10.01.2014 13:36 Uhr

Legenden der Vergangenheit: Arthur Friedenreich

Arthur Friedenreich im Trikot von CA Paulistano
Arthur Friedenreich im Trikot von CA Paulistano

Er gilt als Erfinder der Körpertäuschung, schoss mehr Tore als Pelé und avancierte zum ersten Superstar des brasilianischen Fußballs. Auf dem Weg zum Idol musste der Deutsch-Brasilianer Arthur Friedenreich allerdings einige politische Unwegsamkeiten überwinden.

554 Treffer habe Friedenreich erzielt, sagt sein Biograf Alexandre da Costa. Die Legende, und mit ihr die offizielle FIFA-Statistik, behauptet indes, Friedenreich sei der erfolgreichste Torjäger der Geschichte gewesen: von 1239 Spielen und 1329 Toren ist die Rede - von einem sagenhaften Rekord also, der alle anderen Stürmer, sogar Pelé und Gerd Müller, auf die Plätze verweisen würde. Einigkeit herrscht indes über Friedenreichs wichtigstes Tor. Erzielt im Jahr 1919, im Finale der Copa América, im längsten Spiel der Geschichte des Wettbewerbs.

Der Weg zur Legende war für den Sohn eines deutschen Kaufmannsnachfahren und einer brasilianischen Wäscherin allerdings ein steiniger. Zu einer Zeit, in der es Schwarz-Brasilianern grundsätzlich untersagt war, das Trikot der Nationalelf zu tragen, führten lediglich Friedenreichs deutsche Wurzeln zur Aussetzung dieses rassistischen Dogmas. Auf dem Platz bekam der dunkelhäutige Kicker seine „Sonderstellung“ jedoch deutlich zu spüren - so wurden Fouls am Torjäger nicht geahndet, er musste sein krauses Haar glätten und in der südamerikanischen Hitze seine Haut mit Reismehl aufhellen.

"König" des Fußballs

All dieser Widerstände zum Trotz avancierte Friedenreich zur ersten Fußballlegende Brasiliens. Am 21. Juli 1914, bei einem 2:0-Sieg über den englischen Verein Exeter FC und ganze vier Jahre, bevor der brasilianische Verband schwarzen Spielern offiziell die Teilnahme an Länderspielen erlaubte, gehörte der wieselflinke Angreifer zum ersten Nationalkader Brasiliens. Eine Ehre, die Friedenreich mit dem Verlust zweier Zähne teuer bezahlte.

Aufgrund verbandsinterner Streitigkeiten nie in den Genuss einer WM-Teilnahme gekommen, feierte der neunfache Torschützenkönig der brasilianischen Liga seine größten Erfolge mit dem Nationalteam bei der Copa América. Dort gelang ihm unter anderem der eingehend erwähnte Treffer, der den "Goldfuß" endgültig zur Legende werden ließ: Im Finale 1919 stehen sich die beiden Erzrivalen Brasilien und Uruguay in einer erbitterten Partie gegenüber. Nach 90 Minuten steht es 0:0 und auch 60 Minuten Verlängerung scheinen keine Entscheidung zu bringen. Ehe jedoch ein unrühmlicher Münzwurf über Sieg oder Niederlage entscheiden muss, kommt es zur Sternstunde Friedenreichs, der kurz vor dem Ende des Spiels trifft, ein ganzes Land aus seiner Apathie reißt und fußballerische Unsterblichkeit erlangt.

Auf europäischem Boden erlangte "El tigre" bei einem Gastspiel mit dem AC Paulista Berühmtheit. Mit dem brasilianischen Klub bestritt der Deutsch-Brasilianer zehn Spiele auf dem alten Kontinent, von denen die Südamerikaner ganze neun für sich entscheiden konnten. Friedenreich hatte überragenden Anteil an diesen Erfolgen und wurde fortan in Europa nur noch als "König" des Fußballs bezeichnet.

Geburtsstunde der Körpertäuschung

Einer Legende zufolge gilt Friedenreich zudem als Erfinder der Körpertäuschung. Entstanden sei das Ausweichmanöver als er sich beim Straßenkick, erschreckt durch ein schnell herannahendes Auto, mit dem Ball am Fuß um die eigene Achse drehte, zur Seite sprintete und so erfolgreich der Gefahr auswich. Später probierte der Angreifer dieselbe Bewegung im Zweikampf mit einem Gegenspieler – und das mit großem Erfolg. Die Körpertäuschung, die heute eine Selbstverständlichkeit im technischen Repertoire eines jeden Spielers darstellt, war geboren.

Nach seinem Karriereende im Alter von 43 Jahren warb das Idol noch eine Zeit lang für eine Brauereifirma, ehe er an Parkinson erkrankte und verstarb. Die Fußspuren Arthur Friedenreichs sind allerdings bis heute unverkennbar. Als erster Spieler soll er die legendäre 1000-Tore-Marke geknackt haben und noch heute ehrt man den besten Torschützen Brasiliens mit dem Arthur-Friedenreich-Preis.

wfb