06.03.2015 10:33 Uhr

Chinas Liga plant den großen Sprung

Ricardo Goulart (2.v.l.) soll der neue Leistungsträger bei Guangzhou werden
Ricardo Goulart (2.v.l.) soll der neue Leistungsträger bei Guangzhou werden

Am Wochenende beginnt in China die 12. Saison der Super League. Die chinesischen Klubs investierten in der Winterpause so viel wie noch nie, um ihre Liga international konkurrenzfähig zu machen.

Die ganz großen Namen des Fußballs sucht man – im Unterschied zu den Jahren zuvor – in den Kadern der 16 Teams, die ab Samstag um die chinesische Meisterschaft konkurrieren, vergeblich. Doch dass 2015 kein Didier Drogba, kein Nicolas Anelka, kein Vagner Love und kein Alberto Gilardino die Massen in die Stadien locken soll, ist eher ein Zeichen für die positive Entwicklung im chinesischen Liga-Fußball.

Denn die Klubs haben offenbar ihre Strategie geändert. Mit rund 110 Millionen Euro haben die Vereine der Super League vor der Saison so viel investiert wie noch nie. Nur in der englischen Premier League saß das Geld in der jüngsten Transferperiode lockerer. Aber das Geld floss nicht, um alternde Stars mit Millionenverträgen in die Liga zu locken, die in den Spielzeiten zuvor nicht selten vor allem durch ihre Lustlosigkeit auf dem Spielfeld auffielen. Vielmehr wurden viele junge Spieler verpflichtet, die ihren Leistungszenit noch vor sich haben.

27 Millionen für zwei Brasilianer

Ligakrösus Guangzhou Evergrande, der Meister der letzten vier Jahre, geht wie immer voran. Für 15 Millionen Euro wurde mit dem offensiven Mittelfeldspieler Ricardo Goulart einer der Shooting Stars der brasilianischen Liga vom Meister Cruzeiro verpflichtet. Goulart ist 23 und damit ähnlich jung wie die zweite kostspielige Neuerwerbung des chinesischen Dauerchampions. Für 12 Millionen kam von Red Bull Salzburg Mittelstürmer Alan (25), der mit acht Treffern bisher beste Torjäger der Europa-League-Saison. Die beiden Brasilianer schlugen auch gleich ein: In der asiatischen Champions League gewann Guangzhou die ersten beiden Spiele, alle vier Treffer der Elf von Jung-Trainer Fabio Cannavaro erzielte Ricardo Goulart, so auch dreifach beim 3:2-Erfolg gegen den Titelverteidiger Western Sydney Wanderers.

Aufstrebende Spieler aus dem Ausland und die Förderung des eigenen Nachwuchses sollen die chinesischen Vereine mittelfristig konkurrenzfähig machen. In den vergangenen Jahren konnte nur Guangzhou mit dem italienischen Weltmeistercoach Marcello Lippi über die Landesgrenzen hinaus Erfolge verbuchen. 2013 setzte sich Guangzhou als erstes chinesisches Team seit 1990 die kontinentale Krone auf, im vergangenen Jahr scheiterte der FC Bayern Chinas im Viertelfinale knapp am späteren Sieger Western Sidney Wanderers. Die Alleinherrschaft Evergrandes wollen Vizemeister Beijing Gouan, Guangzhou R&F und vor allem Shanghai Greenland durchbrechen.

Aus Fehlern der Vergangenheit gelernt?

Shanghai Greenland, damals unter dem Namen Shanghai Shenhua, übernahm sich 2012 mit den kostspieligen Verpflichtungen von Didier Drogba und Nicolas Anelka und nimmt nach enttäuschenden Mittelfeldplätzen in den vergangenen Saisons einen neuen Anlauf. Greenland verpflichtete mit dem Australier Tim Cahill – zwischen 2004 und 2012 für Everton aktiv – ablösefrei den wohl namhaftesten Neuzugang für die Super League. Die 13 Millionen Euro, die Shanghai vor der Saison in neue Spieler investierte, flossen nicht in internationale Stars, sondern vornehmlich in Spieler, die ihre Tauglichkeit in der chinesischen Liga bereits bewiesen haben.

So überschaubar die sportliche Relevanz von Drogba & Co. für den chinesischen Liga-Fußball auch gewesen ist – eines haben Altstars dennoch erreicht: Die großen Namen haben mit ihrer Anziehungskraft die Zuschauer in die Stadien gelockt. In den letzten drei Saisons lag der Schnitt in der Super League konstant bei beachtlichen 18.000 Zuschauern. Die Topvereine Guangzhou Evergrande und Beijing Guoan bringen regelmäßig mehr als 40.000 Fans in die Stadien. Den Rückenwind aus der Liga will der chinesische Fußballverband nutzen: 2026 will China – so wird gemunkelt – die Weltmeisterschaft ausrichten und dann als Gastgeber eine konkurrenzfähige Mannschaft mit Talenten aus der heimischen Liga aufbieten.

Ralf Amshove