31.01.2016 12:45 Uhr

Mailand: Umbrüche mit viel Geld

Hat Inter im Winter verlassen: Fredy Guarín (l.)
Hat Inter im Winter verlassen: Fredy Guarín (l.)

Am heutigen Sonntag Abend steht das Mailänder Derby an und wieder einmal ist das direkte Duell beider Teams ein wichtiger Fingerzeig, wohin die Reise für die beiden Klubs AC und Inter in den nächsten Wochen geht. Doch viel Zeit bleibt den namhaften Größen des italienischen Fußballs nicht mehr, wenn sie ihren Kadern nach dem Derby noch einmal neue personelle Impulse geben wollen. In weniger als 48 Stunden schließen in allen großen Ligen Europas die Transferlisten – auch in Italien.

Die sportliche Ausgangslage hat sich auf beiden Seiten im Vergleich zur Vorsaison immerhin schon verbessert. Im letzten Jahr lagen beide Klubs nach 22 Spieltagen im unteren Mittelfeld der Liga und drohten endgültig den Anschluss an die europäischen Plätze zu verlieren, was aus ihrer Sicht am Ende der Spielzeit dann auch zur traurigen Wahrheit wurde.

Als Reaktion auf den ausbleibenden sportlichen Erfolg folgte eine Transferoffensive im Sommer mit aktuell durchwachsenem Erfolg.

Inter hält am Trainer fest und rüstet auf

Eine der wichtigsten Entscheidungen für die aktuelle sportliche Entwicklung hat man bei den Nerazzurri in der Trainerfrage getroffen. Trotz eines enttäuschenden Abschneidens auf Platz acht in der Meisterschaft im vergangenen Jahr hat man weiter auf Roberto Mancini gesetzt und dessen Wünsche nach hochkarätigen Neuzugängen erfüllt.

Mit Kondogbia, Perišić, Jovetić, Miranda, Felipe Melo und Jeison Murillo tätigte man teure Transfers, die sich sowohl von den Ablösen als auch den Gehältern her ordentlich in den Büchern von Inter niedergeschlagen haben. Auf der anderen Seite generierte man mit den Abgängen von Shaqiri, Kovačić und Hernanes aber auch den Großteil des Geldes, um diese Transfers zu stemmen. Inter vollzog somit auf den wichtigsten Positionen im Kader einen Umbruch, der sich sportlich bisher auszahlt.

Zwar erlitt das Team in den vergangenen Wochen einen kleinen Einbruch, doch insgesamt steht Inter mit aktuell 41 Punkten deutlich besser da als vor einem Jahr. Die Wünsche des Trainers, sich eine Mannschaft nach seinen Vorstellungen zu bauen, scheinen langsam zu fruchten und bisher macht es den Anschein, dass alle Top-Transfers zumindest eine tragende Rolle dabei spielen.

Ob es für den zeitweilig schon möglich scheinenden großen Wurf reicht und Inter am Ende zumindest in der Champions League landet, darf aber noch in Frage gestellt werden. Zum einen fehlt die Konstanz, zum anderen zeigte sich gerade zuletzt auch, dass der Kader der Nerazzurri noch nicht immer die spielerische Qualität und die Cleverness aufweist, wie es zuletzt wieder bei Rekordmeister Juventus der Fall war.

Im Winter werden weitere Weichen gestellt

Noch scheint man nicht am Ende des eingeschlagenen Weges zu sein und forciert auch im Winter weiter den Umbruch im Team. Mit Éder ist von Sampdoria ein weiterer Offensivkünstler gekommen. Zudem spült der Abgang von Fredy Guarín nach China mit rund 13 Millionen Euro frisches Geld in die Kassen.

