13.06.2015 14:46 Uhr

Fußballriese mit neuem Gesicht

Neymar soll es für Brasilien richten
Neymar soll es für Brasilien richten

Zwölf Mannschaften, drei Gruppen, ein Titel: Vor den ersten Spielen der Copa América 2015 stellt weltfussball die Favoriten und potenzielle Überraschungskandidaten vor. Heute an der Reihe: die Gruppe C.

Ein Fußballriese mit neuem Gesicht, ein stürmischer Herausforderer, erfahrene Anden-Kicker und ein Fußballzwerg mit Potenzial: Diese Gruppe verspricht Spannung und viel Leidenschaft. Die vier Mannschaften in der Übersicht!

Brasilien: Die Mischung macht's!

Ein knappes Jahr ist vergangen, seitdem die Seleção im eigenen Land eine der schlimmsten Niederlagen in ihrer stolzen Geschichte hinnehmen musste. Um einen Neustart zu ermöglichen, trennte sich der brasilianische Verband von Luiz Felipe Scolari. Dessen Vorgänger wurde sein Nachfolger: Weltmeister Carls Dunga übernahm zur Überraschung vieler Experten erneut das Traineramt und krempelte den Kader sofort konsequent um. Frische Kräfte, die die Schmach von Belo Horizonte nur aus der Ferne erlebten, wurden in die Mannschaft integriert. Viele Hoffnungen ruhen auf Liverpools Philippe Coutinho, der nach einer starken Premier-League-Saison sein Turnier-Debüt gibt. Auch Felipe Anderson (22, Lazio), Roberto Firmino (23, Hoffenheim), Fred (22, Shakhtar Donetsk), Casemiro (23, Porto) und Douglas Costa (24, Shakhtar Donetsk) zählen zur Kategorie jung, talentiert und erfolgshungrig. Nur sechs Spieler sind vom alten Stamm übrig geblieben, was allerdings auch an den Verletzungen von Spielern wie Oscar und Luiz Gustavo liegen dürfte. Carlos Dunga ist es erstaunlich schnell gelungen, rund um Superstar Neymar eine schlagkräftige Truppe zu formen, die funktioniert und zuletzt zehn Länderspiele in Serie gewonnen hat. Die Ballzauberer vom Zuckerhut sind zweifelsfrei ein heißer Titelkandidat!
Beste Copa -Platzierung: 8 x Sieger (1919, 1922, 1949, 1989, 1997, 1999, 2004, 2007)
Der Trainer: Carlos Dunga - Seine Mischung aus defensiver Stabilität und offensiver Spielfreude funktioniert bislang perfekt.
Starspieler: Neymar. Wer will diesen Mann noch stoppen? Der 23-Jährige ist das Herzstück der Seleção und auch unter Dunga mit allen Freiheiten ausgestattet, die er für sein spektakuläres Spiel benötigt. Nach dem Gewinn der Champions-League-Trophäe reist der Dribbelkünstler mit einer großen Portion Euphorie nach Chile.

Kolumbien: Die Eroberer

Der Hype hält an: Kaum eine Nation hat seit der WM 2014 so viele Fans und Sympathisanten gewonnen wie die Cafeteros. Mit unbändigem Willen, großer Leidenschaft und mutigem Angriffsspiel haben die Kolumbianer einen Vorgeschmack darauf geliefert, was in Zukunft noch folgen könnte. Schon bei dieser Copa zählt die Mannschaft zu den Kandidaten auf einen Platz unter den Top 4 und tritt weitgehend mit dem Stammkader an, der in den letzten Jahren für Furore gesorgt hat. Im Mittelfeld zieht James Rodríguez die Fäden, auf der Außenbahn wirbelt Juan Cuadrado und im Sturmzentrum tummeln sich Torjäger der Extraklasse. Wer die Wahl hat, hat bekanntlich auch die Qual: Radamel Falcao konkurriert mit Juve-Neuzugang Jackson Martínez und Europa-League-Sieger Carlos Bacca um den Platz im Angriffszentrum. Luxusprobleme für José Pekerman, der mit den Jungs in den knallgelben Trikots das Zeug dazu hat, den arrivierten Kräften des Kontinents in die Suppe zu spucken.
Beste Copa-Platzierung: Sieger (2001)
Der Trainer: José Pekerman – Kolumbiens Rückkehr in die Weltspitze ist untrennbar mit dem Namen des Coaches verbunden. Er hat es geschafft, aus dem riesigen Potenzial der Einzelspieler ein funktionierendes Kollektiv zu formen, das an guten Tagen wirklich jeden Gegner in die Bredouille bringen kann.
Starspieler: James Rodríguez. Was für ein Jahr für den Offensivkünstler: Erst WM-Torschützenkönig, dann der Wechsel zu Real Madrid und schließlich der schmerzhafte Mittefußbruch im Februar. Mit seinen 23 Jahren hat er schon eine Menge erlebt. Mit seinem Mix aus Tempo, Schlitzohrigkeit und Abschlussstärke sorgt der Spielmacher für staunende Gesichter.

