23.01.2023 14:05 Uhr

Warum der Druck auf Edin Terzic größer wird

Edin Terzic bekommt die BVB-Defensive einfach nicht in den Griff
Edin Terzic bekommt die BVB-Defensive einfach nicht in den Griff

Vor dem Start in die Rest-Saison der Fußball-Bundesliga war die Hoffnung bei Borussia Dortmund groß, die eklatanten Defensivprobleme überwunden zu haben. Doch das chaotische 4:3 gegen den FC Augsburg verdeutlichte einmal mehr, dass die BVB-Abwehr höchsten Ansprüchen kaum genügt. Hat Trainer Edin Terzic in der Winterpause nicht die richtigen Stellschrauben gefunden?

Am Sonntagnachmittag könnten viele Zuschauer im ausverkauften Signal Iduna Park den Eindruck erlangt haben, eine Neuauflage der Kult-Novelle "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" präsentiert zu bekommen. In der Hauptrolle: Nico Schlotterbeck.

Wie der gesamte BVB hatte nämlich auch der deutsche Nationalspieler im ersten Pflichtspiel nach der Winterpause höchst unterschiedliche Gesichter gezeigt.

Da war zum einen der engagierte Aufbauspieler mit präzisen langen Bällen und tollem Kopfballtiming, zum anderen aber auch der ständige Unsicherheitsfaktor im Zusammenspiel mit seinen Nebenleuten.

An drei Dortmunder Toren direkt beteiligt, an zwei Gegentreffern ebenso - Schlotterbeck wusste nach dem Abpfiff selbst nicht genau, wie er diesen denkwürdigen Nachmittag einordnen sollte.

"Das zu erklären, ist sehr schwer. Ich weiß nicht, ob ich mich riesig freuen oder ruhig sein soll, weil wir drei Dinger kassiert haben", gestand der Sommer-Neuzugang am "DAZN"-Mikrofon und schob hinterher: "Es war heute Qualität vorne und keine Qualität hinten."

BVB bekommt Abwehrprobleme nicht in den Griff

Dass Trainer Edin Terzic seinem Schützling anschließend bescheinigte, es "trotz dieser zwei Situationen gut gemacht" zu haben, sagt eine Menge über den Zustand des BVB im Januar 2023 aus. Frei nach dem Motto: Hauptsache gewonnen, egal wie.

Freilich dürfte auch dem gebürtigen Mendener bewusst sein, dass die Ansprüche im Umfeld der Borussia andere sind als ein mit Ach und Krach erzwungener Heimsieg gegen einen Abstiegskandidaten mit Verletzungssorgen und frisch umgekrempelter Mannschaft.

Pressing, Standards, Restverteidigung: Eigentlich hatten die auf einem enttäuschenden sechsten Tabellenplatz überwinternden Westfalen die lange Pause nutzen wollen, um an ihren Mängeln zu arbeiten - nach den ersten Eindrücken jedoch ohne durchschlagenden Erfolg.

Zwar beträgt der Rückstand auf einen Champions-League-Rang weiterhin nur zwei Zähler, in ihrer derzeitigen Verfassung dürften die Schwarz-Gelben indes keine große Aufholjagd einläuten können.

24 Gegentreffer in 16 Begegnungen sind zwar keine katastrophal schlechte Quote, das Zustandekommen vieler dieser Tore war  allerdings schlichtweg viel zu billig für ein Team, das zu den Top Ten Europas zählen will.

Nico Schlotterbeck als Sinnbild eines fahrigen BVB

Zwei Profis fielen in diesem Zusammenhang gegen Augsburg besonders auf: Salih Özcan erwischte vor der Abwehr einen rabenschwarzen Tag, ständig kam der Sechser den berühmten Schritt zu spät. Und der bereits erwähnte Schlotterbeck machte seinem Ruf als "Bruder Leichtfuß" wieder einmal alle Ehre, wenn er unter Gegnerdruck allzu lässig querpasste.

Dabei steht der frühere Freiburger symbolisch für die allzu wechselhaften Leistungen der Schwarz-Gelben - und erinnerte mit seinem Auftritt schmerzhaft an die Weltmeisterschaft. In Katar hatte Schlotterbeck bei der letztlich vorentscheidenden Niederlage im Gruppenspiel gegen Japan böse gepatzt und war anschließend nur noch zu einem Kurzeinsatz gekommen.

Auch in Dortmund passierten nun wieder "zu viele individuelle Fehler", gestand der Linksfuß, der mit seinem Ballverlust vor dem 1:1 selbst sein Päckchen zu tragen hatte und so seinen Anteil am abenteuerlichen Start ins neue Fußballjahr trug.

Von sport.de setzte es dafür die schwache Note 4,5. Auch wenn Schlotterbecks Beiträge zum Offensivspiel wichtig waren., seiner Kernaufgabe als Verteidiger war er nicht ausreichend nachgekommen.

Womit sich die Frage stellt, ob Terzic mit seiner Entscheidung, den 23-Jährigen seinem älteren und erheblich erfahrenen Teamkollegen Niklas Süle vorzuziehen, richtig lag. Zumal sich der vom FC Bayern gekommene DFB-Star mit der Rolle als Bankdrücker nicht allzu lange zufriedengeben dürfte.

BVB: Kaum Fortschritte im Trainingslager

Fakt ist: Die Probleme beim BVB sind hausgemacht. Immer wieder bringt sich das Team unnötig selbst in Schwierigkeiten, selbst gegen nominell weit unterlegene Gegner. Daran haben offenkundig auch die Winterpause und das Trainingslager in Marbella nichts geändert.

"Wir können nicht davon ausgehen, dass wir jedes Spiel gewinnen, wenn wir drei Gegentore kassieren. Das haben wir schon häufiger angesprochen", betonte Terzic nach dem Augsburg-Match genervt.

Für den Übungsleiter gilt es nun, seine Defensive so bald wie möglich in den Griff zu bekommen. Doch wie soll in wenigen Tagen gelingen, was augenscheinlich über Wochen der Vorbereitung ohne nennenswerte Fortschritte geblieben ist?

Schon am Mittwochabend (18:30 Uhr/Sky) geht es für Borussia Dortmund beim FSV Mainz 05 weiter. Für Terzic, Schlotterbeck und Co. die schnelle Gelegenheit, ein anderes Gesicht zu zeigen. Mehr Dr. Jekyll, weniger Mr. Hyde.

Heiko Lütkehus