03.12.2015 18:00 Uhr

Rapid als Meister der Fehleinschätzung

Sieben Niederlagen in 18 Bundesliga-Spielen: Der SK Rapid präsentiert sich zur Halbzeit der Bundesliga-Saison 2015/16 mit einer miserablen Bilanz, die jedoch von den sportlich Verantwortlichen unter den Teppich gekehrt wird. Die Erfolge im Europacup, wo man erstmals seit dem Finaleinzug 1996 wieder überwintert, überdecken die gravierenden Probleme in der Meisterschaft.

Zum medialen Glück für die Grün-Weißen wurde zudem, dass ausgerechnet "Klassenfeind" RB Salzburg am Donnerstag mit dem Trainerwechsel aushalf. So gehörten die Schlagzeilen dem Wechsel auf der Betreuerbank im Reich der Dose und nicht einer erneuten Rapid-Pleite. Dabei hätte die 1:2-Niederlage bei Admira Wacker genug Anlass für intensivere Berichterstattung gegeben.
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Besonders die Erklärungen von Rapid-Trainer Zoran Barisic stießen vielen Fans des Rekordmeisters sauer auf. "Wir sind ganz, ganz schlecht ins Spiel gestartet. Wir hatten ein ganz schlechtes Aufbauspiel, weil der Platz es nicht zugelassen hat. Wir hätten früher checken müssen, dass wir uns mit langen Bällen befreien hätten müssen", lautete die Analyse von Barisic.

Noch interessanter wurde es, als der Rapid-Coach nach den schweren Patzern von Keeper Richard Strebinger befragt wurde und so antwortete: "Wir haben uns gegenseitig angesteckt, fast alle Spieler haben Fehler begangen. Es wäre zu einfach es an einem von ihnen fest zu machen, wir haben als Team nicht so agiert, wie wir es können."

"Nicht so agiert, wie wir es können": Warum?

Das entscheidende Thema für den Cheftrainer eines Vereins, der einmal mehr in der heimischen Punktejagd den eigenen Ansprüchen hinterher hinkt. Sieben Niederlagen in den ersten 18 Bundesliga-Spielen gab es zuletzt in der Katastrophen-Saison 2006/07, als Rapid mit nur drei Siegen (heuer sind es immerhin deren zehn) lediglich auf Platz acht stand. Aktuell liegt man auf Rang drei und hatte trotz der großen Anzahl von nationalen Pleiten bis zuletzt die Chance auf den Herbstmeistertitel.

Doch Rapid konnte die Schwäche der Konkurrenz nicht nutzen, im Gegenteil. In Wahrheit profitieren die Hütteldorfer immer noch vom Punktepolster durch den idealen Saisonstart mit fünf Siegen und einem Remis in den ersten sechs Runden. Danach ging es immer weiter bergab: Negativer Höhepunkt waren die vier Niederlagen und nur ein voller Erfolg von der elften bis zur 15. Runde.

Schon damals gab man sich bei Rapid ratlos. "Wir waren im Kopf nicht bereit für dieses Spiel", ließ Abwehrchef Mario Sonnleitner mit einer Bemerkung nach der 1:2-Pleite in Wolfsberg aufhorchen. Sein Trainer formulierte es so: "Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Jede Erklärung klingt wie eine Ausrede."

Langfristige Trainer-Verlängerung - Ablöse wäre sehr teuer

Nach einer äußerst schwachen Leistung gab es drei Wochen später eine 1:2-Schlappe in Grödig. Rapid-Coach Barisic reagierte mit einem Geständnis: "Es ärgert mich maßlos, dass wir nach der Europa League so oft verlieren Wir haben doch einige verletzte und angeschlagene Spieler und pfeifen zum Teil aus dem letzten Loch."

Was tat die Rapid-Vereinsführung? Sie gab vier Tage später die langfristige Vertragsverlängerung mit dem Cheftrainer bis 2018 und mit Sportdirektor Andreas Müller bis 2019 bekannt. Damit würde ein - momentan nicht geplanter - Wechsel auf der Betreuerbank dem Rekordmeister sehr teuer kommen.

Doch in Hütteldorf hat man ein großes Problem: Ausgerechnet der violette Erzfeind profitierte vom Schwächeln des Titelverteidigers RB Salzburg und holte sich die Herbstmeisterschaft. Wer die Rivalität in Wien kennt, der versteht dadurch auch die Anfeindungen gegen Barisic in den diversen Fanforen oder via social media: Ein Trainer, der die Mannschaft nur international aber nicht im Meisterschaftsalltag motivieren kann. Deshalb auch völlig fehl am Platz.

Dabei tanzt Rapid noch auf drei Hochzeiten: Im Frühjahr ist man auch in der k.o.-Phase der Europa League und im Viertelfinale des ÖFB-Cups dabei. Nicht selbstverständlich für einen im Cup seit 1995 erfolglosen Pleitespezialisten.

Rapid hat nur Angstgegner

Die Europa League wird Rapid nicht gewinnen. Die Meisterschaft wäre trotz aktuell vier Punkten Rückstand "leichter" zu erobern, doch dazu müsste man sich kritisch hinterfragen. Wie konnte es Trainer und Sportchef passieren, dass von den sechs Neuzugängen Richard Strebinger, Stephan Auer, Philipp Huspek, Stefan Nutz, Tomi und Matej Jelić bisher kein einziger Spieler ruhigen Gewissens als Verstärkung bezeichnet werden kann?

Wie sind Leistungsschwankungen wie beim 5:2-Derby-Rekordauswärtssieg gegen die Austria oder beim 6:1-Bestschießen in Mattersburg im Vergleich zu den Pleiten in Altach, Wolfsberg, Grödig oder zuletzt gegen Admira Wacker möglich?

Vielleicht müsssen solche Fragen aber gar nicht beantwortet werden, weil Rapid ja auch nicht auf andere Probleme abseits des sportlichen Geschehens reagiert. Eine überdimensionale Fanchoreographie "Tod und Hass dem FAK" in riesigen Lettern auf einem meterlangen Transparent in der Heimkurve? Kein Kommentar.

Die Rekord-Geldstrafe von 186.000 Euro laut Geschäftsbericht 2014/2015 durch Pyrotechnik-Verstöße der eigenen Fans? "Es gibt laufend Gespräche mit der Bundesliga", meint Rapid-Präsident Michael Krammer. Wie wenn ein notorischer Raser bei der BH vorstellig wird, anstatt sein Fahrverhalten zu überdenken.
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Krammer und SPÖ-Günstling Christoph Peschek als Rapid-Geschäftsführer (auf eine Ausschreibung wurde zu Gunsten des Ex-Politikers verzichtet) vertrauen lieber der sportlichen Leitung mit Sportchef Müller und Trainer Barisic, als neben der momentanen Errichtung des neuen Stadions in Hütteldorf eine weitere Baustelle zu eröffnen. Barisic selbst meinte zuletzt vor dem Spiel in der Südstadt: "Jeder Gegner ist unser Angstgegner, wir zittern vor jedem Gegner." Versuchte Ironie, die schnell von der Realität eingeholt wurde.

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Christian Tragschitz