17.11.2022 15:54 Uhr

Erkenntnisse zum DFB-Test: Mehr Fragezeichen als Antworten

Ratlose Gesichter beim DFB-Team beim WM-Test gegen den Oman
Ratlose Gesichter beim DFB-Team beim WM-Test gegen den Oman

Als WM-Generalprobe wollte man das Spiel gegen den Oman nicht verstehen. Der 1:0-Testspielsieg wurde für eine biedere DFB-Elf beinahe zu einer Blamage, bei der ein Neuling der einzige Gewinner war. Die klarste Erkenntnis: Deutschland ist noch nicht in WM-Form.

Bundestrainer Hansi Flick sah nach einem teilweise desolaten Auftritt gegen den Oman den Sinn des Testspiels dennoch erfüllt. Man habe sich an die Bedingungen und die heißen Temperaturen gewöhnen können. Doch sollte man nicht etwas mehr erwarten können gegen den 75. der FIFA-Weltrangliste?

Bei allem Respekt ließen sich die deutschen Akteure gegen Spieler, die fast ausschließlich in der omanischen Liga spielen, zu häufig den Schneid abkaufen. Das ärgerte auch Flick und der sprach dies in der Pressekonferenz nach der Partie deutlich an: "Ich bin nicht happy, wie wir verteidigt haben – so dürfen wir bei der WM nicht spielen. Wir brauchen mehr Körperlichkeit, das habe ich vermisst."

Fehlende Zweikampfhärte: So wird das DFB-Team in Katar nicht bestehen

Ein ums andere Mal wurden Eins-gegen-Eins-Situationen gegen die durchaus quirligen Omaner hergeschenkt. Tatsächlich verloren die Deutschen 62 Prozent (!) der insgesamt 73 geführten Zweikämpfe in den 90 Minuten von Maskat. Immerhin konnte die DFB-Elf in der Luft ihre Größenvorteile ausspielen und 62 Prozent der 21 Luftduelle gewinnen - was in der Gesamtzweikampfbilanz aber zugleich ein noch schlechteres Licht auf die am Boden geführten Duelle wirft. Erstaunlich ist diese Bilanz auch, weil der Oman im gesamten Spiel nur zweimal zu einem Foul griff.


Mehr dazu: Die Noten zum erschreckenden DFB-Test gegen den Oman


Erschreckend: Abgesehen von Matthias Ginter hatte kein deutscher Startelfspieler eine positive Zweikampfbilanz. Jonas Hofmann etwa gewann nur einen seiner sechs Zweikämpfe, die Bayern-Spieler Leon Goretzka und Leroy Sané ließen jegliche Härte gegen den Ball vermissen. So wird man weder gegen quirlige und wendige Japaner, noch gegen routinierte Spanier bestehen können. Und auch gegen Costa Rica wird es mit einer solchen Einstellung schwer.

Nun mag man die fehlende Körperlichkeit damit entschuldigen, dass sich kein Spieler unmittelbar vor dem Turnier noch verletzen möchte. Aber letztlich geht es für die Auswahl von Hansi Flick um eine Empfehlung für einen Startplatz in den Gruppenspielen der Weltmeisterschaft. Und ganz ohne Zweikämpfe wird keiner auskommen.      

Die DFB-Defensive ist nicht sattelfest - auch nicht gegen den Oman

Die Abwehrkette wird in dieser Formation - Klostermann auf rechts, innen Kehrer und Ginter, Raum auf links - wohl kaum zum WM-Auftakt auflaufen. Der einzige Spieler, der sich aus diesem Quartett zumindest teilweisen empfehlen konnte, war der meist solide Matthias Ginter. Der in der zweiten Halbzeit für den Freiburger eingewechselte Nico Schlotterbeck gewann immerhin alle seine Zweikämpfe und hatte einige lichte Momente im Aufbauspiel.

Mit Niklas Süle und dem angeschlagenen Antonio Rüdiger, auf die Flick in Maskat verzichtete, dürfte sich der Bundestrainer zum WM-Auftakt für deutlich mehr Robustheit und Struktur entscheiden. 

Doch nicht nur die Abwehrzentrale ließ sich zu häufig überrumpeln - die defensiven Außenbahnen bleiben weiterhin eine Schwachstelle. David Raum liefert offensiv immer wieder Akzente, seine linke Abwehrseite war allerdings oftmals völlig verwaist. Auf rechts bleibt ebenfalls ein dickes Fragezeichen: Der fast ohne Spielpraxis angereiste Lukas Klostermann wurde nach 30 Minuten ausgewechselt, was laut Flick so besprochen war.

Bei Jonas Hofmann ist es ähnlich wie bei Raum: Der Gladbacher hat seine Stärken in der Offensive. Eine mögliche Erkenntnis des Bundestrainers: Die gegen den Oman aufgebotene Viererkette funktioniert nicht wie erhofft. Wie bereits einige Male getestet, könnte eine Dreierkette aus gelernten Innenverteidigern das Mittel der Wahl sein.    

Im defensiven Mittelfeld leisteten sich sowohl Leon Goretzka als auch Ilkay Gündogan ungewöhnliche viele Fehlpässe, beide verloren zu viele Zweikämpfe. Der zur zweiten Halbzeit eingewechselte Joshua Kimmich machte es nur ein wenig besser.

Die Offensive und ein Gewinner: Niclas Füllkrug

Einer der wenigen positiven Erkenntnisse dürfte der Bremer Niclas Füllkrug gewesen sein. Bei seinem Länderspieldebüt präsentierte er sich ab der zweiten Halbzeit als echter Strafraumstürmer, der auf seine Chancen lauert - und eine davon in der 80. Minute nutzte. Mit seinem ersten Tor im DFB-Dress erlöste er Hansi Flick und seine Schützlinge.

Nur wenige Minuten später drückte Füllkrug die Kugel nach einem Abpraller wieder über die Linie - jedoch aus Abseitsposition. Es waren zwei von nur vier Ballaktionen in 45 Minuten. Doch Füllkrug hat Flick gezeigt, was er kann. Sein Vorgänger im Sturmzentrum, Youssoufa Moukoko, blieb diesen Beweis noch schuldig.

Mit 17 Jahren und 361 Tagen wurde Moukoko mit seinem Einsatz zum jüngsten deutschen Nationalspieler seit Uwe Seeler 1954 (17 Jahre, 345 Tage), ansonsten hatte der Dortmunder jedoch wenig zu bejubeln. 13 zumeist unglückliche Ballaktionen und ein Pfostenschuss in der 45. Minute standen zu Buche. Doch kann man von einem bald 18-Jährigen mehr erwarten?

Angreifer-Star Kai Havertz bereitete zwar Füllkrugs Tor vor, agierte aber ebenso glücklos wie etwa Leroy Sané. Flicks offensive Erkenntnis: Niclas Füllkrug ist eine gute Option als einziger echter Strafraumstürmer. Ob dieser aber auch gegen Japan oder Spanien funktioniert, ist aber völlig offen.

Lars Wiedemann