13.08.2013 13:02 Uhr

"Fla-Flu" – Rückkehr ins Maracanã

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Im "FlaFlu" liefern sich Fred (li.) und Wallace (r.) einige heftige Zweikämpfe. (11.08.2013)

Als am vergangenen Sonntag das größte Derby des brasilianischen Fußballs ins ehrfürchtige Maracanã zurückkehrte, war es wie ein Wiedersehen mit einer verflossenen Liebe. Nicht die erste, vielleicht auch nicht die große Liebe, aber sicherlich die feurigste und leidenschaftlichste. 

Seit drei Jahren hatte man es vertrieben, das "Fla-Flu", dieses aufregendste Derby von Rio de Janeiro und vielleicht auch von Brasilien. Dabei gehört der Fluminense Football Club nicht mal zu den fünf populärsten Klubs des Landes und auch in Rio selbst kämpft "Nense" erbittert mit Vasco da Gama und Botafogo um den zweiten Rang der Fan-Rangliste. Aber dieses Derby lebt von der unmittelbaren Stadtteilnachbarschaft der beiden Kontrahenten, von ihrem Klassenkampf zwischen Arm und Reich, von seinem fli-fla-fluffigen Namen und vor allem auch von seinem traditionellen Austragungsort – dem Estádio Jornalista Mário Filho, besser bekannt unter dem Namen seines Standortes, dem Stadtteil Maracanã.

Vor 50 Jahren besuchten einmal 194.604 Zuschauer dieses Derby. Einhundertvierundneunzigtausend Menschen. Nur wenige Tausend weniger als beim weltberühmten "Maracanaço", als 1950 Brasilien den sicher geglaubten Weltmeistertitel an Uruguay verlor. Seit jeher gilt das Maracanã als Heimat der Nationalmannschaft, als Symbol der Seleçao. Dabei waren die Stadtderbys für die so lokalpatriotischen Bewohner von Rio de Janeiro lange Zeit viel aufregender als die meisten Länderspiele. Zwei ausgeglichene Fankurven, die sich gegenseitig in Grund und Boden sangen, trommelten und tanzten. Es waren diese "Clássicos", die über Monate die Gespräche mit dem Nachbarn und dem Arbeitskollegen definierten.

Fans übersättigt: Bis zu acht Derbys in einem Jahr

Aber man hatte den "Cariocas", wie die Bürger der Stadt bezeichnet werden, dieses Duell ausgetrieben. Einerseits ist der brasilianische Fußballbetrieb übersättigt. Bis zu achtmal können Flamengo und Fluminense im Rahmen der Regionalmeisterschaft, der nationalen Liga und des Landespokals in einem Jahr aufeinandertreffen. Andererseits bewegen sich beide Teams seit Jahren unter dem Topniveau der international erfolgreichen Klubs aus Sao Paulo, Porto Alegre oder Belo Horizonte. Und letztendlich hat das Stadion selbst, beziehungsweise sein mittlerweile privatisierter Träger, diese Klubs und dieses Derby stiefmütterlich behandelt. Nach zwei langen Umbauphasen in den letzten sechs Jahren, in denen das Fla-Flu auf das moderne, herzlose Estádio Engenhão ausweichen musste, ist das rundum modernisierte Maracanã nun einem FIFA-WM-Spiel näher als einem kruden brasilianischen Ligaduell. Vor allem, was die Preispolitik betrifft

Absolut überteuerte Eintrittspreise halten die Fans fern

Wenngleich die Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr der Auslöser für die jüngsten Proteste in Brasilien waren, so wäre eine Massendemonstration gegen die Eintrittspreise im "Stadion des Volkes" ähnlich gerechtfertigt gewesen. Als Ende Juli erstmals seit drei Jahren wieder ein Ligaspiel im Maracanã stattfand, kostete das günstigste Ticket für die Kurve 100 Reales, umgerechnet etwa 35 Euro. Bedenkt man, dass der monatliche Mindestlohn, mit dem Millionen Brasilianer ihr Leben zurechtjonglieren, bei 255 Euro liegt, handelt es sich, gelinde ausgedrückt, um einen zu elitären Preis. 

Wenig Interesse im Vorfeld, Stadion kaum halbgefüllt

Folglich musste auch vor diesem "Fla-Flu" die Werbetrommel ordentlich gedreht werden, denn sportlich versprach das Duell zwischen dem Tabellenzwölften und –dreizehnten keinen Samba-Fußball. Die größte Tageszeitung bot Freitag und Samstag 50%-Coupons für den Oberrang der Seitengeraden an, so dass der günstigste Ticketpreis auf 50 Reales sank. Dennoch waren bis zum Spieltag nur 20.000 Tickets verkauft. Bedenkt man kilometer- und tagelange Warteschlangen vor Lokalderbys im Nachbarland Argentinien, eine wahrhaftig lächerliche Zahl.

Flamengo besiegt Fluminense 3:2 – Hernane und Rafael Sobis treffen doppelt

Und auf dem Feld? Die bekanntesten Protagonisten stehen heute wohl eher an der Seitenlinie. Die beiden Ex- Nationaltrainer Vanderlei Luxemburgo (Fluminense) und Mano Menezes (Flamengo) sollen auf beiden Seiten das Mittelmaß bekämpfen. Dass hier nicht Brasiliens Creme de la Creme auf dem Feld steht, weil diese irgendwo zwischen Lissabon und Moskau unter Vertrag steht, war zu erwarten. Dennoch entwickelt sich ein offener Schlagabtausch, bei dem vor allem Elias im Mittelfeld von Flamengo als Spielorganisator gefällt. Der eigentlich schwache Mittelstürmer Hernane trifft beim 3:2-Sieg von Fla doppelt und wird wohl als Held dieses Derbys archiviert werden. Bei den Gastgebern bleibt Nationalstürmer Fred völlig blass. Gefallen tut eher der zweifache Torschütze Rafael Sobis und gelegentlich auch der Linksverteidiger Igor Julião.

Stimmung auf den Tribünen lässt erahnen, wie es früher war und immer noch sein könnte

Auf den Rängen ist die Stimmung trotz der geringen Auslastung gut. Vor allem die Akustik überzeugt und die Frage stellt sich, wie groß das Spektakel wäre, wenn die Eintrittspreise einfach um die Hälfte reduziert würden. Es wäre so einfach, das Stadion zu füllen, und so weiter Werbung und positive Bilder vom brasilianischen Fußball zu produzieren.

Aber die Carioca müssen sich in diesen Tagen, in denen die Welt sie mit ihrer Aufmerksamkeit fast erdrückt und Entscheidungen weit an ihren Interessen vorbei getroffen werden, schon mit wenig zufrieden geben. Wenigstens spielt Flamengo wieder zuhause. Zuhause im Maracanã? Zuhause in Rio. Denn in den letzten Monaten trug man die meisten Heimspiele in der über 1000 Kilometer entfernten Landeshauptstadt Brasilia aus. Um den dortigen Bau des WM-Stadions Mané Garrincha zu rechtfertigen.



Viktor Coco