knoop