Woltemade-Hype: Werder Bremen als großer Verlierer?

Nick Woltemade ist in aller Munde. Nach einer Top-Saison im Trikot des VfB Stuttgart feierte der Angreifer erst sein Debüt in der deutschen A-Nationalmannschaft und reiste direkt danach weiter zur U21, die er mit seinen Toren ins EM-Halbfinale führte. Während sich bereits Schwergewichte wie der FC Bayern und Chelsea beim Überflieger in Stellung bringen sollen, wirkt ein Verein wie der große Verlierer des Hypes: Werder Bremen.
Wie groß die Wertschätzung für Nick Woltemade bei Werder Bremen nach wie vor ist, zeigte sich vor dem letzten Gastspiel der Hanseaten beim VfB Stuttgart.
"Der Typ ist zwei Meter groß, kann unfassbar gut mit dem Ball umgehen. Durch seine Größe ist er, auch wenn er ein bisschen schlaksig aussieht, einfach extrem stark. Er kann sich die Gegner gut vom Leib halten. Dazu dann eine super Ballführung. Ist dann halt auch ziemlich schwer", schwärmte SVW-Außenverteidiger Felix Agu Mitte April von seinem früheren Teamkollegen.
Dass Woltemade ausgerechnet beim Wiedersehen mit seinem Ausbildungsklub mit Gelb-Rot vom Platz fliegen und die folgende 1:2-Niederlage damit einleiten würde, war da noch nicht abzusehen gewesen. Zumal es die wohl einzige Negativschlagzeile rund um den Shootingstar im laufenden Kalenderjahr gewesen sein dürfte.
Woltemade auf dem Weg zum Star der U21-EM
Jetzt, im Juni 2025, ist Woltemade der wohl am meisten gehypte deutsche Fußballer. Seinen drei Toren bei der U21-EM gegen Slowenien (3:0) ließ er gegen Tschechien (4:2) einen Treffer und zwei Vorlagen folgen. Im Viertelfinale erzielte er gegen Italien den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1.
Keine Frage: Woltemade ist auf bestem Wege zum Turnierstar. Zur Freude des VfB Stuttgart, der mit der ablösefreien Verpflichtung des gebürtigen Bremers vor einem Jahr rückblickend einen absoluten Coup gelandet hat. 17 Tore in 33 Pflichtspielen sprechen für sich.
Was auch immer im Sommer passiert: Die Schwaben können nur gewinnen. Entweder kehrt der 1,98-Meter-Riese, der im Ländle zunächst einen schwierigen Start hatte, mit noch mehr Selbstvertrauen zum Pokalsieger zurück, oder er wird für eine äußerst üppige Ablöse an einen Top-Verein verkauft.
Doch wo es Gewinner gibt, muss es zwangsläufig auch Verlierer geben. An der Weser hat manch einer das Gefühl, dass Werder Bremen diese Rolle zukommt.
Explosion bei Werder Bremen blieb aus
Tatsächlich ist rund um Woltemade für den SVW vieles gelinde gesagt unglücklich gelaufen. Schon früh war dem Eigengewächs zugetraut worden, den Durchbruch im Profibereich zu schaffen, so richtig wollte es in Bremen bei dem spielstarken Stürmer aber nicht klappen.
Erst eine Leihe zum damaligen Drittligisten SV Elversberg, wo Woltemade ausgerechnet vom neuen Werder-Coach Horst Steffen gefördert wurde, brachte ihn einen entscheidenden Schritt weiter.
Nach zehn Toren und neun Vorlagen wurde er zum Spieler der Saison gekürt und wagte anschließend einen neuen Anlauf an der Weser. Unter Ole Werner gewöhnte sich der Rückkehrer immer besser an die Anforderungen der Bundesliga, in der Rückserie 23/24 stieg er zum Stammspieler auf.
Doch die totale Explosion blieb aus, und auch Woltemade selbst schien sich mehr erhofft zu haben als zwei Tore (per Doppelpack gegen Gladbach) in 30 Einsätzen, verteilt auf nur 1.184 Spielminuten.

Sämtliche Versuche der Werder-Bosse, sein auslaufendes Arbeitspapier zu verlängern, ließ der Offensivmann daher ins Leere laufen. Als der VfB Stuttgart, zu dem er aus familiären Gründen stets eine große Verbundenheit pflegte, irgendwann anklopfte und mit der Aussicht auf Champions-League-Fußball lockte, brach Woltemade die Zelte in seiner Geburtsstadt schließlich ab.
Ein bitterer Moment für die Bremer, die sich seit Längerem danach sehnen, endlich mal wieder einen Top-Spieler selbst herauszubringen. Im selben Sommer entschied sich übrigens auch der zuvor verliehene Eren Dinkci für einen endgültigen Abschied, davor bereits Fabio Chiarodia.
Solidaritätsbeitrag statt Mega-Ablöse
Fakt ist: Weder sportlich noch finanziell hat Werder von Woltemades rasanter Entwicklung profitiert. Sollte der Senkrechtstarter vom VfB weiterverkauft werden, steht dem Klub allenfalls ein anteiliger Solidaritätsbeitrag für die Ausbildung des Spielers zu. Im besten Falle könnte dieser gerade so im siebenstelligen Bereich liegen.
Stuttgart hingegen dürfte bei Offerten unterhalb der 40 Millionen Euro nicht einmal den Hörer abnehmen. Bei einem laufenden Vertrag bis 2028 und einem guten Draht zwischen Woltemade und seinem Trainer Sebastian Hoeneß hält der VfB alle Trümpfe in der Hand.
Kein Verlierer-Gefühl in Bremen
Weiter nördlich muss man derweil tatenlos mitansehen, wie der Stürmer, der im Alter von acht zum SVW gekommen war und ein Gesicht eines neuen, jungen Werders hätte werden sollen, andernorts komplett durch die Decke geht und sich neuerdings gar A-Nationalspieler nennen kann.
Zur Wahrheit gehört freilich, dass Sportboss Clemens Fritz und Co. vor einem Jahr die Hände gebunden waren. Bei seiner letzten Verlängerung in Bremen hatte sich Woltemade nur auf ein kurzfristiges Arbeitspapier eingelassen, entsprechend erwartbar waren Avancen anderer Klubs. Und sportlich war der Youngster bis zu seinem Abschied, aller Fortschritte zum Trotz, eben nicht unersetzlich.
Als Verlierer des Woltemade-Hypes sieht man sich an der Weser jedenfalls nicht. Man freue sich für den verlorenen Sohn und seine Erfolge, so der einhellige Tenor der Verantwortlichen.
Und doch ist zu spüren, dass in der Hansestadt jedem schmerzlich bewusst ist, vor einem Jahr womöglich einen kommenden Weltstar verloren zu haben. Ablösefrei.