01.12.2022 12:22 Uhr

Hat Deutschland ein Thomas-Müller-Problem?

Thomas Müller überzeugt bei der Fußball-WM in Katar bislang nicht
Thomas Müller überzeugt bei der Fußball-WM in Katar bislang nicht

Vor dem "Endspiel" bei der Fußball-WM 2022 in Katar gegen Costa Rica am Donnerstag (20:00 Uhr) wackelt Thomas Müllers Stammplatz in der deutschen Nationalmannschaft. Die nackten Zahlen sprechen eindeutig gegen den Routinier vom FC Bayern, der bei großen Turnieren in den letzten Jahren eine wahre Horror-Bilanz verzeichnete.

Die Besetzung, die der DFB am Dienstag auf seiner turnusmäßigen Pressekonferenz aufbot, war durchaus brisant.

Platz auf dem Podium nahmen nämlich Niclas Füllkrug und Thomas Müller, also quasi Herausforderer und Platzhirsch im Kampf um den Stammplatz auf der Neun in der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM.

Persönliche Animositäten zwischen den Konkurrenten ließen sich nicht beobachten. Stattdessen brannten der Bremer Newcomer und sein international deutlich erfahrener Nebenmann vom FC Bayern ein wahres Sprüche-Feuerwerk ab.

Auch dem pikantesten Thema der Medienrunde begegnete Füllkrug schlagfertig und humorvoll. "Doofe Frage! Wollen wir weitermachen?", sagte er angesprochen auf das vermeintliche Startelf-Duell mit Müller.

Etwas Gehaltvolleres ließ sich da schon der 33-Jährige selbst entlocken. "Wir dürfen gespannt sein, was sich das Trainerteam einfallen lässt. Niclas hat in den letzten drei Spielen gezeigt, dass er weiß, wo das Tor steht", meinte Müller in Anspielung auf Füllkrugs entscheidende Treffer als Joker im Testkick gegen den Oman (1:0) und im wichtigen zweiten WM-Gruppenspiel gegen Spanien (1:1).

Letztes Turnier-Tor bei der Fußball-WM 2014

Müller selbst kann solche Erfolgserlebnisse in jüngerer Vergangenheit im DFB-Trikot nicht vorweisen. Sein letztes Länderspieltor datiert vom 14. Juni beim 5:2-Erfolg gegen Italiens B-Elf.

Danach blieb er in vier Einsätzen ohne Treffer. Das Oman-Spiel verpasste er wegen seiner hartnäckigen Hüftprobleme.

Müllers Turnier-Durststrecke dauert allerdings schon deutlich länger, nämlich knapp achteinhalb Jahre. Beim legendären 7:1 gegen Brasilien im Halbfinale der WM 2014 steuerte er einen Treffer bei. Danach folgten bis heute 16 (!) Partien bei Endrunden ohne Torerfolg.

Thomas Müllers erschreckende Statistiken

In Katar strahlt Müller bislang nahezu keine Gefahr vor dem gegnerischen Kasten aus. 137 Einsatzminuten ohne Torschuss stehen für ihn in der Statistik.

Auch die Teamkollegen profitieren nicht entscheidend vom Ur-Münchner: Immerhin noch drei Torschussvorlagen bei der bitteren 1:2-Auftaktpleite gegen Japan folgte keine einzige im Spanien-Spiel.

Thomas Müllers Heatmap aus dem WM-Spiel gegen Spanien
Thomas Müllers Heatmap aus dem WM-Spiel gegen Spanien

Dort war Müller zudem der Deutsche mit den wenigsten Ballaktionen unter den Startelfspielern (18). Ebenfalls frappierend: Im Duell mit den Iberern verlor er alle seine fünf Zweikämpfe. sport.de quittierte seine glücklosen Leistungen mit der Note 4,5 sowie einer glatten 5.

"Am Ende wirst du nach außen an Torbeteiligungen und Torszenen bewertet", gestand auch Müller selbst ein. Mit seiner Ausbeute in Katar sei er "nicht zufrieden".

Dass Bundestrainer Hansi Flick den neben Kapitän Manuel Neuer erfahrensten Akteur im Kader zuletzt dennoch als "absoluten Führungsspieler" lobte und seine "wichtige Rolle auf und neben dem Platz" herausstrich, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Für Müller wird es im DFB-Team eng.

Große Konkurrenz in der Nationalmannschaft

Füllkrug, den Experten wie Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus und sogar DFB-Direktor Oliver Bierhoff vor dem Showdown gegen Costa Rica in die Anfangsformation lobten, bewirbt sich ernsthaft um den von Müller gegen Spanien bis zu seiner Auswechslung in der 70. Minute ausgefüllten Posten in vorderster Linie.

Eine Offensiv-Reihe dahinter ist die Konkurrenz ebenfalls riesig. Jamal Musiala gilt aufgrund seiner im deutschen Team einzigarten Fähigkeiten als gesetzt. Serge Gnabry gehört seit jeher zu Flicks Lieblingen. Auch Leroy Sané drängt nach überstandenen Knieproblemen wieder in die Mannschaft.

Klar ist auch: In puncto Dribbelstärke und Schnelligkeit ist Müller seinen drei Vereinskameraden hoffnungslos unterlegen.

Was spricht noch für Thomas Müller?

Was spricht mit Blick auf die entscheidende Partie gegen Costa Rica sowie den möglichen weiteren Turnierverlauf also überhaupt noch für Müller? Seine Routine aus inzwischen 120 Länderspiele, ja. Und auch läuferisch gehörte der wie gewohnt bienenfleißige Müller gegen Spanien zu den auffälligsten Deutschen. Aber reicht das, um weitere Startelf-Mandate in Katar zu rechtfertigen?


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Immerhin, ein alter Weggefährte steht nach wie vor unerschütterlich hinter Müller: Philipp Lahm, seines Zeichens Weltmeister-Kapitän von 2014.

Müller habe genau wie Kai Havertz, der gegen Japan mehr schlecht als recht auf der Neun spielte, immer noch eine "höhere Qualität" als Füllkrug, sagte Lahm dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".

Dafür, den Spanien-Helden gegen Costa Rica zunächst wieder auf die Bank zu setzen, spreche zudem seine Eignung als Joker, "der mit der Überzeugung reinkommt, auch in kurzer Zeit zu treffen".

Tobias Knoop

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