23.04.2015 17:54 Uhr

América de Cali: In der Hölle

In Kolumbien war América de Cali für lange Zeit eine große Macht
In Kolumbien war América de Cali für lange Zeit eine große Macht

Mitte der 80er Jahre zählten die Roten Teufel zur Elite des Kontinents. Nach dem Zusammenbruch des Cali-Kartells stürzte der Klub zunächst finanziell und letztendlich auch sportlich ab.

Man kann wohl von einem wirtschaftlichen Aufschwung sprechen, der Ende der 70er Jahre in Kolumbien unversteuert, informell und häufig blutverschmiert Milliarden US-Dollar ins Land spülte. Der Kokainexport ließ in Medellín und Cali übermächtige Kartelle entstehen.

Ihre Bosse ertranken in Luxusgütern und leisteten sich Zoos, Flugzeuge oder aber einen Profiklub: Der wohl berühmteste "Patrón", Pablo Escobar, hievte sein Atlético Nacional aus Medellín auf den Thron Südamerikas. In Cali, beim Klub América, zogen indes die Brüder Rodriguez Orejuela die Fäden.

Das Cali-Kartell als Finanzier von América

1979 versuchte Miguel Rodriguez gar, den 19-jährigen Diego Maradona von Argentinos Juniors nach Kolumbien zu locken. Der Größenwahn der Drogenbosse kannte keine Grenzen, aber der Transfer scheiterte schließlich am Veto von Diegos Berater Coppola.

Von 1982 bis 1986 errang das scharlachrote Team fünf Meisterschaften in Folge. Als "Pentacampeón" feierte man sich, während der Lokalrivale Deportivo Cali im Niemandsland herumdümpelte. Gar drei Mal in Serie erreichte América das Finale der Copa Libertadores, wenngleich ihnen dieses höchste südamerikanische Glücksgefühl jeweils versagt wurde. Aber América gehörte definitiv zu den ganz großen Klubs des Kontinents.

Nach über zehn Jahren Erfolg und Ruhm begann der Klub América von Drogenboss Miguel Rodriguez Mitte der 90er Jahre zu bröckeln. Während in der Zwischenzeit der nationale Rivale Atlético Nacional aus Medellín den Libertadores-Pokal gewinnen konnte, verloren die Roten Teufel ein weiteres Finale 1996. Der Fluch schien endgültig besiegelt.

USA sagen Drogenhandel den Kampf an

Zudem mischten sich zunehmend die USA in den Kampf gegen den Drogenhandel ein und setzten den kolumbianischen Staat unter Druck, die Kartelle zu zerstören. 1998 landete der C.D. América auf der gefürchteten "Clinton-Liste". Diese Kartei der US-Drogenbehörde brandmarkte Firmen und Institutionen, die in den Drogenhandel verwickelt waren. Niemand durfte mehr mit dem Verein Geschäfte machen und erst nach 15 Jahren wurde América de Cali vergeben.

Ohne Sponsoren begann der finanzielle Abstieg rasant. Durch fehlende Gelder konnten keine Gehälter gezahlt werden. Es wurden keine Stars mehr verpflichtet und die Fans blieben den Spielen fern. Nach 13 Meistertiteln seit 1989 wollten sich wenige mit Mittelmaß zufriedengeben.

Der nicht für möglich gehaltene Abstieg

Wie auch in Argentinien gibt es in Kolumbien eine Abstiegstabelle, die den Punktedurchschnitt der letzten drei Jahre akkumuliert und eigentlich Ausrutscher der Großen ausbügelt.

Trotz einer Meisterschaft 2008 musste América nach fünf miserablen Halbjahren 2011 in die Relegation gegen den Fußballzwerg Patriotas. Die Lunte, die Zündschnur ("la mecha"), so ein weiterer Spitzname des Klubs, drohte, endgültig ihr Feuer zu verlieren. Nach zweimaligem 1:1 kam es zum Elfmeterschießen, welches schließlich der Torwart von Patriotas mit dem letzten verwandelten Strafstoß entschied. Trotz des Aufstiegs seines Teams war ihm nicht zum Jubeln zumute. Er war bei América zum Profi herangewachsen und wie Millionen Kolumbianer Fan des Vereins, dessen Abstieg er besiegelt hatte.

Racing Club, San Lorenzo, Universidad de Chile, Corinthians São Paulo, River Plate, Independiente....die Liste südamerikanischer Topklubs, die den bitteren Weg in die zweite Liga gingen, ist lang. Aber kein Team musste länger als ein Jahr in der Zweitklassigkeit schmoren. Nur die Roten Teufel aus Cali, so scheint es, kommen aus der Hölle nicht mehr heraus.

Nach der ersten Saison in der zweiten Liga hatte man im komplizierten System der kolumbianischen "Primera B" drei Mal die Chance, den Aufstieg zu besiegeln. Wie damals in der Libertadores, vergab América alle drei Matchbälle. Auch in den Folgejahren scheitern die Roten Teufel knapp am Aufstieg.

Momentum verflogen

Nun scheint der Putz zu bröckeln. Wegen Bauarbeiten am Stadion Pascual Guerrero spielt der Verein derzeit in der Diaspora, mal 10 Fahrtstunden entfernt in Bogotá, mal in einem winzigen Stadion außerhalb von Cali. In der Zweitligatabelle ist man auf dem 7. Platz weit entfernt davon eine Favoritenrolle auf den Aufstieg zu spielen.

In Kolumbien gibt es neben der Meisterschaft einen nationalen Pokalwettbewerb, dessen Vorrunde als Gruppenphase auf regionaler Ebene ausgetragen wird. Ein Strohhalm für die Ehre eines jeden América-Anhängers. In der Gruppe E stehen Deportivo Cali und América punktgleich. Am Mittwoch treffen die beiden Lokalrivalen zum vorentscheidenden Duell fernab der Heimat in Bogotá aufeinander. Ein Sieg wäre Balsam auf dem scheinbar unendlichen Höllenritt der Roten Teufel. 

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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco