16.10.2015 11:49 Uhr

"...da hab ich ihn einfach reingewichst"

Ernst Kuzorra im Jahr 1985
Ernst Kuzorra im Jahr 1985

Ernst Kuzorra holte sechs Meisterschaften und zwei Pokalsiege nach Gelsenkirchen. Weltfussball erinnert an den legendären Schalker, der am 16. Oktober vor 110 Jahren geboren wurde.

Er gilt gemeinsam mit seinem Schwager Fritz Szepan als der Erfinder des berühmten Schalker Kreisels und als Garant für die großen Schalker Erfolge in den 1930er und 1940er Jahren. Für den späteren Bundestrainer und damaligen Topstürmer Helmut Schön war er einfach "der beste Fußballer seiner Zeit!". Auf Schalke, da sind sich die Fußball-Chronisten einige, hat es keinen besseren Fußballer gegeben. Am 16. Oktober 1905 erblickte Ernst Kuzorra als Sohn einer aus Masuren stammenden Bergarbeiterfamilie in Gelsenkirchen das Licht der Welt.

Unsterblich machte sich "Clemens", wie ihn seine Mannschaftskameraden riefen, am 24. Juni 1934 – dem Tag, an dem Schalke 04 seine erste deutsche Meisterschaft gewinnen konnte. Gegen die favorisierten Nürnberger lagen die Knappen bis zur 87. Minute mit 0:1 zurück, bevor zuerst Szepan zum Ausgleich und in der letzten Minute Kuzorra zum umjubelten Siegtor trafen. Mit dem Schlusspfiff brach das Herz des Schalker Spiels unter Schmerzen zusammen – er war mit einem Leistenbruch aufgelaufen, der längst hätte operiert werden sollen. Sein Last-Minute-Tor beschrieb Kuzorra später einmal mit den Worten: "Ich wusste nicht, wohin mit dem Ball, da hab' ich ihn einfach reingewichst".

Held auf Schalke, vom DFB verschmäht

Ein Blick in die Statistiken des Deutschen Fußball-Bundes wird der Geltung Ernst Kuzorras auch über Gelsenkirchen hinaus nicht gerecht. Lediglich zwölf Länderspiele mit sieben Toren stehen dort zu Buche. Diese für ein solches Ausnahmetalent bescheidene Anzahl an Partien im Adlertrikot resultiert aus seiner für manche zu direkten Art und seiner frechen Ruhrpott-Schnauze. Als der Bundestrainer Otto Nerz, mit dem ihn ein Verhältnis herzlicher Abneigung verband, nur ihn und nicht seinen kongenialen Schalker Schwager Fritz Szepan in einem Länderspiel gegen Belgien aufstellen wollte, gab Kuzorra vor, verletzt zu sein und nicht spielen zu können. Den darauf folgenden Disput mit den Coach beendete der Schalker mit den Worten: "Sie können mich am Arsch lecken!".

Rund um den Schalker Markt wissen sie allerdings zu genau, was sie an ihrem bärbeißigen Stürmer hatten. 276 Tore erzielte Kuzorra in 358 Spielen zwischen 1923 und 1950 für die Blauen, wobei er weniger der eiskalte Vollstrecker als der umtriebige und kampfstarke Vorbereiter war. Sechs Meisterschaften und zwei Pokalsiege sprangen in dieser Zeit für Schalke 04 heraus. Er war der Star der seinerzeit unzweifelhaft besten Mannschaft Deutschlands.

Nach seiner aktiven Karriere konnte man ihn viele Jahre an seinem Stammplatz in der Schalker Vereinskneipe an der Glückauf-Kampfbahn antreffen, wo er gerne Anekdoten aus der großen Zeit des Gelsenkirchener Fußballs erzählte und auch seinen Anteil daran als unumstrittener Führungsspieler nicht verleugnete: "Wir hatten immer einen Trainer, aber die Aufstellung habe ich gemacht", betonte der passionierte Zigarrenraucher. Am Neujahrstag 1990 starb Ernst Kuzorra im Alter von 84 Jahren.

Ralf Amshove