05.10.2022 12:07 Uhr

Das ungeahnte Abwehr-Problem des BVB

Niklas Süle (l.) und Nico Schlotterbeck sind als Innenverteidiger-Duo noch zu fehleranfällig beim BVB
Niklas Süle (l.) und Nico Schlotterbeck sind als Innenverteidiger-Duo noch zu fehleranfällig beim BVB

Zum Pausentee am letzten Bundesliga-Wochenende sah die Welt von Borussia Dortmund noch rosig aus: Der BVB führte 1:0 beim 1. FC Köln, war in der Blitztabelle soeben auf Platz eins geklettert. 45 Minuten später schlug die Stimmung dann ins komplette Gegenteil um. Die Führung wurde - zum dritten Mal in dieser Saison - vergeigt, fußballerische Defizite von den Kölnern gnadenlos aufgedeckt. Nach der dritten Bundesliga-Pleite beginnt das große Zweifeln bei Schwarz-Gelb: Warum schlägt sich der Kader auch in diesem Jahr wieder mit altbekannten Problemen herum?

In der abgelaufenen Bundesliga-Saison wurde Borussia Dortmund trotz der schlechtesten Defensiv-Ausbeute seit vielen Jahren erneut Vizemeister. 52 Gegentore kassierten die Dortmunder Schlussmänner Gregor Kobel und Marwin Hitz, nur eins weniger als Absteiger Arminia Bielefeld.

Dass die Westfalen trotzdem wieder souverän Zweiter wurden, lag vor allem daran, dass der BVB mit Erling Haaland einen der besten Mittelstürmer der Welt in seinen Reihen wusste und selbst 85 Buden in 34 Spielen schoss. 

Seit diesem Sommer ist die norwegische Tormaschine bekanntermaßen weg und ballert derzeit im Trikot von Manchester City die englische Premier League kurz und klein. 

Das Abwehr-Problem hingegen existiert beim BVB auch weiterhin - so scheint es zumindest. Im Transfersommer 2022 griffen die Klubbosse tief in die Geldschatulle, um sich auf den Innenverteidiger-Positionen neu und vor allem besser aufzustellen. Mit Nico Schlotterbeck kam ein echter Hoffnungsträger für 20 Millionen Euro vom SC Freiburg ins östliche Ruhrgebiet. 

Niklas Süle kostete als zweiter neuer Innenverteidiger zwar keine Ablöse, gehört mit einem geschätzten Jahreseinkommen von bis zu elf Millionen Euro aber direkt zu den Topverdienern im BVB-Dress.

Schlotterbeck verkörpert Selbstbewusstsein - und Fehleranfälligkeit

Doch das vermeintliche Traumduo, das sich in der Bundesliga und Champions League auch für die WM in Katar einspielen soll, kann die hohen Erwartungen bisher nicht erfüllen. 

Nico Schlotterbeck leistete sich im Saisonverlauf wiederholt folgenschwere Aussetzer. Zuletzt ließ er Ex-BVB-Stürmer Steffen Tigges vor dessen Kopfballtor zur Kölner Führung sträflich aus den Augen, agierte außerdem einmal mehr zu ungestüm im und rund um den eigenen Sechzehner.

Der 22-Jährige begeisterte den schwarz-gelben Anhang in seinen ersten Wochen zwar mit hoher körperlicher Präsenz und seiner kampfbetonten Ausstrahlung. Unter dem Strich zählen aber Zuverlässigkeit sowie ein sicheres Stellungs- und Aufbauspiel in den entscheidenden Spielsituationen mehr als beinharte Zweikampfführung und das häufig zelebrierte Animieren des Publikums.

"Ich bin ein Spieler, der manchmal sehr ins Risiko geht, und dann kommen immer noch ein paar Momente dazu, in denen ich Konzentrationsprobleme habe — wie zuletzt in der Nationalmannschaft", wurde Schlotterbeck selbst in den "Ruhr Nachrichten" zitiert, nachdem er zuvor beim 3:3 in England im DFB-Trikot einen Elfmeter verschuldet hatte.

Der Sommer-Neuzugang will unter Edin Terzic schnell zum Führungsspieler aufsteigen, muss aber bis dahin erst einmal seine eigene Beständigkeit in den Griff bekommen. 

Süle wirkt nicht austrainiert im BVB-Dress

Bei Niklas Süle hingegen liegen die Probleme woanders. Der Neuzugang vom FC Bayern bringt zwar über 93 Prozent seiner Pässe an den Mann, wirft außerdem die Erfahrung von fünf deutschen Meisterschaften, zwei DFB-Pokalsiegen und einen Champions-League-Titel in die Waagschlage. 

Der 1,95-m-Hüne wirkte aber bisweilen schlichtweg nicht austrainiert, lief in spielentscheidenden Szenen wie in der Nachspielzeit beim 2:3 gegen Werder Bremen nur hinterher. 

Der 42-fache Nationalspieler sieht sich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er zu viele Kilos auf den Rippen hat, um seinen Job gegen schnelle, quirlige und besonders laufstarke Gegenspieler zu erfüllen. 

Hummels als BVB-Stabilisator unverzichtbar

Als großer Hoffnungs- und Leistungsträger im Dortmunder Abwehrzentrum bleibt somit Altmeister Mats Hummels. Wie wichtig der bald 34-Jährige in dieser Saison für das Dortmunder Spiel ist, wurde zuletzt in seiner Abwesenheit besonders deutlich.

Der Weltmeister von 2014 stand bisher 512 Bundesliga-Minuten auf dem Rasen. In seinen 90-Minuten-Einsätzen ging der BVB in 2022/2023 stets als Sieger vom Feld, zum Zeitpunkt seiner Auswechslung gegen Werder Bremen führte Dortmund noch mit 1:0.

Mit Hummels auf dem Platz kassierte der BVB in der laufenden Spielzeit erst ein einziges Gegentor, in den 208 Minuten ohne den Vizekapitän satte neun. Mit dem Routinier wurden bereits vier Zu-Null-Siege geholt, ohne ihn kein einziger Punkt. 

Glasklare Indikatoren dafür, dass Hummels in seiner zuletzt gezeigten Form unverzichtbar ist für die Elf von Cheftrainer Edin Terzic.

Beim FC Sevilla wird der Abwehrchef aufgrund einer Erkältung erneut nicht mitwirken, hat die Reise nach Andalusien gar nicht erst mit angetreten. Für die Wackel-Kollegen Schlotterbeck und Süle die nächste Gelegenheit, immer lauter werdende Kritiker und Zweifler fürs Erste zu beruhigen. 

Mats-Yannick Roth