27.07.2016 09:02 Uhr

Atlético Nacional: Auf den Spuren von 1989

Die Fans von Atlético Nacional sind bereit für den zweiten Titel
Die Fans von Atlético Nacional sind bereit für den zweiten Titel

Die erste Hürde ist genommen - der Favorit aus Kolumbien steht nach dem Unentschieden im Hinspiel in Medellín nun kurz vor dem großen Triumph. Dabei fällt in der Vorbereitung auf das wichtigste Spiel des Jahres meistens ein ganz bestimmtes Wort.

Intelligenz, laut dem "Duden" die "Fähigkeit, abstrakt und vernünftig zu denken und daraus zweckvolles Handeln abzuleiten". Reinaldo Rueda, Trainer von Atlético Nacional, setzt bei seiner Vorbereitung dementsprechend vor allem auf die psychische Verfassung seiner Spieler, die im großen Final-Rückspiel unter enormen Druck stehen: "Wir müssen ein intelligentes Spiel abliefern, das uns alles abverlangen wird. Der Gegner ist sehr athletisch und hat als Auswärtsteam seine Qualitäten schon unter Beweis gestellt. Wir müssen intelligent sein, um unser Ziel zu erreichen."

Biss vs. Gelassenheit

Dass der uruguayische Übungsleiter in Diensten des kolumbianischen Rekordmeisters diesen Aspekt derart hervorhebt, ist keine Überraschung. Zu bissig und kampfstark, zu physisch überlegen und mitunter aufgedreht spielte der Underdog aus Ecuador im Hinspiel in der Höhe von Quito. Angetrieben von 40.000 begeisterten Fans schafften die Blau-Schwarzen kurz vor dem Ende schließlich den verdienten Ausgleich.

Dabei wurde die so unterschiedliche Gangart beider Mannschaften mehr als deutlich: Independiente mit schnellem Umschaltspiel, Atlético mit ballsicherer Ruhe. So gesehen konnte die erste Halbzeit aus Sicht der Verdolagas nicht besser laufen: Nach einem starken Pass im Spielaufbau auf Mittelstürmer Orlando Berrio, fasste sich dieser ein Herz und schloss nach starker Ballbehauptung unhaltbar ab. Doch die Gäste spielten eben nicht "intelligent". Independiente erhöhte den Druck in Durchgang zwei und ließ die Kolumbianer nicht mehr aus der eigenen Hälfte kombinieren. Der Ausgleich kam letzten Endes mit Ankündigung.

Grüne Karawane und Party-Geruch

Dass ein Finale der Copa Libertadores eben aus zwei Spielen besteht, wissen die "alten" Verdolagas nur allzu gut. Als Atlético Nacional 1989 im Finale Olimpia aus Paraguay gegenüberstand, sahen die Fans ein wahres Herzschlagfinale. Nach der 0:2-Niederlage in Asunción egalisierten die Kolumbianer im Rückspiel und erzwangen sensationell das Elfmeterschießen - und siegten. Held der Mannschaft von damals war übrigens ein gewisser René Higuita, der mit seinen Paraden seinem Verein den ersten Titel des bedeutendsten Vereinswettbewerbs des Kontinents sicherte.

Selbstverständlich kramen die Verdolagas nun in den Geschichtsbüchern und holen die alten, verstaubten Anekdoten wieder hervor. Die Euphorie der Fans, heute wie damals, ist grenzenlos. Mehr als 200 Busse nahmen 1989 die lange Fahrt von Medellín in die Hauptstadt Bogotá auf sich, da das Heimstadion Atanasio Girardot wegen des geringeren Fassungsvermögens nicht genutzt werden durfte.

"Es roch nach Party und Wein", erinnert sich ein Fan an die lange Busfahrt zum Stadion. Nach dem packenden Spiel brachen dann alle Dämme. "Auf dem Weg zurück nach Medellín war alles in grün. Eine grüne Karawane mit Trompeten, Lachen, Joints, Gesängen, Feuerwerk, Schnaps, Fahnen..." Nicht vorstellbar, wie Fans und Mannschaft einen möglichen zweiten Triumph in der Copa Libertadores feiern werden.

Ob Spieler, Vereinsfunktionäre oder die Medellinenses - alle sind bereit und brennen darauf, dem Pokal die zweite Bronzeplakette mit der Aufschrift "Club Atlético Nacional" zu verpassen. Oder wie Franco Armani, Torhüter der Gastgeber mit ein wenig Pathos ausdrückte: "Wir werden für unser Leben spielen um den Titel zu gewinnen. In unserem Stadion und und mit unseren Fans." Wenn es ins Elfmeterschießen gehen sollte, kann Armani seinen Worten dann Taten folgen lassen und in die Fußstapfen des großen Vorbilds treten...

Atlético Nacional vs. Independiente del Valle (am Donnerstag ab 02:45 Uhr im weltfussball-liveticker)