10.01.2015 12:39 Uhr

Kane: Große Zukunft für den Mann der Stunde

Gewohnte Pose: Harry Kane beim Torjubel
Gewohnte Pose: Harry Kane beim Torjubel

Spätestens nach seinem Doppelpack gegen Spitzenreiter Chelsea ist Tottenhams Harry Kane auf der Insel in aller Munde. Bei den Spurs längst eine tragende Säule als Leistungsträger und Identifikationsfigur, könnte der Mittelstürmer bald auch in der englischen Nationalmannschaft für Furore sorgen.

Eine halbe Stunde war im London-Derby zwischen Tottenham und Chelsea am Neujahrstag gespielt. Alles schien so zu laufen, wie erwartet: Nach einem Treffer von Goalgetter Diego Costa aus der 18. Minute führten die favorisierten Blues.

Dann jedoch kam der große Auftritt von Harry Kane: Von halblinks zog er unwiderstehlich an mehreren Gegenspielern vorbei nach innen und versenkte den Ball aus knapp 20 Metern flach und unhaltbar im Eck. Der Ausgleich war die Initialzündung für die Spurs, die bis zur Pause noch zwei weitere Treffer nachlegten und den Lokalrivalen am Ende mit 5:3 nach Hause schickten. Kane steuerte in der zweiten Halbzeit ein weiteres sehenswertes Tor bei und verbuchte darüber hinaus zwei Assists.

Der Galaauftritt gegen die vor der Partie beste Defensive der Liga war das Sahnehäubchen auf der bislang so bärenstarken Saison des Shooting-Stars. Zwar zählt Kane erst seit Anfang November in der Premier League kontinuierlich zur Stammelf der Spurs, hat aber bereits sieben Treffer und drei Vorlagen auf dem Konto. Wettbewerbsübergreifend steht er bereits bei 17 Toren. Angesichts dieser beeindruckenden Performance werden Erinnerung an Gareth Bale wach, den besten Spieler der jüngeren Vereinsgeschichte Tottenhams.

Besser als Bale?

Nach dem Chelsea-Spiel verglich der Statistikdienstleister "Opta" Kanes aktuelle Premier-League-Daten mit den Zahlen von Bale aus dessen Fabelsaison 2012/2013 vor dem Wechsel zu Real Madrid. Ergebnis: In drei der sechs wichtigsten statistischen Kategorien schneidet der Newcomer besser ab als der vier Jahre ältere Superstar.

Kane bereitet pro 90 Minuten Spielzeit mehr Treffer vor, gewinnt deutlich mehr Zweikämpfe und zieht mehr Fouls als Bale. Anders ausgedrückt: Er spielt mannschaftsdienlicher und körperbetonter als sein prominenter Vorgänger in seiner letzten Spielzeit auf der Insel. Der Waliser hatte dafür eine leicht bessere Torquote und eine höhere Pass- und Schussgenauigkeit vorzuweisen.

Eine weitere Tatsache untermauert Kanes Wichtigkeit für das Team: Seine Treffer sind in aller Regel spielentscheidend. Der Doppelpack gegen Chelsea machte den Unterschied zwischen Remis und Sieg aus. Auch sonst traf er ausnahmslos in engen Partien, die die Spurs mit einem Tor Unterschied gewannen.

Eigengewächs und Fan-Liebling

Nicht nur aufgrund dieses messbaren Anteils am Aufschwung des aktuellen Tabellenfünften in den letzten Wochen ist Kane absoluter Publikumsliebling an der White Hart Lane. Im Londoner Norden geboren und aufgewachsen, durchlief er die Jugendakademie der Spurs, ist also ein waschechtes Eigengewächs. "Harry Kane, er ist einer von uns", singen die Fans nach jedem Treffer ihres Idols, das den Durchbruch in Tottenham allerdings erst nach einigen Leihstationen schaffte.

Nun regelmäßig für seinen Herzensklub aufzulaufen, ist für Kane immer noch nicht alltäglich. "Ich war früher selbst im Publikum und habe mitgesungen. Das macht es heute sehr besonders, wenn die Fans meinen Namen singen. Es ist speziell, für die Spurs zu spielen und ich bin sehr glücklich", schwärmte er kürzlich im Interview mit dem Fernsehsender "Sky Sports".

Nächster Halt: Nationalmannschaft

Eine starke Physis, hohe Spielintelligenz und große Kampf- und Laufbereitschaft zeichnen den Goalgetter abseits der nackten Zahlen aus. Er bringt damit viele Anlagen eines modernen Top-Stürmers mit. "Ich mag ihn sehr. Wäre er eine Spur schneller, könnte man sagen, dass er alles hat", urteilt der frühere Weltklasse-Angreifer Gary Lineker auf der Homepage der Spurs.

Glaubt man englischen Medien - in denen ein wahrer "Kane-Hype" ausgebrochen ist - werden seine Fähigkeiten dem Torjäger schon bald den ersten Einsatz im Nationalteam bescheren. Seine Nominierung für das EM-Qualifikationsspiel gegen Litauen Ende März gilt als sicherer Tipp. Nationaltrainer Roy Hodgson ist jedenfalls ein Fan des Youngsters. "Harry macht erstaunlich schnell Fortschritte und darüber bin ich nicht überrascht", erzählte der Coach der Three Lions in dieser Woche der Radiostation "SiriusXM".

Hoffnungsträger bei zwei Europameisterschaften

Dass Kane auch mit den drei Löwen auf der Brust Tore am Fließband schießen kann, beweist er bereits in der U21: In acht Einsätzen seit Herbst 2013 traf er sechsmal. Im Sommer fährt er nun aller Voraussicht nach als Sturmführer der "Young Lions" zur EM in Tschechien, womöglich bereits mit dem ein oder anderen A-Länderspiel im Gepäck.

Bei den "Großen" könnte Kane nur zwölf Monate später ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Dann steht die Europameisterschaft in Frankreich an. Ein Termin, den sich der Mann der Stunde mit der großen Zukunft wohl schon jetzt dick in den Kalender schreiben sollte.

Tipp: weltfussball berichtet am Samstag ab 18:30 Uhr im Liveticker vom Auftritt von Harry Kanes Spurs bei Crystal Palace.

Tobias Knoop