Wow-Effekt und Fußball-Romanze: Der Woltemade-Hype ist real

Die neue Sturm-Hoffnung in Deutschland heißt Nick Woltemade. Der hochgewachsene Stürmer begeistert seit Monaten im VfB-Trikot und der deutschen U21-Nationalmannschaft. Vielleicht auch schon beim Nations-League-Gipfel im Frühsommer auf der größten Bühne. Lange kommt Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht mehr an ihm vorbei.
Woltemessi, Turm von Cannstatt, Goaltemade, Big Nick – es ist selten ein schlechtes Zeichen, wenn es für Fußball-Profis nur so an Spitznamen wimmelt.
Im Sommer kam Nick Woltemade als relativ unbekanntes Talent zum VfB Stuttgart, inzwischen ist er Hoffnungsträger und auf dem Weg zum Kult-Spieler. Seine jüngsten Tore in der U21-Nationalmannschaft heizen den Hype um den Angreifer weiter an.
Der Dreierpack am Dienstagabend im Test gegen Spanien (3:1) war ein astreiner Ausschnitt des Schaffenswerkes von Nick Woltemade.
Gala zeigt, was Woltemade alles kann
In der 3. Minute tunnelte er seinen Gegenspieler und chippte dann den Ball so sanft, wie es nur geht, über den hilflosen Keeper. Später netzte er im Strafraum aus der Drehung, das 3:1 nickte er standesgemäß ein. Das perfekte Woltemade-Spiel.
Im Video: RTL-Experte Helmes adelt Woltemade
Das Publikum im Schwabenland hat er längst im Sturm erobert. Der gebürtige Bremer wurde nach anfänglichen Schwierigkeiten zum Liebling der Fans.
Das hat mehrere Gründe: Woltemade kommt locker rüber, fällt mit seinen schlaksigen 1,98 Metern auf, ist modisch gekleidet und hat immer einen Spruch auf den Lippen.
Eine größere Rolle spielt sicher auch die Spielweise. Denn trotz der imposanten Größe ist er alles andere als ein Strafraumspieler. Der Schlaks verfügt über eine feine Technik, schlawenzelt sich immer wieder an mehreren Gegenspielern mit enger Ballführung und Körpertäuschung vorbei.
Damit sorgt er stets für einen Oha- oder Wow-Effekt und ein Raunen im Stadion. Ein Spieler, bei dem Fans aufstehen, weil sie wissen: Jetzt passiert was. Mal geht’s gut, manchmal auch nicht. Nur langweilig ist es selten. Spielertypen wie Woltemade, ein echter Zocker, sind Mangelware.
Wo genau er am liebsten spielt, ist ihm nach eigener Aussage egal. Hauptsache vorne. Offensiv. Woltemade ist ein Joker, den ein Trainer wie Sebastian Hoeneß oder Antonio Di Salvo in der Offensive reinwerfen und in die Aufstellung einbauen kann.
Lieber Dynamo als Chelsea
Privat gibt er sich volksnah. Er gucke lieber Dynamo Dresden gegen Rot-Weiss Essen als ein Premier-League-Topspiel, erklärte er im Podcast "Copa TS". In Deutschland kenne er von der Bundesliga bis zur Regionalliga eigentlich jeden Spieler. Und die ihn ganz sicher auch.
Die Zahlen unterstreichen den steilen Aufstieg. In der laufenden Spielzeit sammelte Woltemade zwölf Tore und zwei Assists. In den vergangenen sechs U21-Spielen steuerte er immer mindestens einen Scorerpunkt bei.
Rückblickend ist es fast schon ironisch, dass er vor der Saison mit dem Ruf als wenig treffsicherer Stürmer nach Stuttgart wechselte. In Bremen erzielte er 2023/24 in 30 Spielen nur zwei Tore. Zuvor hatte er als Leihspieler im saarländischen Elversberg mit zehn Treffern beim Aufstieg in die 2. Bundesliga aktiv mitgeholfen.
