29.11.2022 11:57 Uhr

Neymar-Vertreter Casemiro lässt Brasilien träumen

Casemiro glänzt bei der Fußball-WM in ungewohnter Rolle
Casemiro glänzt bei der Fußball-WM in ungewohnter Rolle

Als alle Vertreter für Neymar scheitern, springt der defensive Casemiro in die Bresche und schießt Brasilien ins Achtelfinale.

Mit leichtem Fieber und dickem Knöchel lag Neymar auf dem Bett im Teamhotel vor dem Fernseher und sah, wie Casemiro seine Arbeit erledigte.

In bester Torjägermanier sprang der "Unsichtbare" für Brasiliens Superstar in die Bresche - und bekam als Dank prompt höchstes Lob. "Casemiro ist seit Langem der beste Sechser der Welt", twitterte Neymar sogleich.

Dieser Einschätzung wollte Nationaltrainer Tite nach dem 1:0 (0:0) des Rekordweltmeisters gegen die Schweiz nicht widersprechen. "Gewöhnlich respektiere ich Meinungen und kommentiere sie nicht", sagte der "Professor" nach dem vorzeitigen Einzug ins WM-Achtelfinale schmunzelnd, "aber heute erlaube ich es mir: Ich stimme zu."

Brasilien vermisst Neymar

Über 80 Minuten lang hatten die Brasilianer mit allen Mitteln versucht, den verletzten und leicht erkrankten Neymar zu ersetzen - erst mit England-Legionär Lucas Paqueta, dann mit Real-Youngster Rodrygo.

Doch der Superstar mit seinen 75 Länderspieltoren, der ein Foto aus seinem Hotelzimmer bei Instagram postete, fehlte an allen Ecken und Enden. "Wir haben ihn vermisst, seine Kreativität, seine offensive Kraft", gab Tite zu.

Das sah auch Casemiro aus seiner Position im defensiven Mittelfeld, wo er als "Volante", am besten übersetzt als Sechser, vor allem das Spiel des Gegners unterbindet - und wagte sich in den Schweizer Strafraum, wo er den Ball mit dem Außenrist unhaltbar ins Tor drosch.

"Mein erstes Ziel ist es zu verteidigen, der Abwehr zu helfen. Nichtsdestotrotz, wenn es eine Möglichkeit gibt, ist es wichtig, sie zu nutzen", sagte der 30-Jährige von Manchester United, der nach dem Schlusspfiff eher ungewohnt im Mittelpunkt stand. Den roten Pokal für den Spieler des Spiels hätte er beinahe stehen lassen.

Casemiro der Gegenentwurf zu Neymar

Casemiro, der fünfmalige Champions-League-Sieger mit Real Madrid, ist der Gegenentwurf zu Neymar. Nicht der schillernde Superstar, der überall im Rampenlicht steht, sondern eher europäisch in seiner Mentalität. Einer, der mit Videos und Datenmaterial einer Analyseplattform gewissenhaft jeden Gegner studiert, um zu erahnen, was er machen wird.

Einer, der "nach dem Spiel zuerst auf Balleroberungen und abgefangene Pässe" schaut, wie er noch zu Real-Zeiten verriet, "das sind meine Zahlen, meine Tore, meine Vorlagen". Einer, der - wie es 2002-Weltmeister Gilberto Silva bei der BBC umschrieb - in einem Team mit vielen Offensivstars "unsichtbar auf dem Feld" sein sollte.

Seit Montag steht sein erstes WM-Tor in der Vita, neben seinem Siegtor im Champions-League-Finale 2017. Doch mehr freut Casemiro eine andere Statistik: In seinen bislang sechs WM-Spielen kassierte Brasilien nur ein Gegentor. Kein Wunder, dass Tite vor vier Jahren in Russland befand: "Casemiro zu haben, ist wie mit zwölf Mann zu spielen." Wie zum Beweis schied die Selecao 2018 im Viertelfinale aus, als der "Unsichtbare" nach zwei Gelben Karten gesperrt war.