12.01.2015 20:15 Uhr

Kommentar: Langweilig, aber logisch

Cristiano Ronaldo wurde in Madeira bereits ein Denkmal gesetzt
Cristiano Ronaldo wurde in Madeira bereits ein Denkmal gesetzt

Die erneute Wahl von Cristiano Ronaldo zum Weltfußballer stößt vor allem in Deutschland auf Kritik. Langweilig und kurzsichtig sei die Ernennung. Und überhaupt: Wo war er eigentlich bei der WM? Unter dem Strich ist die Entscheidung so aber logisch.

Eigentlich haben es alle mehr oder weniger bereits vermutet, jetzt ist es amtlich: Cristiano Ronaldo ist zum dritten Mal nach 2008 und 2013 Weltfußballer. Das Duopol der großen Zwei bleibt bestehen. Zum siebten Mal in Folge ist entweder Lionel Messi (viermal) oder eben der Portugiese zum besten Kicker auf dem Globus gewählt worden.

Vor allem in Deutschland stößt diese Entscheidung auf Unverständnis. Alle haben sich eine Auszeichnung von Manuel Neuer erhofft, der das Torwartspiel auf ein neues Level gehoben hat, eine Wahnsinnsquote in der Liga mit der gegentorärmsten Hinrunde aller Zeiten und nicht zuletzt den WM-Titel in Brasilien vorzuweisen hat. Klar, Neuer hätte den Titel verdient gehabt.

Zu behaupten, die Wahl von Ronaldo zum Weltfußballer sei unverständlich oder sogar ein Witz, ist aber reine Polemik und zeugt von einem Blick durch die schwarz-rot-goldene Brille! Die sollte man im Folgenden aber einmal abnehmen.

Auf extrem hohem Niveau noch einmal gesteigert

Na klar, der Ballon d'Or ist keine Auszeichnung für den weltbesten Torjäger, sondern für den weltbesten Spieler. Aber führt da nach dem vergangenen Jahr ein Weg an CR7 vorbei?

Die Quote des Portugiesen für Real Madrid war unfassbar. Ronaldo hat schon seit Jahren überragend gespielt, aber 2014 hat er sich noch einmal auf extrem hohem Niveau gesteigert und Rekord um Rekord pulverisiert. Dieser Ehrgeiz, diese Verbissenheit, weiter besser werden zu wollen, mag manchen unsympathisch erscheinen, sie ist aber durchaus bewundernswert!

In der Champions League hat er einen neuen Torrekord aufgestellt und die Königlichen damit zu La Décima geführt. In La Liga hat er in der laufenden Saison bislang 26 Buden in 16 Spielen erzielt. Quoten aus Zeiten von Gerd Müller und Co. sind nicht mehr möglich? Doch, sind sie – und zwar nicht nur gegen zweitklassige Gegner, sondern auch auf höchstem europäischen Niveau.

Ein Jahr besteht nicht nur aus WM

Natürlich kommen jetzt die kritischen Stimmen und rufen: Wo war Cristiano denn bei der WM? Was hat er da zustande gebracht? Logisch, das ist ein Punkt. Aber auch dieses Argument kann man abschwächen. Ronaldo hat die Portugiesen im Alleingang zum Endturnier geschossen, aber irgendwann reicht ein einziger Spieler eben nicht mehr aus. Portugal hat einfach nicht die Qualität, von der viele immer noch denken, dass das Team sie hat.

Warum lobt denn jeder nach dem Titel für Deutschland den Wert einer geschlossenene Mannschaftsleistung? Ja, Ronaldo ist in der Vorrunde ausgeschieden. Aber Manuel Neuer ist auch nicht alleine Weltmeister geworden. Hätte er bei Portugal im Tor gestanden, könnte man fast Wetten darauf abschließen, dass er heute nicht Weltmeister wäre. Und nur wegen eines Turniers über ein ganzes Jahr zu urteilen, ist sowieso etwas kurz gedacht. Dafür hat Neuer ja bereits den Weltmeistertitel auf seiner Autogrammkarte stehen. Und der beste Torhüter ist er sowieso – auch dafür hat er die Auszeichnung bekommen.

Politik und Markenstrahlkraft

Auch wenn es vielleicht eine unschöne Wahrheit ist, aber eben eine Wahrheit: Die Wahl ist nicht frei von politischen Überlegungen und von der Strahlkraft der Einzelnen.

Real Madrid ist einfach nach wie vor die größte Marke im Weltfußball und Cristiano Ronaldo und Lionel Messi sind als Individualisten weltweit in aller Munde. Klar hat Neuer bei der WM auch die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ist auf seiner Position absolute Weltklasse. Kleine Kinder in Südamerika, Asien oder Afrika werden dennoch eher den Artisten nacheifern als dem tollen Torhüter.

Und so entscheiden auch viele der Sportjournalisten, Nationalmannschaftskapitäne und Trainer: nicht nach dem Wert für die Mannschaft oder den Titeln, sondern nach Spektakel, nach Extravaganz und harten Fakten. Man mag es anerkennen oder nicht, aber Ronaldo hat das beste Jahr seiner Karriere gespielt und der Titel ist für ihn persönlich verdienter denn je. Als Individualist.

Das mag für viele langweilig sein. Irgendwie war es aber klar und nach dem Jahr 2014 – bei einem Blick darauf, was der Ballon d'Or nun mal ist – auch logisch.

Mehr dazu:
>> Alle Weltfußballer im Überblick

Jochen Rabe