Diese Bremer Ladehemmung hatte Woltemade selbst am meisten gefuchst. In Stuttgart wollte er unter Sebastian Hoeneß den nächsten Schritt gehen. Der Coach hat eine Hand für Talente. Hinzu kommt: Seit seiner Kindheit ist Woltemade Stuttgart-Fan, sein Vater glühender Anhänger seit den Tagen des "magischen Dreiecks", der auch privat zu Auswärtsspielen fährt. Eine kleine Fußball-romantische Geschichte, wie es sie so nicht mehr oft gibt. Mit 23 Jahren spielt er nun schon bei seinem zweiten Herzensklub, nun gelingt ihm hier sogar der Durchbruch. Viel mehr geht nicht.
Dabei hatte es etwas gedauert, bis er wirklich in Stuttgart angekommen war. Zunächst war etwas die Luft raus. Kaum Einsätze, teilweise stand er nicht im Kader. El Bilal Toure, Ermedin Demirovic und Deniz Undav waren in der Stürmer-Rangliste vor ihm. Inzwischen steht Woltemade an der Nummer eins.
Auch Interesse beim FC Bayern geweckt
Es folgte schon zum Start eine Hiobsbotschaft. Für die Champions League wurde Woltemade nicht in den Kader berufen, war nicht spielberechtigt. Heißt: Während die Kollegen denkwürdige Abende in der Königsklasse erlebten, musste der 23-Jährige zuschauen.
Dann platzte der Knoten. Die ersten Tore gelangen im Pokal gegen Zweitligisten, dann auch in der Liga gegen Frankfurt. Im Herbst und Winter 2024 wuchs Woltemade zum Unterschiedsspieler heran. Auch in der U21. Dazu ist er bei der A-Nationalmannschaft ganz dick auf dem Radar.
Schon Ende Januar hatte VfB-Ikone Cacau im Exklusiv-Interview mit sport.de über Woltemade gesagt. "Er hat eine Top-Entwicklung genommen. In den vergangenen Monaten ist er immer besser geworden. Technisch auf einem hohen Niveau, obwohl er so groß ist. Das erwartet man so nicht", schwärmte der ehemalige DFB-Star und führte weiter aus: "Ich glaube schon, dass er das Zeug hat. Er ist jung und schon U21-Nationalspieler. Er wird im engsten Kreis für die Nationalelf sein, wenn er die Leistungen bestätigt. Dann wird seine Zeit kommen. Auch weil Deutschland nicht so viel Auswahl auf dieser Position hat."
Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte im Nations-League-Viertelfinale gegen Italien noch nicht auf ihn gesetzt. Dafür war weiter Undav dabei, der gerade im Formtief festsitzt. Spieler müssten über einen längeren Zeitraum performen, erklärte der DFB-Coach.
Genau daran arbeitet Woltemade, der weiter von einer Berufung und konkret von der Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada träumt.
Wer weiß, womöglich darf Woltemade dann im Sommer doch schon zwei Turniere spielen. Mit der U21 ist er als einer der Leistungsträger für die Europameisterschaft in der Slowakei (11. bis 28. Juni) fest eingeplant. Die Elf von Julian Nagelsmann spielt kurz vorher im Final Four um die Nations League. Hält Woltemade im Saisonendspurt seine Form, könnte die Blitz-Berufung folgen.
Woltemade hat "genug Power" für Doppelschlag
"Ich glaube, Nations League und Europameisterschaft überschneiden sich nicht. Das wäre möglich. Ich habe noch genug Power dafür", lautete die Woltemade-Ansage
Spätestens aber im Herbst dürfte Woltemade, sollte die Form nicht komplett abrauschen, ein sehr ernster Kandidat auf den DFB-Kader sein und damit auch für die WM 2026.
Inzwischen soll auch der FC Bayern auf den Youngster aufmerksam geworden sein. Sogar erste Kontakte seien geknüpft, berichtet die "Sport Bild".
Womöglich wäre Woltemade als Backup für Harry Kane eine Option. Ob er sich allerdings freiwillig auf die Bayern-Bank setzen würde und jetzt schon den großen Schritt nach München gehen will, ist mehr als fraglich.
Deutlich wahrscheinlicher ist, dass er den Weg mit Hoeneß, der jüngst seinen Vertrag verlängert, vorerst in Stuttgart sieht. Und weiter an seiner Fußball-Romanze schreibt.