07.07.2010 23:30 Uhr

Löw: Diskussionen "berühren uns nicht"

Pretoria/Durban (SID) Die Störfeuer ignorieren, ein Feuerwerk entfachen, ins Endspiel einziehen: Die deutsche Nationalmannschaft will ungeachtet der von Philipp Lahm losgetretenen Diskussion um die Zukunft von Michael Ballack sportlich weiter für Schlagzeilen sorgen und auf ihrem Weg zum vierten Stern auch den vorletzten Schritt erfolgreich bewältigen. Der Machtkampf um die Kapitänsbinde und die Chefrolle in der DFB-Auswahl in der Zeit nach Südafrika soll deshalb im WM-Halbfinale am Mittwoch in Durban gegen Fußball-Europameister Spanien kein Thema sein.

"Das berührt uns hier überhaupt nicht", sagte Löw auf der Pressekonferenz am Abend vor dem Spiel und verzichtete auf einen Rüffel für seinen Kapitän: "Natürlich macht es ihm Spaß, Verantwortung zu übernehmen, und natürlich würde er sie gerne auch weiter übernehmen. Jeder kann hier seine Meinung sagen, und das ist die Meinung von Philipp", sagte Löw.

Allerdings stellte der Bundestrainer auch klar: "Natürlich weiß Philipp, dass der Trainer diese Entscheidung übernehmen wird, und das wird nach der WM geschehen." Noch in Südafrika könnten Lahm und Ballack allerdings wieder aufeinandertreffen. Sollte die DFB-Elf ins Finale einziehen, wird Ballack zum Wochenende wieder zur Mannschaft stoßen.

Doch Löw hakte das Thema ab, seine volle Aufmerksamkeit gilt ausschließlich den Spaniern. "Die Stimmung bei uns ist gut, aber nicht euphorisch. Ich sehe die Konzentration. Jeder, der hier beteiligt ist, will mehr. Wir stehen im Halbfinale, da kann das Ziel nur sein, den Berg ganz nach oben zu kommen", sagte Löw, der von seiner Mannschaft auch abseits des Platzes begeistert ist: "Motiviert, dynamisch, sympathisch, tolerant und respektvoll im Umgang miteinander - ich glaube, wir haben ein gutes Teamwork." Entsprechend selbstbewusst ist Löw: "Habe ich schon mal gezweifelt? Warum sollte ich zweifeln?"

Teammanager Oliver Bierhoff hatte zwar vor dem Abflug am Dienstagvormittag nach Durban die Aussagen von Lahm als "vom Zeitpunkt her nicht so glücklich" und "unnötig" eingestuft, aber auch er war überzeugt, "dass dies die Mannschaft nicht berührt". Es gebe "keine Missstimmung".

Allerdings muss Löw, der ebenso wie Bierhoff bemüht war, die Konzentration auf das Sportliche zu lenken, ausgerechnet bei der Neuauflage des EM-Finales von 2008 (0:1) auf den gelbgesperrten Senkrechtstarter Thomas Müller verzichten. "Das ist natürlich ein Handicap. Thomas hat für die Mannschaft Großes geleistet", meinte Bierhoff zum Ausfall des vierfachen Torschützen und ergänzte: "Es ist nicht leicht, etwas zu ändern, wenn man eine Formation gefunden hat, die sich blind versteht."

Löw hat aber "volles Vertrauen" in seinen "Ersatz-Müller". Wer dies am Mittwoch sein wird, ließ der DFB-Chefcoach aber auch Dienstagabend noch offen. Er nannte erneut Piotr Trochowski, Toni Kroos und Sami Khedira als Alternativen. Die besten Chancen dürfte aber der Hamburger Trochowski haben, der bei der WM bereits dreimal für den 20 Jahre alten Müller eingewechselt worden war. Im Gegensatz zu Kroos und Cacau spielt der 26-Jährige zudem auch beim HSV auf der rechten Seite.

Abgesehen von Müller stehen Löw alle Akteure zur Verfügung. Die leicht angeschlagenen Sami Khedira (Muskelverhärtung im Oberschenkel) und Arne Friedrich (Prellung am Oberschenkel) haben ebenso rechtzeitig ihre Blessuren überwunden wie Stürmer Cacau. Der Stuttgarter hatte zuletzt im WM-Achtel- und -Viertelfinale wegen einer Bauchmuskelzerrung gefehlt.

Löw, der wieder seinen blauen Glücks-Pullover tragen wird, und auch Bierhoff sehen im Gegensatz zu Achtelfinalgegner England (4:1) oder Viertelfinalkonkurrent Argentinien (4:0) beim Europameister "kaum Schwächen". "Die haben nicht einen Messi, sondern mehrere Messis", betonte der Bundestrainer. Er forderte deshalb die gesamte Mannschaft auf, "dass wir Druck machen und sie zu Fehlern zwingen müssen".

Bierhoff hält es für gefährlich, das Augenmerk nur auf Spaniens Torjäger David Villa - bisher fünf WM-Tore - zu richten: "Darauf sollten wir uns nicht zu sehr verlassen. Die Spanier haben neben Villa noch Xavi, Iniesta, Alonso oder Torres. Alle können entscheidende Akzente setzen."

Dennoch ist auch Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger überzeugt, dass die DFB-Auswahl in der Lage ist, "ein großes Kaliber auszuschalten. Wir haben gegen England und Argentinien gezeigt, dass wir auch Mannschaften schlagen können, die auf dem Papier besser waren", sagte er bestimmt. Lukas Podolski ergänzte: "Wir wollen ins Finale und noch mehr. Dafür werden wir gegen Spanien alles geben."

An ein mögliches Finale in Johannesburg am Sonntag wollte Bierhoff dagegen keinen Gedanken verschwenden - nur so viel sagte er dazu: "Wenn man dann England, Argentinien und Spanien geschlagen hat, kann man auch den letzten Gegner entspannt empfangen." - Die voraussichtliche deutsche Mannschaftsaufstellung:

1 Neuer - 16 Lahm, 17 Mertesacker, 3 Friedrich, 20 Boateng - 6 Khedira, 7 Schweinsteiger - 15 Trochowski, 8 Özil, 10 Podolski - 11 Klose. - Trainer: Löw