07.06.2016 08:00 Uhr

Stadion ist da - Trainer ist weg

Zoran Barišić fühlte sich als Rapid-Trainer nicht immer richtig verstanden
Zoran Barišić fühlte sich als Rapid-Trainer nicht immer richtig verstanden

Der SK Rapid kann sich vor der angestrebten Titeljagd im neuen Stadion zu einem völlig unerwarteten Zeitpunkt auf Trainersuche begeben. Die am Montagabend von den Grün-Weißen vermeldete Trennung von Zoran Barišić war zwar überraschend, aber letztlich ein finaler Paukenschlag nach lang zuvor begonnener Begleitmusik.

Zum dritten Mal in Folge hatte sich Rapid unter Barišić zuletzt mit dem Vizemeistertitel hinter Double-Gewinner RB Salzburg begnügen müssen. "Ich möchte nie so emotionslos Meister werden", hatte der 46-Jährige stets im kleinen Kreis betont, als der Bundesliga-Budgetkrösus aus dem Reich der Dose im nicht mal halb vollen Stadion die Schale in die Höhe stemmen durfte. Die Gefahr der Emotionslosigkeit hat bei Rapid noch nie bestanden, jene nach der Meisterschaft stellt sich zumindest für Zoran Barišić nicht mehr.

Dabei war sein Vertrag im Rahmen der Gleichenfeier des Allianz Stadions von Rapid-Präsident Michael Krammer noch euphorisch bis Sommer 2018 verlängert worden (jener von Sportdirektor Andreas Müller sogar bis Sommer 2019). Im Falle des Chef-Trainers ist dies nun nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem der Kontrakt unterzeichnet wurde.

"Immer klar, dass wir im neuen Stadion um den Titel mitspielen wollen"

Zwei von drei Saisonzielen hatte der Rekordmeister in der abgelaufenen Spielzeit 2015/16 verpasst: Man wollte in der Bundesliga mehr Punkte machen als ein Jahr zuvor und im ÖFB-Cup endlich mal wieder das Finale erreichen.

Auf der Habenseite stand dafür eine lange Zeit imposante Europacup-Saison: Ajax eliminiert und gegen Shakhtar Donetsk hauchdünn an der Champions League vorbeigeschrammt. Dann wie erhofft die Europa League mit dem Gruppensieg "gerockt", doch der blamable 0:10-Gesamtscore beim Out gegen Valencia warf einen gewaltigen Schatten auf die tollen Spiele zuvor.

Barišić hatte sich dennoch immer wieder vor seine Mannschaft gestellt. "Es war immer klar kommuniziert, dass wir im neuen Stadion um den Titel mitspielen wollen", betonte der Ex-Teamspieler auf weltfussball-Nachfrage, als er auf die verpasste große Titelchance angesprochen wurde. Dieses "wir" beinhaltet nun bereits seinen Nachfolger.

Das Ende des "Zoki-Zaka" in Wien-Hütteldorf

Als Spieler war Freistoßkönig Barišić in Wien-Hütteldorf ein absoluter Publikumsliebling gewesen. Als Trainer hatte der Ballbesitz-Liebhaber Barišić jedoch mit Teilen des Rapid-Anhangs so seine liebe Not. "Wir können das Zoki-Zaka nicht mehr sehen. Dieses Spiel passt nicht zu Rapid!", lautete der vielfache Tenor nach enttäuschenden Leistungen und Pleiten gegen Absteiger Grödig, Ried oder den WAC.

Noch schlimmer aber war dann eine grün-weiße Anschuldigung im Vorfeld des 0:4-Heimdebakels gegen Admira Wacker: Barišić soll beim Training in einem Zustand aufgetaucht sein, der jenem vom Sportchef Andi Müller beim Europacupspiel gegen Dinamo Minsk entsprach. Der Ex-Schalke-Mittelfeldmotor hatte dort zu sehr bei alkoholischen Getränken zugegriffen, beim Heimflug waren die Folgen deutlich zu sehen. Müller entschuldigte sich intern bei Verein und Mannschaft für den Vorfall. Probleme bei der Vorbild-Funktion von Barišić sind nun nicht mehr Sache von Rapid.

Beim Abschied des Trainers, der "einen neuen Weg einschlagen möchte", zeigte sich aber wieder einmal das größte Rapid-Problem: Wohin führt der Weg des populärsten Fußballverein Österreichs? Unter die besten 50 Mannschaften Europas, wie vom Präsidenten vorgegeben? Obwohl dann mitten unter der Saison mit Robert Berić der beste Stürmer und damit die große Chance auf den Meistertitel verkauft wird?

Wer tut sich Rapid an?

Rapid muss immer um den Meistertitel mitspielen! Zoran Barišić litt wie schon seine Vorgänger unter einem ständig medial aufbereiteten Druck. Dabei gelang in den vergangenen 20 Jahren nur 1996 (unter Ernst Dokupil), 2005 (unter Josef Hickerberger) und 2008 (unter Peter Pacult) der große Wurf. Nun soll im neuen Stadion die Schale endlich zurück nach Hütteldorf.

Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch immer so weit auseinander, wie die Lücke zum heimischen Gagenkaiser in Salzburg. Dort können Spieler wie Kapitän und Rekord-Torjäger Jonatan Soriano mit einem hohen "Schmerzensgeld" in Österreich gehalten werden. Sobald die grün-weißen Fans sich hingegen ihre Dressen mit dem Namen eines neuen Idols bedrucken lassen, muss auch schon wieder mit dessen Abschied gerechnet werden.

Jetzt kann sich ein neuer Chefcoach diesen Problemfeldern stellen. Rapid sagte die für Mittwoch geplante erste Pressekonferenz zum Start der neuen Saison 2016/17 ab. Ein neuer Medientermin ist nun für Donnerstag angesetzt. Ein neues Stadion (beim Eröffnungsspiel gegen Chelsea mittlerweile ausverkauft) für den erhofften Kampf um die Meisterschaft hat man ja jetzt. Ein Mannschaftskader (ganz nach den Wünschen und auf den Spielstil des Trainers ausgerichtet) ist auch da. Nur ist inzwischen der Mann auf der Betreuerbank abhanden gekommen.

Mehr dazu:
>> Rapid trennt sich von Trainer Barišić
>> Die bisherigen Rapid-Trainer im Überblick
>> Kommt das Trainerkarussell in Fahrt?

Christian Tragschitz