07.11.2014 13:29 Uhr

Liverpool: Vom Titeltraum ins Niemandsland

Liverpool gegen Chelsea - Der Dauerbrenner der Premier League gibt sich am Samstag an der Anfield Road die Ehre. Beim letzten Aufeinandertreffen der Klubs ging es um die Meisterschaft, beim kommenden Kräftemessen kämpft Liverpool gegen Formtief, Selbstzweifel und die eigenen Erwartungen. weltfussball blickt vor dem Top-Duell im englischen Oberhaus auf die verzwickte Situation des Vize-Meisters.

Frühjahr 2014: "Make Us Dream" hält 'The Kop' den Spielern in Rot auf einem Banner entgegen. Der Traum, die Meisterschaft endlich wieder nach Liverpool zu holen, scheint nach Jahren in greifbarer Nähe. Das Angriffs-Trio bestehend aus Luis Suárez, Daniel Sturridge und Raheem Sterling zieht nicht nur eingefleischte Reds-Fans in seinen Bann - bis sich der Traum am 36. Spieltag jäh in einen Alptraum verwandelt.

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"The Slip", der Ausrutscher von Steven Gerrard gegen Chelsea, der Demba Ba den Ball vor die Füße legt, ist der Anfang vom Ende der roten Titel-Träume. Weder Kapitän noch Mannschaft konnten sich davon erholen, die Meisterschaft glitt ihnen durch die Finger und doch vermittelte die vergangene Saison: Liverpool ist wieder da, zurück in den Top Four und auf europäischer Bühne. Der Plan für die nächste Saison war schnell geschmiedet: Ein Schritt weiter, ein Platz besser, magische Königklassen-Abende an der Anfield Road.

Big Spender auf dem Transfermarkt

Um das verwirklichen zu können zauberten die Liverpool-Bosse neben den 81 Millionen durch Suárez' Abgang zusätzliche 70 Millionen Euro aus dem Hut, die Brendan Rodgers für seine Sommer-Einkäufe zur Verfügung standen. Gleich drei Neuzugänge kamen aus Southampton an die Merseyside. Das spanische Duo Manquillo und Moreno sollte die Abwehr verstärken, Marković von Benfica und Can aus Leverkusen das Mittelfeld unterstützen. Der herbeigesehnte Ersatz für Torschützenkönig Suárez ließ lange auf sich warten, bis schließlich Italiens "Enfant terrible" Mario Balotelli vor der Tür stand. Trotz einiger hochgezogener Augenbrauen und leise zweifelnder Worte, trotz des Abgangs von Vize-Kapitän und Fan-Liebling Daniel Agger, siegte das Vertrauen in Coach Rodgers, der den LFC schließlich wieder nach oben gebracht hatte, der Klub und System verstand wie keiner seit Rafael Benítez. Rodgers, der in dieser Saison gar nicht scheitern konnte. Oder doch?

Nach zehn Spieltagen hat sich Ernüchterung eingestellt. Mit 14 Punkten und Platz sieben liegen die Reds ein gewaltiges Stück hinter den eigenen Erwartungen zurück. Schwerer als die Platzierung wiegt jedoch die Spielweise, die trotz allgegenwärtigem Kampfgeist und Einsatz wenig Hoffnung auf eine Aufholjagd macht. Wie in der letzten Saison wackelt die Defensive fast schon traditionell; die einzige weiße Weste verzeichnete man beim 0:0 gegen Hull City. In der vergangenen Spielzeit konnte die Offensive noch über das Manko in den Abwehrreihen hinwegtäuschen. 13 Tore bei 13 Gegentreffern können aber logischerweise wenig Rettung bieten. Nach Suárez' Weggang und Sturridges langwieriger Verletzung ist vom Traum-Trio nur noch Sterling übrig, der sich ein ums andere Mal einsam vor dem gegnerischen Tor aufreibt. Die Makel der letzten Saison sind noch da, das Material zur Übertünchung fehlt.

Ein Team in der Findungsphase

Neben Sterling findet sich die Personifikation der enttäuschten Erwartungen. Nicht einen Premier-League-Treffer konnte Mario Balotelli bislang im Trikot der Reds erzielen. Schon jetzt wird über einen möglichen Wechsel des Italieners zurück in die Serie A spekuliert. Doch auch Routiniers wie Steven Gerrard hinken den eigenen Bestleistungen hinterher. Stärker denn je scheint sich bei dem 34-Jährigen das Alter bemerkbar zu machen. Das wandelnde Liverpool-Symbol nicht aufzustellen, ist jedoch auch keine Option - bezeichnend für Rodgers' Suche nach der Balance zwischen Urgesteinen und Neuzugängen, zwischen Altbewährtem und notwendiger Umstellung, die bislang vergeblich blieb.

Stammkräfte auf die Bank zu setzen traute sich der Trainer am letzten Champions-League-Spieltag gegen Real Madrid, wo der Verzicht auf Gerrard, Sterling, Henderson und Balotelli jedoch fast schon in Resignation endete. Während kriselnde Teams wie Borussia Dortmund in der Champions League ein anderes Gesicht zeigen, bleiben den Reds auch Höhenflüge in der Königsklasse verwehrt. Ein knapp erkämpftes 2:1 gegen Ludogorets Razgrad, eine Niederlage gegen Basel, zwei Pleiten gegen die derzeit übermächtigen Madrilenen - und Liverpool steht schon in der Gruppenphase kurz vor dem Aus.

Es sollte eine magische Saison werden, doch schon im November scheint sie geradezu verhext. Umso wichtiger ist daher das Aufeinandertreffen mit Spitzenreiter Chelsea, der in dieser Spielzeit noch kein Spiel verlor. Ein Triumph gegen die Blues würde vieles vergessen machen, ein großes Stück Selbstvertrauen zurückbringen und den Kop wieder träumen lassen. Dieser wird trotz aller Enttäuschung und (zu) hoch gesteckter Erwartung auch vor dem Anpfiff um 13:45 Uhr sein You'll Never Walk Alone anstimmen wird, das den Klub schon durch Schlimmeres trug als einen siebten Platz.

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Laura Krause