03.06.2016 12:47 Uhr

Copa América: Titel oder Tristesse?

Kann Chile den Titel aus dem Vorjahr wiederholen?
Kann Chile den Titel aus dem Vorjahr wiederholen?

In der Nacht auf Samstag beginnt die Copa América. Titelverteidiger Chile, Argentinien, Uruguay und Kolumbien gelten als die Favoriten. Doch wie stark sind sie wirklich? Wer ist Geheimfavorit? Und was ist mit Brasilien?

  • Kolumbien: Pekermans Schule

Der Viertplatzierte der FIFA-Weltrangliste. Bestechender Offensivfußball und mit José Pekerman den wohl besten Trainer des Kontinents auf der Bank. Kolumbien zählte deshalb zu den Favoriten der Copa América 2015. Doch der Offensivmotor der Cafeteros stockte erheblich, weshalb man mit insgesamt gerade einmal zwei Törchen im Viertelfinale gegen Argentinien ausschied. Nachdem nun neben Toptorjäger Radamel Falcao auch Jackson Martínez und Fredy Guarín verletzungsbedingt passen müssen, liegt der Druck allein auf den Schultern von James Rodríguez. Der junge Superstar bringt allerdings nicht die beste Form mit, gehörte er doch zuletzt bei Real Madrid nicht zur ersten Geige.

Prognose: Spieler wie James Rodríguez oder Carlos Bacca müssen ihre Offensivkünste unter Beweis stellen. Ansonsten wird man erneut nicht über das Viertelfinale hinauskommen.

  • USA: Mission Impossible

Zum ersten Mal nimmt die USA an einer Copa América teil - und das gleich als Gastgeber. Kein Wunder also, dass sich der in den Staaten unter Druck stehende Chefcoach Jürgen Klinsmann hohe Ziele setzt. Nicht weniger als das Halbfinale sollen die US-Boys erreichen. Klinsmann schickt dazu eine Mischung aus Alt und Jung auf den Rasen, wobei das Augenmerk besonders auf Youngster Cristian Pulisic liegen soll. Ob der Dortmunder die hohen Erwartungen erfüllen kann?

Prognose: Realistisch betrachtet bleibt den USA in der Gruppe A höchstens Platz zwei. Ein Weiterkommen im Viertelfinale ist nur dann möglich, wenn Klinsis Truppe über sich hinauswächst.

  • Brasilien: Olympia oder Copa?

Was ist der Seleção wichtiger, die olympische Goldmedaille im eigenen Land oder der neunte Gewinn der Copa América? Anscheinend setzt Trainer Carlos Dunga auf Ersteres. Denn die Liste der Spieler, auf die er verzichtet, ist lang und namhaft: Neymar, Oscar, David Luiz, Thiago Silva, Douglas Costa… Übrig bleibt ein ziemlich unerfahrener Kader mit elf Spielern, die nicht mehr als zehn Länderspiele auf dem Buckel haben. Zu allem Überfluss reiste kurz vor Turnierstart auch noch Mittelfeld-Stratege Luiz Gustavo ab. Die Generalprobe gegen Panama glückte zumindest. Das Tor zum 2:0-Endstand besorgte das 19-Jährige Talent Gabriel Barbosa – im ersten Länderspiel wohlgemerkt.

Prognose: In einer Gruppe mit Haiti und Peru ist das Weiterkommen Pflicht. Im Viertelfinale wird die junge Dunga-Auswahl jedoch an ihre Grenzen stoßen..

  • Ecuador: Der Geheimfavorit            

2006 glänzte der Fußballstern das letzte Mal über dem Land am Äquator. Bei der WM in Deutschland gelang La Tri überraschend der Einzug ins Achtelfinale. Zehn Jahre später grüßt das Team von Gustavo Quinteros nach sechs Spieltagen der Qualifikation für die WM 2018 vom Tabellenplatz an der Sonne und beeindruckte mit Siegen über Argentinien und Uruguay. Quinteros veränderte die Spielausrichtung nach dem Aus in der Gruppenphase der letztjährigen Copa und lässt seither offensiv pressen – eine Spielweise, die vor allem den robusten Spielern in ihren Reihen entgegen kommt.

Prognose: Obgleich das Testspiel gegen die USA in letzter Minute verlorenging, kann Ecuador zu zur großen Überraschung der Copa werden. Erstmals seit 1993 scheint das Halbfinale möglich.

