01.12.2016 13:19 Uhr

Başakşehir, ein modernes Märchen? Von wegen!

Gewohntes Bild dieser Tage: Başakşehir-Spieler beim Jubeln
Gewohntes Bild dieser Tage: Başakşehir-Spieler beim Jubeln

Völlig überraschend führt Başakşehir die Tabelle in der Türkei an. Dass dies keine klassische Außenseiter-Geschichte ist, zeigt allein schon die Beziehung zu Recep Tayyip Erdoğan.

Gegründet als Betriebssportgruppe der Stadtverwaltung, gesponsert von Krankenhäusern und nur zwei Jahre nach dem Aufstieg Tabellenführer vor Beşiktas, Fenerbahçe und Galatasaray: Auf den ersten Blick wirkt die Geschichte von Istanbul Başakşehir wie ein kitschig-schönes Fußball-Märchen.

Allein: Das ist es nicht. Der türkische Überraschungs-Tabellenführer ist wie der deutsche mit Geld von außen aufgepäppelt. Doch im Gegensatz zu RB Leipzig hat Başakşehir keine Fans. Und dann mischt beim Istanbuler Klub auch noch die Politik mit - namentlich Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Kurz gesagt: Wer sich als Fußball-Traditionalist über Leipzig aufregt, wird sich bei Başakşehir kaum mehr abregen können. Denn Vereine als politisches Vehikel sind Fans der größte Dorn im Auge.

2014 wurde der Verein von der Krankenhauskette Medipol übernommen, die auch die Namensrechte für vier Jahre übernahm. Sie gehört Erdogans Leibarzt Fahrettin Koca. Das neue Stadion wurde von der Kaylon Grup Holding gebaut, die laut "11 Freunde" an den umstrittenen Umbauplänen des Taksim-Platzes beteiligt war und gerne mal Prestigeprojekte für die Regierung umsetzt. Die Arena wurde von Erdoğan persönlich eingeweiht, im live übertragenen Eröffnungs-Prominentenspiel durfte er drei Tore schießen. Das freute auch Klub-Präsident Güksel Gümüsdag - der Unternehmer ist mit einer Nichte von Erdoğans Ehefrau verheiratet.

Başakşehir ist "künstlicher Verein ohne Basis"

Zwar hoffen viele Fans in der Türkei, die nicht den drei großen Fanlagern Beşiktas, Fenerbahçe und Galatasaray angehören, dass endlich wieder ein Verein in die Phalanx dieser Klubs einbricht. Seit 1985 wurde außer bei Bursaspors Triumph 2010 immer einer der drei großen Istanbuler Vereine Meister der Süper Lig. Doch mit dem künstlichen Emporkömmling ohne offiziellen Fan-Klub und mit nur 2000 Zuschauern im Durchschnitt können sich die wenigsten identifizieren. In der mit Platz vier schon starken Vorsaison hatte Başakşehir 45.000 Zuschauer - über die gesamte Spielzeit verteilt. Das Spitzenspiel zwischen Fenerbahçe und Galatasaray sahen alleine so viele Besucher.

"Başakşehir ist ein künstlicher Verein ohne Basis", sagte ein Mitglied der Beşiktas-Ultragruppe Carsi Berlin zu "11 Freunde": "Wenn die ihr Stadion vollkriegen wollten, müssten sie selbst zum Halbfinale in der Europa League Mitglieder der Jugendorganisationen der AKP mit dem Bus zu Hause abholen und direkt zum Spiel karren."

Noch ohne offiziellen Fanklub

Doch immerhin: Das Team, in dem der einst für Inter Mailand oder Atlético Madrid spielende Emre Belözoglu, inzwischen 36 Jahre alt, der einzig echte Star ist und das vor der Saison nur für 1,2 Millionen Euro verstärkt wurde, funktioniert. Trainer Abdullah Avcı, einst türkischer Nationaltrainer und dort Chef des heutigen Kaiserslautern-Coachs Tayfun Korkut, leistet gute Arbeit.

Sollte Başakşehir Meister werden, wird es Erdoğan freuen. Ansonsten wird sich der Jubel in Grenzen halten. Einen offiziellen Fanklub hat der Verein ja nicht.