28.12.2022 14:00 Uhr

Das sind die drei großen Baustellen des FC Bayern

Manuel Neuer, Mathys Tel, Ryan Gravenberch: Baustellen hat der FC Bayern genug
Manuel Neuer, Mathys Tel, Ryan Gravenberch: Baustellen hat der FC Bayern genug

In der Fußball-Bundesliga belegt der FC Bayern nach 15 Spieltagen den ersten Tabellenplatz. Der SC Freiburg als ärgster Verfolger hat vier Punkte Rückstand, dem BVB fehlen sogar schon neun Zähler. Alles wie immer also? Für die Münchner wäre das nicht ganz so gut. Denn aus schmerzlicher Erfahrung wissen sie: Auf die Rückrunde kommt es an. Und die birgt ordentlich Zündstoff, wenn die Bayern jetzt nicht ihre Hausaufgaben machen.

Ob Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn, Trainer Julian Nagelsmann und Co. dem Silvester-Sketch "Dinner for One" etwas abgewinnen können, ist nicht bekannt. Das berühmte Miss-Sophie-Zitat "Same procedure as every year" klingt aber wie ein perfekter Leitspruch für den FC Bayern - weil es auch eine eindringliche Warnung enthält.

"Alles so wie jedes Jahr" würde für die Münchner im Normalfall nämlich bedeuten: Irgendwann gegen Ostern wird der FC Bayern zum elften Mal in Folge und zum insgesamt 33. Mal Deutscher Meister. Kurz davor oder kurz danach wird die Nagelsmann-Elf jedoch das Aus in der Champions League ereilen - und der Schock darüber wird die nationalen Erfolge mal wieder überschatten.

Die Gefahr, dass es auch im Frühling 2023 so kommt, ist groß. An den folgenden Baustellen muss der FC Bayern in den kommenden Wochen deshalb unbedingt arbeiten, damit die Nagelsmann-Elf mit der Regel bricht - und im Idealfall eine Ausnahmesaison wie in den Triple-Jahren 2013 und 2020 hinlegt:

1. Wer ersetzt Manuel Neuer im Tor?

Dass Bayern-Torwart Manuel Neuer nach einem Ski-Unfall im Urlaub für den Rest der Saison ausfällt, trifft die Münchner hart. Denn während auf fast allen Positionen Personal und taktische Ausrichtung Woche für Woche zur Diskussion stehen, herrschte wenigstens zwischen den Pfosten bisher Klarheit.

Wer in der entscheidenden zweiten Saisonhälfte das Münchner Tor hüten wird, ist unklar. Offiziell bestätigt ist es zwar noch nicht. Doch Sven Ulreich, die langjährige Nummer zwei des FC Bayern, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zum Stammkeeper befördert.

Vielmehr könnte Alexander Nübel seine zweijährige Leihe an die AS Monaco abbrechen und nach München zurückkehren. Diese Option nannte FCB-Sportvorstand Hasan Salihamidzic zuletzt gegenüber der "Sport Bild" eine "naheliegende Lösung".

Doch davon abgesehen, dass die Bayern für Nübel eine Ablöse zahlen müssten, stellt sich auch bei ihm die Frage: Hat der 26-Jährige mittlerweile die Qualität, um Neuer adäquat zu ersetzen?

Nach seinem Wechsel vom FC Schalke 04 zum FC Bayern im Sommer 2020 konnte Nübel Neuers Nummer-eins-Status nicht annährend gefährden. In seinen vier Pflichtspielen als Ersatzkeeper wurde der frühere U21-Nationaltorwart in der Saison 2020/21 den hohen Erwartungen nicht gerecht.

Mit der Leihe nach Monaco - Nübel ist bei den Monegassen gesetzt - hat der FC Bayern dieses Problem ausgelagert. Kommt Nübel jetzt aus Monaco zurück, wird aber wohl bald ein klares Bekenntnis des Klubs fällig.

Denn: Überzeugt der 26-Jährige, geht der Wettstreit um die Nummer eins im Tor mit dem dann 37-jährigen Neuer im Sommer erst richtig los.

Überzeugt Nübel nicht, werden Kritiker vermutlich schnell die Frage in den Raum werfen, wer Neuer in nicht mehr allzu ferner Zukunft im Bayern-Tor beerben soll. Zumal nicht gesagt ist, dass Neuer nach seinem Schienbeinbruch wieder zu alter Stärke finden wird.

