29.06.2018 08:11 Uhr

WM-Historie: Fiese Spuck-Attacke auf Völler

Frank Rijkaard bespuckt Rudi Völler
Frank Rijkaard bespuckt Rudi Völler

Alle vier Jahre wird bei WM-Endrunden Geschichte geschrieben. Während der Weltmeisterschaft in Russland erinnert weltfussball an kuriose Ereignisse und unvergessene Momente. Heute: die fiese Spuck-Attacke auf Rudi Völler.

Es gibt Spieler, die müssen sich ihren Spitznamen jahrelang hart erarbeiten. Und es gibt Spieler, denen reicht nur eine einzige Aktion, um einen solchen nie wieder loszuwerden. Frank Rijkaard kann ein Lied davon singen.

Lange vor dem WM-Achtelfinale 1990 entwickelte sich zwischen der deutschen und niederländischen Nationalmannschaft eine intensive Rivalität. Ihren Ursprung fand die Fehde im Endspiel '74, in dem die Elftal eine in ihren Augen maßlos ungerechte Niederlage kassierte. Die Revanche folgte bei der EM 1988, als die DFB-Elf im Halbfinale gegen den Nachbarn ausschied und die Träume vom Titel im eigenen Land begraben musste.

Viel mehr als die Niederlage sorgte damals eine Geste von Ronald Koeman für wütende Reaktionen. Der Abwehrrecke hatte nach dem Spiel das Trikot mit Olaf Thon getauscht und sich sodann demonstrativ damit das Gesäß gesäubert. War die Rivalität bis dahin vor allem eine Angelegenheit der Niederländer, beruhte die Sache spätestens ab jetzt auf Gegenseitigkeit.

Showdown im Meazza-Stadion

Am 24. Juni 1990 erreichte die Fehde im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand schließlich einen neuen Höhepunkt. Beide Mannschaften waren als Mitfavoriten auf den Titel zur WM nach Italien gereist. Während die DFB-Auswahl souverän die Vorrunde meisterte, erreichte die Elftal nach drei Unentschieden gegen Ägypten, England und Irland nur mit Müh und Not das Achtelfinale, in dem es abermals zum direkten Duell kommen sollte.

Der Rahmen war eines Klassikers mehr als würdig. 75.000 Zuschauer auf den Rängen verwandelten die Arena in einen Hexenkessel. Auf dem Rasen standen sich zwei Mannschaften gespickt mit Weltklasse-Spielern gegenüber. Fans rund um den Globus erwarteten ein Fußballfest. Und sie wurden nicht enttäuscht.

Zweimal Gelb folgt zweimal Rot

Gullit & Co. erwischten den besseren Start, dominierten die Anfangsphase und kamen vor allem durch Aron Winter zu Chancen. Die DFB-Elf hingegen wirkte nicht so souverän wie noch in der Vorrunde. In der 23. Minute sah Frank Rijkaard nach einem Foul an Rudi Völler die Gelbe Karte. Das eigentliche Vergehen ereignete sich jedoch erst wenige Sekunden danach.

Völler trabte davon, der als Bewacher des deutschen Stürmers eingesetzte Rijkaard hinterher – und den "Überholvorgang" nutzte der Niederländer, um Völler in dessen lockenumwehten Nacken zu spucken. Der Deutsche beschwerte sich lautstark bei Schiedsrichter Loustau, dieser hatte die Szene aber offenkundig nicht gesehen und zeigte "Tante Käthe" für den verbalen Ausbruch den Karton.

"Das ist unglaublich!"

Nach einigen Minuten durfte Andreas Brehme den fälligen Freistoß endlich ausführen. Der Ball segelte an den Fünfmeterraum, wo Völler einen Schritt zu spät kam und dem niederländischen Schlussmann Hans van Breukelen den Vortritt lassen musste. Kaum aber dass Völler wieder aufrecht saß, war Rijkaard schon wieder bei ihm und zog an seinem Ohr.

Völler nahm die Einladung an und legte eine oscarreife Vorstellung hin. Jetzt schalteten sich plötzlich auch van Breukelen und Jürgen Klinsmann ein. Es kam zur klassischen Rudelbildung. Wer nun ein Durchgreifen des Unparteiischen erwartete, wurde nicht enttäuscht: Loustau zeigte Rijkaard die Rote Karte. Soweit so gut, doch sofort darauf schickte er auch Völler vom Platz!

Völler und seine Mannschaftskollegen waren außer sich. Auch Fernsehkommentator Heribert Faßbender rang am Mikrofon um Worte: "Das ist unglaublich!", entfuhr es der Sportschaulegende, während sein Co-Kommentator Karl-Heinz Rummenigge das Gesehene sogleich als "Skandal" einordnete.

Faßbender wünscht den Schiri in die Pampa

Der nächste Skandal folgte wiederum erst Sekunden darauf. Denn Rijkaards Rechnungen mit Völler schienen noch immer nicht beglichen zu sein. Im Vorbeigehen spuckte er ihm abermals in die Lockenpracht. Wieder bemerkten weder der Schiedsrichter noch die beiden Fernsehkommentatoren die "Lama-Attacke", deren Bilder jedoch kurz darauf um die Welt gehen sollten.

Das Kommentatoren-Duo Faßbender/Rummenigge ließ in der Folge kein gutes Haar mehr am Schiedsrichter. Rummenigge wollte den Argentinier im restlichen Turnier höchstens noch als "Kartenabreißer" sehen und Faßbender forderte gar, ihn "zurück in die Pampa zu schicken".

Klinsmann & Co. drehen auf

Das Spiel wurde nach diesen hitzigen Minuten ein anderes. Der Verlust Rijkaards schien die Niederländer mehr zu schmerzen als der Völlers die deutsche Elf, die nun wie entfesselt aufdrehte. Jürgen Klinsmann belohnte sich für seinen unbändigen Einsatz mit dem erlösenden 1:0 (50.).

Einige Chancen später – unter anderem hatte Klinsmann den Pfosten getroffen – nahm Andreas Brehme am linken Strafraumeck Maß und zirkelte die Kugel um den chancenlosen van Breukelen herum zum 2:0 ins lange Eck.

Für Kommentator Faßbender war sofort klar: "Das ist der Sieg, das ist das Viertelfinale!" Diesmal lag er richtig, auch der späte Anschlusstreffer durch "Trikotsünder" Koeman nach einem fragwürdigen Elfmeterpfiff konnte den Erfolg des DFB-Teams nicht mehr verhindern.