28.12.2020 16:27 Uhr

Wilf Smith: Der "vergessene" Deutsche

Wilf Smith kam in England auf 340 Erstligaeinsätze
Wilf Smith kam in England auf 340 Erstligaeinsätze

Michael Ballack, Jürgen Klinsmann und Ilkay Gündogan zählen zu den bekanntesten Deutschen, die in der Premier League ihre Spuren hinterlassen haben. Ein anderer "Kraut", der auszog und mehr als 300 Spiele in der höchsten englischen Spielklasse machte, ist in seiner Heimat dagegen so gut wie unbekannt - ganz anders als im Mutterland des Fußballs.

In Sheffield und Coventry erinnern sie sich gern an Wilf Smith, der als rechter Verteidiger zwischen 1964 und 1974 in der ersten Liga Englands die Außenbahn beackerte. Auch wenn sein Name nicht mehr darauf hindeutet – geboren wurde Wilf Smith im September 1946 in schleswig-holsteinischen Neumünster. Und zwar nicht als Wilf Smith, sondern als Wilfred Schmidt.

Noch als Kind siedelte Wilfred mit seinen Eltern nach England über, wo er in der Nähe von Sheffield aufwuchs. Die Schmidts änderten ihren Nachnamen in Smith und nahmen die englische Staatsbürgerschaft an.

Bei Sheffield Wednesday wurden sie Anfang der 1960 auf den talentierten Verteidiger aufmerksam. Mit 18 gab Smith sein Debüt für die "Owls", bis zum Ende der Saison 1969/70 folgten 204 weitere Einsätze in der First Division für das Team aus Sheffield. Sogar auf eine internationale Karriere in den Farben seines neuen Heimatlandes durfte Smith hoffen. An der Seite der späteren Torhüter-Legende Peter Shilton absolvierte er einige Spiele für die englische U23-Auswahl – für ein A-Länderspiel sollte es allerdings nie reichen.

Der teuerste Außenverteidiger der Liga

Im Sommer 1970 wechselte der Deutsch-Engländer nach dem Abstieg Sheffield Wednesdays für stolze 100.000 Pfund zum Ligarivalen Coventry City. So viel war vorher im englischen Fußball noch nie für einen Außenverteidiger gezahlt worden. Sportliche Erfolge sammelte Smith jedoch auch dort nicht. Wie Sheffield bewegte sich auch Coventry mit Smith vornehmlich in der unteren Tabellenhälfte.

Mit seinen 340 Spielen (fünf Tore) in der höchsten englischen Liga ist Wilf Smith der Deutsche mit den zweitmeisten Einsätzen. Lediglich Manchester Citys legendärer Torhüter Bert Trautmann schnupperte mit 363 Spielen mehr Erstligaluft, gefolgt von Robert Huth mit 322 Ligaspielen. Huth, der seine Karriere im Sommer 2018 beendete, wird den "Kraut", der zwischen 1963 und 1977 für sechs verschiedene Vereine die Schuhe schnürte, nicht mehr überholen.

Millionär ohne Fußball

Wilf Smith ließ im Herbst seiner Karriere noch einige kurze Stationen in unteren englischen Ligen folgen (Millwall FC, Bristol Rovers, Chesterfield FC), bevor er 1977 die Fußballschuhe an den Nagel hing und sich aus dem Fußball-Business verabschiedete. Nach seiner sportlichen Laufbahn versuchte sich der ehemalige Profi mit ähnlichem Erfolg als Geschäftsmann und soll als Inhaber einer Discount-Kette Millionen verdient haben.

Seine alte Heimat nahm von der erstaunlichen Karriere des Wilfred Schmidt, der zu Wilf Smith wurde, bislang kaum Notiz. Bis vor kurzem hat es nicht einmal zu einem deutschen Wikipedia-Eintrag für den erfolgreichen Auswanderer gereicht.

Grund genug, um zum Jahrestag seines 340. und letzten Einsatzes in der First Division am 28.12.1974 an den "vergessenen Deutschen" zu erinnern.

Ralf Amshove