  • Uruguay: Wenn sich Suárez durchbeißt

Der "Beißer" Luis Suárez ist einer der besten - wenn nicht der beste - Stürmer der Welt. Mit 59 Toren war der Uruguayer maßgeblich am Double des FC Barcelona beteiligt. Pech nur, dass er sich im Pokalfinale verletzte und seitdem kein Spiel bestreiten konnte. Bei der Generalprobe gegen Trinidad & Tobago musste Sturmpartner Edinson Cavani die Tore erzielen. In der eher schwach besetzten Gruppe C wird das Augenmerk deshalb auf dem Pariser Goalgetter liegen. Spätestens im Viertelfinale sollte Suárez jedoch fit sein, denn dann wartet entweder Argentinien oder Chile auf die Celeste.

Prognose: Als Rekordhalter der Copa und mit einem echten Sahnesturm gesegnet gilt Uruguay naturgemäß als Favorit. Wird Suárez rechtzeitig fit und schaffen die Urus die große Hürde Viertelfinale, ist alles möglich – sogar Titel Nr. 16.

  • Mexiko: Adler mit Rückenwind

Keine der sechzehn Mannschaften hat derzeit eine bessere Form als die Mexikaner. Seit dem Amtsantritt von Trainer Juan Carlos Osario im August 2015 eilt der letztjährige Gold-Cup-Gewinner von Erfolg zu Erfolg. Zuletzt gewannen die Adler sieben Spiele in Folge - sieben Mal zu Null. Osorio, der auf LA-Galaxy-Star Giovani dos Santos verzichten muss, verfügt über ein Team mit reichlich Erfahrung und Titelhunger. Aushängeschild der Tri ist Javier Hernández, der bei Bayer Leverkusen mit 26 Pflichtspieltoren seine wohl beste Saison hinter sich hat. Die kleine Erbse zeigte sich auch zuletzt bestens in Form: Nach seiner Einwechslung bescherte er seiner Mannschaft den Sieg über Chile und lässt sein Land von der Copa träumen.

Prognose: Im Auftaktspiel zwischen Mexiko und Uruguay trennt sich die Spreu vom Weizen. Hält Mexikos Serie, ist mit Sicherheit ein Weiterkommen unter die besten vier möglich.

  • Chile: Die goldene Ära

Die Brust ist breit im stolzen Andenstaat. Nach dem Copa-Gewinn im letzten Jahr will man nun nichts weniger als die Titelverteidigung. Obwohl La Roja in Bestbesetzung antritt, wird der Einzug ins Finale jedoch äußerst schwer. Schließlich ist der jüngste Erfolg vor allem dem im Januar zurückgetretenen Trainer Jorge Sampaoli zu verdanken, der aus einer Ansammlung hochtalentierter Spieler eine bärenstarke Elf geformt hatte. Sein Nachfolger Antonio Pizzi konnte bislang noch nicht in Sampaolis große Fußstapfen treten. In der WM-Qualifikation steht man nur auf dem vierten Platz, auch das letzte Testspiel gegen Mexiko ging knapp verloren.

Prognose: Das erste Gruppenspiel gegen Argentinien wird richtungsweisend sein. Gewinnt Chile, ist alles möglich – verliert man, drohen die Träume schnell zu platzen.

  • Argentinien: Spielt er oder spielt er nicht?

Wenige Mannschaften sind so abhängig von ihrem Superstar wie die Albiceleste von Lionel Messi. Und wenige Teams stehen so sehr unter Erfolgsdruck. Nach zuletzt zwei Finalniederlagen bei der Copa und einer bei der WM 2014 muss endlich wieder ein Titel her. Doch ohne den fünfmaligen Weltfußballer scheint dieses Ziel nicht erreichbar zu sein. Messi laboriert seit dem Testspiel gegen Honduras an einer Rückenverletzung und fehlt unter Umständen im Auftaktspiel gegen Chile. Glück für Trainer Gerardo Martino, dass er im Sturm auf die anderen Stars wie Gonzalo Higuaín, Angel Di María und Kun Agüero zählen kann.

Prognose: Ob mit oder ohne Messi, Argentinien erreicht das Halbfinale. Danach wird entscheidend sein, dass der 14-fache Copa-Sieger im Finale die Nerven behält. Und dass Leo Messi fit ist.

Gerrit Kleiböhmer