14.10.2016 13:01 Uhr

Polens Ekstraklasa furios: Die Liga steht Kopf

Die Spieler von Jagiellonia Białystok sind in der Form ihres Lebens
Die Spieler von Jagiellonia Białystok sind in der Form ihres Lebens

Die polnische Fußballwelt steht Kopf. Die üblichen Meisterkandidaten liegen schon nach dem ersten Drittel abgeschlagen zurück. Grund genug, die momentanen Nobody-Spitzenreiter unter die Lupe zu nehmen.

Wer Meister wird, war in den vergangenen Jahren meist schon vor der Saison klar. Legia Warschau, Lech Poznań und Wisła Kraków machten den Löwenanteil des Edelmetalls unter sich aus und holten zusammen 15 der letzten 18 Titel. In dieser Saison zeigen jedoch alle drei Vereine ein großes Formtief zu Saisonbeginn. Poznań hat schon acht Punkte Rückstand auf die Tabellenspitze, Warschau dümpelt nach chaotischen Monaten im Tabellenmittelfeld herum und Kraków hält nach elf absolvierten Partien sogar die rote Laterne in der Hand.

Nun schicken sich gleich zwei Außenseiter an, die Dominanz der letzten Jahre zu durchbrechen. Statt der üblichen Verdächtigen grüßt nach elf Spieltagen Jagiellonia Białystok von der Tabellenspitze. Der Verein spielt zwar konstant in der ersten Liga, war jedoch immer mehr graue Maus denn ein ernstzunehmender Titelanwärter. Lediglich ein Pokalsieg aus dem Jahr 2010 ist im Briefkopf des Vereins zu finden. In dieser Saison hat die Mannschaft allerdings einen Lauf. Besonders Konstantin Vassiljev ist in der Form seines Lebens. Der Offensivmann ist bereits 32 Jahre alt und spielte in seiner Karriere lediglich bei osteuropäischen Mittelklasse-Klubs. Nun hat er nach elf Spieltagen sieben Tore auf dem Konto und ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Rot-Gelben.

Dass der Verein überhaupt in dieser Position ist, verdankt er auch seinen Anwälten. Im Jahr 2009 beschloss der Fußballverband den Zwangsabstieg der Mannschaft aufgrund von Schmiergeldzahlungen. Nach einem Widerspruch einigte man sich schließlich auf einem Verbleib Jagellonias in der ersten Liga mit einem gleichzeitigen Punktabzug von zehn Punkten. Białystok hielt die Klasse und schickt sich sieben Jahre später an, die polnische Fußballwelt auf den Kopf zu stellen.

Die unbeugsamen Dörfler aus der Provinz

Gleiches plant auch der Tabellenzweite Termalica Bruk-Bet Nieciecza. Die Mannschaft übertrifft in der zweiten Erstliga-Saison der Vereinsgeschichte alle Erwartungen und ist seit sechs Spielen ohne Niederlage. Auch die schweren Partien gegen Legia Warschau und Lech Posen wurden bereits absolviert. Neuzugang Vladislavs Gutkovskis sorgt vorne für Torgefahr und konnte bereits fünfmal in der Ekstraklasa treffen.

Die Geschichte des Vereins kommt einem kleinen Märchen gleich: Noch vor zwölf Jahren spielten das Team eines 700-Einwohner-Dorfes in der achten Liga. Nach sieben Aufsteigen in acht Jahren verbrachte man fünf Jahre in der zweitklassigen 1. Liga, ehe man 2015 den viel umjubelten Schritt in die Erstklassigkeit schaffte.

Das Märchen hat jedoch eine logische Erklärung. Der Verein ist eng mit dem Betonhersteller Bruk-Bet verbunden. Das Unternehmen ist namensgebend für Verein und Stadion, zudem ist das Logo der Firma auf dem Vereinslogo zu finden. Auf der Website der Industriefirma werden die Erfolge des Vereins wie selbstverständlich in der Firmenchronik geführt. Nur durch die finanzielle Hilfe von Bruk-Bet war es dem Team aus der polnischen Provinz möglich, in die erste Liga aufzusteigen und dort jetzt für Furore zu sorgen.

An 16. Oktober treffen beide Mannschaften im Stadion Bruk-Bet aufeinander. Das Stadion fasst lediglich 4.600 Zuschauer, was dem außergewöhnlichen Spitzenspiel sicher den entsprechenden Rahmen geben wird.

Sebastian Rotter