Peru: Die Anden-Altstars

Wenn im Fußball von Veteranen gesprochen wird, sind im Normalfall Spieler gemeint, die einem Team lange die Treue gehalten haben und so zur Identifikationsfigur wurden. Treffender könnte diese Beschreibung für das Trio Claudio Pizarro, Jefferson Farfán und Paolo Guerrero kaum sein. Seit mehr als zehn Jahren steht und fällt die Offensive der Blanquirroja mit dem Einsatz der drei bundesligaerfahrenen Stürmer. Bei den Südamerikameisterschaften bietet sich der goldenen Generation vielleicht die letzte Chance, einen großen Titel zu erringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Peruaner in Chile die K.O.-Phase erreichen, ist allerdings gering – nicht nur wegen der starken Konkurrenz. Viele Stammkräfte befinden sich im Spätherbst ihrer Karriere, zudem war die passive Spielweise Perus in der Vergangenheit nur selten von Erfolg gekrönt. Abhilfe schaffen könnten die in Deutschland aktiven Carlos Zambrano (Eintracht Frankfurt) und Yordy Reina, der in der Rückrunde für RB Leipzig auf Torejagd ging. Im Normalfall dürfte aber maximal der dritte Platz der Gruppe C drin sein, der mit Glück fürs Viertelfinale reichen könnte.
Beste Copa-Platzierung: 2 x Sieger(1939, 1975)
Der Trainer: Ricardo Gareca – Der Argentinier betreut die Mannschaft erst seit vier Monaten und setzt auf etablierte Kräfte. Über seinen bevorzugten Spielstil ist bislang wenig an die Öffentlichkeit gelangt.
Starspieler: Paolo Guerrero. Die Lebensversicherung der Peruaner. Wenn ein Spieler im Aufgebot des Andenstaats für einen Treffer gut ist, dann der ehemalige HSV-Stürmer, der erst kürzlich innerhalb Brasiliens von Corinthians zu Flamengo gewechselt ist.

Venezuela: Auf dem aufsteigenden Ast

Zu den großen Unbekannten dieser Copa zählen die Vinotinto. Zwar stehen immerhin elf Kaderspieler in europäischen Ligen unter Vertrag, doch im weinroten Trikot ihres Landes lief bei den Legionären lange Zeit nicht viel zusammen – bis jetzt! Wer starke Einzelkönner wie José Salomón Rondón (Zenit St. Petersburg) und Josef Martínez (FC Turin) in seinen Reihen hat, taugt durchaus zum Favoritenschreck. Auch ehemalige Bundesligakicker wie Tomás Rincón (FC Genua) und Freistoßkünstler Juan Arango, der im mexikanischen Tijuana seinen fünften Frühling erlebt, sind Teil der Truppe von Noel Sanvicente. Noch ist der Abstand zu den Top-Teams des Kontinents groß, doch die Entwicklung der Mannschaft ist vielversprechend. In diesem Jahr gelangen in Freundschaftsspielen gegen Honduras und Peru souveräne Siege, die Selbstvertrauen gebracht haben. Im Kampf um den dritten Rang haben die Vinotintos sicher ein Wörtchen mitzureden.
Beste Copa-Platzierung: Platz vier(2011)
Der Trainer: Noel Sanvicente – Im vergangenen Sommer übernahm der 49-Jährige das Nationalteam und arbeitet konsequent daran, der Mannschaft einen spielerischen Stempel zu verpassen. In Chile steht für ihn die erste echte Bewährungsprobe an.
Starspieler: José Salomón Rondón. In der Kälte Russlands hat der heißblütige Mittelstürmer seinen Platz gefunden und in der abgelaufenen Spielzeit starke 20 Pflichtspieltore für Champions-League-Dauergast Zenit erzielt. Sein Torriecher ist berüchtigt, zudem gilt der 1,86 Meter große Rondón als außerordentlich durchsetzungsstark. 

Mehr dazu:
>> Gruppe A: "El Tri" und "La Roja" gegen die Underdogs
>> Gruppe B: Winnie gegen den Rest der Welt

Heiko Lütkehus