16.07.2016 09:30 Uhr

Weststadion neu – ein Jahrhundertprojekt?

"Für unsere Ziele ist das Stadion ein Meilenstein", meint Rapid-Geschäftsführer Christoph Peschek

Am Samstag kehrt der SK Rapid nach zweijährigem Zwangsexil wieder nach Hütteldorf zurück. Die neue Heimstätte, ob man sie jetzt Allianz- oder Weststadion nennt, öffnet die Pforten. Von der grün-weißen Seite wird es als Jahrhundertprojekt bezeichnet. Doch wird es diesem Titel gerecht?

Weltfussball hat dazu Geschäftsführer Christoph Peschek nach der wirtschaftlichen Perspektive und Rapideum-Kurator Thorsten Leitgeb nach der historischen Einordnung befragt.

"Wir haben, was die Infrastruktur anbelangt, unsere Hausaufgaben sehr gut gelöst. Jetzt wollen wir in eine wirtschaftlich und sportlich erfolgreiche Ära starten", meinte Peschek. Die Zahlen sprechen tatsächlich für eine finanzielle Aufbruchstimmung. Im Vergleich zur Saison 2011/12 konnte der Umsatz bereits jetzt von 17,8 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro angehoben werden. Die Zahlen beinhalten nur das nationale Geschäft, Einnahmen aus dem Europacup oder aus Transfers wurden nicht berücksichtigt. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Bezeichnung Jahrhundertprojekt also durchaus gerechtfertigt.

Die Auslastung im Business Bereich beträgt derzeit stolze 80 Prozent. Mit 12.500 "normalen" Abos hinkt Rapid aber der Zielsetzung von 15.000 Tickets ein wenig hinterher. "Die Refinanzierung des Stadions ist auf 25 Jahre ausgelegt. Sollten wir in dieser Zeit die Champions League gewinnen, dann werden wir den Kredit früher abbezahlt haben", gab Peschek zu Protokoll.

Vergleichsweise günstig

Die Auftragssumme von 47,5 Millionen für die Errichtung des Stadions erscheint auf den ersten Blick gigantisch. Dem Vergleich mit anderen Neubauten hält Rapid aber locker stand, im Gegenteil, die Konkurrenz gab meist weit mehr Geld aus.

Die Groupama Arena von Ferencváros fasst 22.000 Personen und kostete (bei geringeren Lohnkosten) 40 Millionen. Das Grand Stade du Havre bietet 25.000 Fans Platz und verschlang 90 Millionen. In Bratislava wird gerade für 70 Millionen eine 20.000er Arena gebaut – und in Österreich gab man für die NV Arena in St. Pölten (Zuschauerkapazität: 8.000) 25,7 Millionen aus. Für die Renovierung der Linzer Gugl mussten sagenhafte 32 Millionen hingeblättert werden. Vom skandalträchtigen Klagenfurter Wörtherseestadion braucht man gar nicht erst reden.

"Ja. Wir haben ein richtiges Schmuckkästchen zu einem sehr vernünftigen Preis errichtet", meinte Peschek. "Von Anfang an haben wir erfahrene Experten zugezogen. Das Institut für Sportstättenforschung beispielsweise hat ja bereits über 40 Stadien geplant und gebaut."

Einen Bauskandal, der ja sonst in Österreich nicht so unüblich ist, konnte Rapid vermeiden. Vor allem, weil man sich bei der Strabag einen Mehraufwand quasi gegen Überziehungen versicherte. "Es war vernünftig, dass wir die Strabag als Totalunternehmer genommen haben. Es war aber auch von Anfang an zu spüren, dass alle Beteiligten das große Ziel hatten, das Projekt in der Zeit und innerhalb des Budgets fertig zu stellen", sprach Peschek.

Hanappi Stadion damals "wie Wembley" 

Vor einem Bauskandal war auch das abgerissene Weststadion nicht gefeit. "Sie haben damals minderwertigen Beton geliefert. Da konnte der Gerhard Hanappi gar nichts dafür", erzählte Rapideum-Kurator Thorsten Leitgeb. "Das Stadion war einfach auch irgendwann nicht mehr zeitgemäß", fügte er hinzu.

Was aber nicht heißen soll, dass das Hanappi-Stadion eine Fehlkonstruktion war. "Zum damaligen Zeitpunkt, also 1977, war das state of the art. Ein reines Sitzplatzstadion, eines der modernsten in Europa. Hans Krankl hat zu mir gesagt: 'Für uns war das wie Wembley'", so Leitgeb. "Der Sprung von der Pfarrwiese zum Hanappi war damals gewaltig. Wie gewaltig er jetzt ist, das wird man erst sehen."

Also kann man das neue Stadion jetzt noch nicht als das Wichtigste in der Geschichte des SK Rapid bezeichnen? "Nein. Das war schon die Pfarrwiese. Immerhin war sie 70 Jahre lang die Heimstätte. Da kommt auch das Hanappi-Stadion nicht einmal in die Nähe", erklärte Leitgeb. Diesbezüglich muss sich die neue Heimstätte den Titel Jahrhundertprojekt erst verdienen. Aber das kann ja noch werden.

Mehr dazu:
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Johannes Sturm