Selbst eine Drittlösung, wie sie mit dem Gladbacher Yann Sommer noch im Raum steht, könnte für Brisanz sorgen. Kommt im Januar ein anderer Torwart als Nübel und überzeugt auf Anhieb, stehen im Sommer womöglich Neuer und Nübel zur Debatte.

2. Kann Julian Nagelsmann endlich für Ruhe im Bayern-Kader sorgen?

Der Ist-Zustand zur Fast-Halbzeit in der Bundesliga sollte den FC Bayern nicht vergessen lassen, dass in den ersten 15 Spieltagen längst nicht alles eitel Sonnenschein war.

Eine Ergebniskrise in der Liga mit drei Remis und einem 0:1 beim FC Augsburg, die von Ehrenpräsident Uli Hoeneß entfachte Diskussion um den fehlenden "Neuner", das spät kassierte 2:2 im Top-Spiel gegen den BVB: Im Frühherbst musste Bayern-Coach Nagelsmann mehrere Brandherde beseitigen.

Dass sich die Bayern mit zehn Pflichtspielsiegen in Folge in die WM-Pause verabschiedeten, sorgte nicht wirklich für Ruhe: Stattdessen muckte die zweite Reihe auf. Top-Talente wie Ryan Gravenberch, der im Sommer für 18,5 Millionen Euro von Ajax Amsterdam kam, oder Jungstürmer Mathys Tel, für den die Bayern 20 Millionen Euro an Stade Rennes überwiesen, forderten mehr Spielzeit ein.

Auch rund um das Stammteam gab es Stunk. Benjamin Pavard kokettierte laut mit einem Wechsel, nachdem er von der rechten Seite in die Innenverteidigung beordert wurde. Mit Sadio Mané zeigte zudem Bayerns Königstransfer im Sturm schwankende Leistungen.

3. Reichen Kadertiefe, Qualität und Motivation hinten raus aus?

Nicht nur Neuers Ausfall dürfte die Bayern-Bosse beschäftigen. Auch für Innenverteidiger Lucas Hernández, der sich bei der Fußball-WM 2022 in Katar einen Kreuzbandriss zuzog, ist die Saison wohl gelaufen. Wann Mané, der sich kurz vor der WM verletzte, zurückkommt, ist offen. Auch Abwehr-Backup Bouna Sarr ist nach einer Knie-OP noch rekonvaleszent.

Zählt man Nachwuchskräfte wie den 17-jährigen Paul Wanner dazu, stehen Nagelsmann aktuell nur 18 fitte Feldspieler zur Verfügung. Ob das reicht, um drei Wettbewerbe erfolgreich durchzuziehen, darf zumindest bezweifelt werden. Zumal Stammkräfte wie Eric Maxim Choupo-Moting, Kingsley Coman oder Leon Goretzka als verletzungsanfällig gelten.

Apropos: Ob Choupo-Moting dauerhaft das Zeug zum Bayern-Stürmer Nummer eins hat, wird sich ebenfalls noch zeigen müssen. Der 33-Jährige bestreitet seine erste Saison als Stammspieler bei einem Top-Klub. Zwölf Treffer in 19 Pflichtspielen sind eine starke Visitenkarte. Doch schon die erste kleinere Durststrecke des Deutsch-Kameruners würde die Neuner-Diskussion neu entfachen. Mit dem 17-jährigen Tel gibt es nur eine echte Alternative zu "Choupo" im Sturmzentrum.

In der Champions League - die Hammergruppe C mit Inter Mailand und dem FC Barcelona meisterten die Münchner mit 18 von 18 möglichen Punkten - wird der FC Bayern gleich gefordert sein: Im Achtelfinale trifft der deutsche Rekordmeister auf PSG. Gegen Paris war schon 2021 im Viertelfinale Schluss.

Motivationsprobleme sollte es in der Königsklasse nicht geben. Eine frühe Entscheidung im Bundesliga-Titelkampf könnte dem aber entgegenwirken. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Bayern frühzeitig in den "Meister-Blues" verfallen: Die Erinnerung an das Viertelfinal-Aus gegen den FC Villarreal im April 2022 ist noch präsent.

Claudio Palmieri