13.06.2015 10:28 Uhr

Jamaika: Dabei sein ist nicht alles

Will bei der Copa mit Jamaika überraschen: Winfried Schäfer
Will bei der Copa mit Jamaika überraschen: Winfried Schäfer

Das jamaikanische Nationalteam nimmt als Gastmannschaft an der Copa América teil. Trainer Winfried Schäfer und seine "Reggae Boyz" fahren nicht nur zum Trikottausch mit den südamerikanischen Top-Stars nach Chile. Trotz einer schweren Vorrundengruppe will der Underdog auch sportlich überraschen.

Die Copa América ist der wichtigste Nationenwettbewerb des amerikanischen Kontinents und nach Welt- und Europameisterschaft wohl das Länderturnier mit dem höchsten fußballerischen Niveau. Um die Durchführung seines Prestige-Events in drei Gruppen mit vier Mannschaften zu ermöglichen, lädt der nur zehn Mitglieder zählende südamerikanische Verband seit 1993 zu jeder Auflage zwei externe Teams ein.

Während ein Gastplatz fest an Mexiko vergeben ist, variiert die Besetzung der zweiten Planstelle: Costa Rica, die USA, Honduras und zweimal sogar Japan komplettierten in der Vergangenheit das Teilnehmerfeld. Weil die Kicker aus dem Land der aufgehenden Sonne und auch die zunächst als Nachrücker vorgesehenen Chinesen aufgrund ihrer Verpflichtungen in der asiatischen WM-Qualifikation ihre Einladungen für das diesjährige Turnier ausschlugen, kommt mit Jamaika nun ein echter Fußball-Exot zum Zug.

Eine WM-Teilnahme mit kleinem Ausrufezeichen

Nur einmal machte das Nationalteam von der Karibikinsel international auf sich aufmerksam: durch die Qualifikation zur WM 1998 in Frankreich. Nach deutlichen Niederlagen gegen Kroatien und Argentinien gelang dort ein 2:1-Achtungserfolg gegen Japan. Dennoch verabschiedete sich der Endrunden-Debütant bereits nach der Gruppenphase.

Besser will es der 65. der aktuellen FIFA-Weltrangliste nun in Chile machen. In die Duelle mit Titelverteidiger Uruguay (Samstag ab 21:00 Uhr im weltfussball-Liveticker), dem zweifachen Copa-Sieger Paraguay und WM-Finalist Argentinien geht Jamaika aber einmal mehr nur als krasser Außenseiter.

Mut macht den zahlreichen fußballbegeisterten Menschen im Cricket-Land Jamaika der riesige Erfahrungsschatz des inzwischen 65-jährigen Trainers Winfried Schäfer. Auch die zuletzt beachtlichen Ergebnisse unter dem früheren KSC-Coach, den es 2013 nach Engagements in Vietnam, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Aserbaidschan und Thailand in die Karibik verschlug, geben Anlass zur Hoffnung. Im vergangenen November gewannen die Boyz zum sechsten Mal die Karibikmeisterschaft. Die letzte Niederlage datiert von Oktober, als ein Freundschaftsspiel gegen Japan mit 0:1 verloren ging.

Deutsche Tugenden und vielversprechendes Spielermaterial

Mit dem bisher Erreichten will sich Schäfer nicht zufrieden geben. "Wir müssen hart arbeiten. Ich will keinen Stillstand. Ich will immer mehr, mehr, mehr", sagte er vor der Abreise ins Copa-Vorbereitungscamp der jamaikanischen Zeitung "Sunday Gleaner". In Chile setzt der Fußballlehrer aus dem Land des Weltmeisters auch auf klassische deutsche Tugenden. "Ich selbst bin ein aggressiver Typ und will jeden im Team kämpfen sehen", fordert er.

Schäfers Spielermaterial für die Copa wirkt durchaus vielversprechend: Jamaika verfügt über eine gesunde Mischung aus alten, erfahrenen Haudegen und jungen, ambitionierten Spielern, die sich für höhere Aufgaben in größeren Ligen empfehlen wollen. Zudem steht dem Coach ein großer Legionärsblock zur Verfügung: Fünf Akteure des 23-köpfigen Aufgebots verdienen ihr Geld in der nordamerikanischen Major League Soccer, acht in englischen Profiligen. Mit dem Karlsruher Defensivmann Daniel Gordon steht auch ein Spieler aus Schäfers Heimat im Kader.

Ein Traum mit gutem Ausgang?

Für Gordon und viele seiner Mannschaftskameraden geht mit den Partien gegen Weltklasse-Fußballer wie Edinson Cavani, Sergio Agüero oder Lionel Messi ein Traum in Erfüllung. "Als Kind habe ich die Copa im Fernsehen verfolgt", erzählt Angreifer Giles Barnes von Houston Dynamo im Gespräch mit "MLSsoccer.com". "Es wird eine tolle Erfahrung für mich und meine Familie, die mit mir dort sein wird."

Entgegen dem olympischen Motto ist dabei sein allerdings nicht alles für die Boyz. Erklärtes Ziel ist das Viertelfinale. "Wir haben einen guten Kader und ich glaube, dass wir es sehr gut machen werden. Wir können die nächste Runde erreichen", meint Barnes. Und auch Schäfer gibt sich optimistisch: "Im Fußball ist alles möglich, man kann nichts vohersagen." Der Turnier-Modus könnte dem Außenseiter entgegenkommen. Denn nicht nur die drei Gruppenersten- und zweiten qualifizieren sich für die Runde der letzten Acht, sondern auch die beiden besten Gruppendritten.

Tipp: weltfussball berichtet live von allen Partien der Copa América!

Tobias Knoop