Auch der einst so begehrte Innenverteidiger Andrea Ranocchia, der unter anderem bereits mit dem BVB in Verbindung gebracht wurde, ist im Gegenzug auf Leihbasis zu Sampdoria abgeschoben worden. Ein weiterer klarer Bruch zur Vorsaison, in der Ranocchia - mangels Alternativen - noch Stammspieler gewesen ist. Es gilt deshalb als wahrscheinlich, dass Inter sich nach den weiteren Abgängen der defensiven Ergänzungsspieler Dimarco und Dodô vor allem in der Abwehr noch einmal auf dem Transfermarkt umguckt.

AC Milan: Trainerwechsel und eine neue Offensive

Anders als beim Lokalrivalen hat der AC Milan nach der enttäuschenden Vorsaison im Sommer die sportliche Reißleine gezogen und einen neuen Mann auf die Trainerbank gesetzt. Siniša Mihajlović wurde vom Überraschungsteam des Vorjahres, Sampdoria, abgeworben und soll ebenfalls bei den Rossoneri einen Umbruch vollziehen. Für diese Unternehmung ließ sich der AC seine Neuzugänge im Sommer auch einiges kosten. Allein für Carlos Bacca, Luiz Adriano, Alessio Romagnoli und Andrea Bertolacci legte man über 80 Millionen Euro auf den Tisch und verstärkte sich so namhaft in allen Mannschaftsteilen.

Mit Bacca, Adriano und dem im Winter erst aus Liverpool geliehenen Mario Balotelli veränderte man vor allem aber die Offensive des stolzen Vereins. Ein plausibler Schritt, gemessen an der Torausbeute der Konkurrenz, die am Ende der letzten Saison vor den Mailändern stand.

Deutlich mehr ausgegeben als eingenommen

Doch neben der Tatsache, dass man anders als Inter nicht die großen Transfererlöse im Sommer generieren konnte, zahlt sich dieser Schritt bisher nur bedingt aus. Der Angriff ist weder treffsicherer als zum gleichen Zeitpunkt der vorangegangenen Spielzeit, noch verfügt der AC über eine deutlich bessere Defensive als zuvor. Zuletzt gab es mit zwei Siegen und einem Remis sowie dem Einzug ins Pokalhalbfinale immerhin aber einen positiven Ergebnistrend zu verzeichnen. Sportlich liegt Milan dennoch bereits acht Punkte hinter den so sehnlich erhofften Europapokalplätzen.

Die Reaktion? Mit Kevin-Prince Boateng holte man einen alten Bekannten zurück, der dem Offensivspiel weitere neue Impulse verleihen soll. Boatengs Verpflichtung ist jedoch angesichts seiner zuletzt in der Bundesliga gezeigten Leistungen zumindest fragwürdig. Sie zeigt aber auch, in welchem Dilemma man sich mittlerweile befindet: Für ganz große Transfers fehlt aktuell das Geld, sollte man sich nicht vorher von einigen Top-Verdienern im Winter trennen können. Ein Kandidat ist dabei Luiz Adriano, den es nach einem mäßigen halben Jahr schon wieder wegzieht. Ein Transfer nach China ist zuletzt allerdings gescheitert.

Ohne Moos nichts los

Die Rossoneri werden mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal auf den Transfermarkt aktiv. Wenn... ja, wenn es ihnen auch gelingt noch finanzielle Spielräume freizulegen. Um die in den vergangenen Jahren regelmäßig fehlenden Großeinnahmen aus den europäischen Wettbewerben aufzufangen, ist es wohl unerlässlich, dass sich der AC noch von Spieler wie Luiz Adriano trennt, wenn man sich noch hochkarätige Neuzugängen leisten will. Ein zeitlich knappes Unternehmen.

Bei Inter sieht es sportlich derzeit deutlich besser aus als beim Erzrivalen, doch mit einer Niederlage im Derby laufen die Nerazzurri Gefahr, die erhoffte und dringend benötigte direkte Champions-League-Teilnahme zu verpassen und sich endgültig aus dem Meisterschaftsrennen zu verabschieden. Kurzfristige Neuzugänge sind also nicht unwahrscheinlich.

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Nils Marlow