26.06.2015 13:00 Uhr

Radamel Falcao: Das Denkmal bröckelt

Selten so dynamisch bei der Copa: Radamel Falcao
Selten so dynamisch bei der Copa: Radamel Falcao

Nach einer schwachen Saison für Manchester United läuft Radamel Falcao seiner Form bislang auch bei der Copa América meilenweit hinterher. Nur aufgrund seines Heldenstatus in der Heimat ist er in der kolumbianischen Nationalelf weiterhin gesetzt. Ob der mögliche Wechsel zu Chelsea im Sommer die Karriere des ehemaligen Weltklasse-Stürmers noch einmal ins Rollen bringen kann, scheint fraglich.

Nicht einmal die Frisur lässt Radamel Falcao noch aus der Masse herausstechen. Pünktlich zur Copa hat sich der 29-Jährige von seiner langen Mähne getrennt und sich wie so viele seiner Kollegen einen modischen Seitenscheitel mit Undercut zugelegt. Für den weiter vom Spielfeld entfernten Beobachter vor Ort oder den Fan im heimischen Wohnzimmer vor dem Fernseher ist Kolumbiens Spieler mit der Rückennummer neun bei der Südamerikameisterschaft deshalb kaum auszumachen.

Denn auf sportliche Glanzlichter vom eigentlich mit herausragenden Fähigkeiten gesegneten und einst so treffsicheren Angreifer wartet man derzeit vergeblich. Bei den Auftritten gegen Venezuela, Kolumbien und Peru blieb er erschreckend blass. In 225 Minuten Spielzeit schoss er genau einmal aufs gegnerische Tor. Seine auffälligste Szene war die billige Schauspieleinlage nach einem eher handelsüblichen Zweikampf mit Carlos Zambrano im letzten Gruppenspiel.

Falcaos Schwalbe gegen Peru:

4 Millionen Pfund pro Tor

Überraschend kommt die Null-Leistung des Kolumbianers beim wichtigsten Turnier auf seinem Heimatkontinent nicht. "El Tigre" zeigt sich seit geraumer Zeit zahnlos. Für United schoss er in der abgelaufenen Saison vier magere Pflichtspieltörchen – von denen jedes die Red Devils aufgrund des exorbitanten Gehalts des Leihspielers und der üppigen Gebühr an seinen Stammverein AS Monaco fast 4 Millionen Pfund kostete, wie der "Independent" süffisant vorrechnete.

Kleinere Wehwehchen warfen Falcao in seiner Zeit in Manchester immer wieder zurück. Ins System von Teammanager Louis van Gaal passte er nicht wirklich. "Manchmal gibt es Spieler, die in einem Land fantastische Leistungen bringen, aber diese in einem anderen Land nicht abrufen können", ließ der Niederländer bereits im Frühjahr vielsagend verlauten. Spätestens da war klar, dass der englische Rekordmeister die Kaufoption für seinen teuren Flop nicht ziehen würde.

Unerschütterliches Vertrauen in den Volksheld

Dass Kolumbiens Coach José Pekerman den schwächelnden Superstar im Vorfeld der Copa zum Heilsbringer ausrief und ihn - selbstverständlich als Kapitän – mit nach Chile nahm, ist dennoch logisch. Zu groß ist Falcaos Heldenstatus in seiner Heimat, unabhängig von seiner aktuellen Form. Der in Santa Marta an der Karibikküste geborene Nationalmannschafts-Rekordtorschütze ist die Lichtgestalt des kolumbianischen Fußballs.

"Wir müssen ihm vertrauen", kommentierte Pekerman kritische Stimmen aus dem Ausland zur Nominierung des Angreifers. "Er überwindet stets Schwierigkeiten, um zum Erfolg zu gelangen." Extra für Falcao passte der argentinische Trainer sogar das System an.

Pekerman will Falcao "unterstützen"

Das in Abwesenheit des damals am Kreuzband verletzten Falcao bei der WM 2014 so erfolgreich praktizierte 4-2-3-1 ist Geschichte. Die Cafeteros laufen nun überwiegend im 4-4-2 auf. Real-Star James Rodríguez muss auf dem ungeliebten Flügel ausweichen. So passt das taktische Grundgerüst wenigstens in der Theorie besser zu Falcao, der nicht unbedingt als Prototyp einer alleinigen Sturmspitze gilt.

Von der Nibelungentreue zu Falcao dürfte Pekerman auch beim Viertelfinalspiel gegen Argentinien (in der Nacht von Freitag auf Samstag ab 1:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) nicht abrücken. "Es ist ungemein wichtig, Spieler wie Falcao zu unterstützen, die große Fähigkeiten haben und denen momentan aufgrund gewisser Umstände ein paar Prozentpunkte fehlen", sagte der 65-Jährige im Vorfeld des Peru-Spiels.

London als Chance und Risiko

Nicht nur für sein Team, sondern auch für Falcaos persönliche Zukunft wäre eine überzeugende Leistung im Duell mit Lionel Messi und Co. Gold wert. Denn nach Monaco zurückkehren möchte der Angreifer nicht. Stattdessen könnte es ihn erneut auf die Insel ziehen – wieder zu einem absoluten Spitzenteam.

Chelsea ist an einer Verpflichtung interessiert und befindet sich nach Informationen von "Sky Sports" bereits in fortgeschrittenen Verhandlungen mit Falcaos aktuellem Arbeitgeber. "Wenn ich Falcao helfen kann, wieder der Alte zu werden, dann werde ich das gerne tun", ließ sich José Mourinho kürzlich bei einem Gespräch mit "DirecTV" entlocken.

Bei den Blues hätte Falcao jedoch extrem hochkarätige Konkurrenz auf seiner Position: Der spanische Nationalspieler Diego Costa war 2014/2015 mit 20 Treffern drittbester Torschütze der Premier League und ist als einziger Stürmer gesetzt. Höchst fraglich ist zudem, ob Mourinho sein bewährtes System auf einen Neuzugang zuschneiden würde, sei er auch noch so prominent und kostspielig. Einst steht aber fest: Das Denkmal von Falcao bröckelt. Entweder er bekommt in London doch noch einmal die Kurve – oder seine ganz große internationale Karriere dürfte vorbei sein.

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Tobias Knoop