15.04.2019 13:38 Uhr

Damals: Die Katastrophe von Hillsborough

Vor 30 Jahren starben 96 Liverpool-Fans bei der größten Katastrophe des englischen Fußballs
Vor 30 Jahren starben 96 Liverpool-Fans bei der größten Katastrophe des englischen Fußballs

Am 15. April 1989 starben während des FA-Cup-Halbfinalspiels zwischen Liverpool und Nottingham Forrest 96 Menschen. Eine der größten Tragödien in der Geschichte des Sports veränderte den englischen Fußball für immer.

Sechs Minuten sind gespielt, als Schiedsrichter Ray Lewis die Begegnung zwischen Liverpool und den Gästen aus Nottingham am 15. April 1989 um 15:06 Uhr unterbricht. Abgesehen von einem Lattentreffer durch Reds-Angreifer Peter Beardsley ist auf dem Rasen des Hillsborough-Stadions in Sheffield noch nicht viel passiert.

Der Grund für die Unterbrechung findet sich auf den Zuschauerrängen, genauer gesagt in den Blöcken drei und vier. Dort sind Tausende vor dem Stadion wartende Fans in die ohnehin bereits völlig überfüllten Stehplatzränge gelassen worden. So sollte der große Andrang bewältigt und der pünktliche Anpfiff der Partie gewährleistet werden.

"Die Leute wurden blau"

Die Folgen sind dramatisch: Hunderte hilfloser Zuschauer werden im überquellenden Block an den vorderen Sicherheitszaun gedrückt oder von der Menge niedergetrampelt.

"Die Leute wurden blau. Ich fühlte, wie Menschen unter der Menge an meinen Knöcheln zogen", berichtet Jahre später ein Fan gegenüber der "BBC", der als 16-Jähriger das Unglück überlebt.

Die Polizei greift zunächst nicht ein. Auf sich alleine gestellt versuchen zahlreiche Zuschauer auf dem Oberrang, Fans aus dem Todeskessel zu ziehen.

Versagen der Sicherheitskräfte

Einer der Beamten öffnet schließlich eines der Tore. Panische Zuschauer flüchten auf das Spielfeld. Etwa vierzig Krankenwagen haben sich mittlerweile vor dem Stadion eingefunden.

Doch die Notfallhelfer dürfen nicht hinein. Denn noch geht das Sicherheitspersonal davon aus, dass es sich lediglich um Randale von Liverpool-Hooligans handelt. Diese waren spätestens nach der Heysel-Tragödie vier Jahre zuvor berüchtigt.

Als die Ambulanzen schließlich ins Stadioninnere gelassen werden, bietet sich ihnen ein Bild des Schreckens. Für viele Fans kommt jede Hilfe zu spät. Insgesamt sterben bei der Tragödie 96 Menschen, 766 werden zum Teil schwer verletzt.

Da die meisten der Opfer Liverpool-Anhänger sind, kommt es in den Tagen danach besonders in der nordwestlichen Industriemetropole zu großer öffentlicher Anteilnahme. Anfield, die Heimspielstätte der Reds, wird zum Pilgerort. Tausende legen vor dem Stadion Blumen nieder.

Nach der Tragödie wird der Songtitel "You’ll Never Walk Alone" in das Vereinswappen mit aufgenommen, ebenso die beiden Fackeln zu Ehren der Verstorbenen. Die Tragödie von Hillsborough hat den Klub für immer verändert.

Sündenfall des englischen Boulevards

Begleitet werden die tragischen Ereignisse des 15. April durch eine beispiellose Kampagne der englischen Tageszeitung "The Sun". Deren Berichterstattung ist geprägt von bösen Unterstellungen. Unter der Schlagzeile "Die Wahrheit" behauptet das Boulevard-Blatt, dass die Tragödie durch randalierende Reds-Anhänger initiiert worden sei. Am Boden liegende Opfer seien beklaut und es sei gar auf diese uriniert worden.

Mehrere englische Medien veröffentlichen ähnliche Vorwürfe, die sich auf die falsche Aussage eines einzelnen Polizisten stützen. "The Sun" wird fortan in Liverpool boykottiert, die Auflage des Blattes in der Beatles-Stadt sinkt von 400.000 auf 12.000.

Erst im Jahr 2004 lässt sich die Zeitung zu einer halbherzigen Entschuldigung hinreißen – und zieht damit einen Schlussstrich unter eines der schwärzesten Kapitel des englischen Journalismus.

Weitreichende Konsequenzen für den Fußball

Als Reaktion auf die Vorfälle in Sheffield gibt eine Untersuchungskommission im sogenannten "Taylor-Report" zahlreiche Empfehlungen zur Verbesserung der Sicherheit in den Stadien.

Die Stehplätze werden daraufhin gänzlich aus britischen Fußballstadien verbannt. Auch erhöhte Ticketpreise, Alkoholverbot und Videoüberwachung sind Reaktionen auf Hillsborough, die den englischen Fußball und seine Fankultur weitreichend verändern sollten.