20.08.2021 09:38 Uhr

Warum Timo Werner bei Chelsea das Abstellgleis droht

Wie geht es mit Timo Werner beim FC Chelsea weiter?
Wie geht es mit Timo Werner beim FC Chelsea weiter?

Für über 50 Millionen Euro wechselte Timo Werner im vergangenen Sommer von RB Leipzig zum FC Chelsea in die Premier League. Für deutlich über 100 Millionen Euro kam in diesem Jahr auch Romelu Lukaku an die Stamford Bridge. Jetzt hat Thomas Tuchel die Qual der Wahl - und Werner droht eine schwere Zeit.

Timo Werner hat vor wenigen Tagen eine Schallmauer durchbrochen. Zwar nur auf Twitter, aber immerhin. Über 500.000 Menschen folgen dem Account des Nationalspielers bei der Kurznachrichten-Plattform jetzt. Sie liken seine Beiträge, teilen seine Bilder, kommentieren seine Posts.

Sein jüngster Beitrag zeigt ein Mannschaftsfoto des FC Chelsea. "Danke für die Liebe und die Unterstützung, die ich heute erhalten habe, Blues Fans! Ich weiß es wirklich zu schätzen!", schreibt Werner dazu. Seine Worte sind die Reaktion auf einen kuriosen Vorfall, der sich zuvor beim öffentlichen Training der Londoner abspielte.

Dort wurde der Deutsche über das Stadionmikrofon wüst von einem Fan beschimpft. "Get Werner out of the club", pöbelte der Anhänger Richtung Mannschaft, in Richtung Werner - inhaltlich nichts Außergewöhnliches und die Sorte Gegenwind, die dem 25-Jährigen im Prinzip seiner Ankunft ins Gesicht weht. Und doch war diese Art der Kritik für den Deutschen neu.

Viel Kritik an Timo Werner in den englischen Medien

Bisher saßen Werners größte Gegner vorwiegend in den Redaktionen der Yellow Press. "Sun", "Mirror", "Express" und Co. hoben stets als erste die Hand, wenn es darum ging, Werner zu kritisieren, seine Flaute in Minuten umzurechnen und dem 53-Millionen-Mann die Qualität für die Premier League abzusprechen.  

Bei den Fans des FC Chelsea hatte Werner hingegen trotz seiner mageren Ausbeute von nur zwölf Toren in 52 Spielen eigentlich bislang noch Kredit. Dass er das entscheidende Tor im Champions-League-Finale gegen Manchester City mit seinem Lauf überhaupt erst ermöglichte, ist sein größtes Pfund. Aber wie lange hält Werners Rückhalt, wenn er das Tor weiterhin nicht trifft?

Mit Romelu Lukaku haben die Blues-Fans bereits einen neuen "Liebling", einen Spieler, der schon mal ihre Farben trug. Die Vorfreude der Anhänger auf den Belgier ist riesig. Lukaku ist schließlich die Sorte Superstar, die sie sich gewünscht haben rund um die Stamford Bridge. Und er ist ein Spieler, den eins auszeichnet: ein eiskalter Abschluss. Jener Abschluss, den Werner zumindest im Chelsea-Trikot noch nicht nachgewiesen hat. 

Tuchel über Werners Krise: "Leichter gesagt als getan"

"Wünschen wir uns mehr Tore? Ja. Wünscht er sich mehr Tore? Ja. Sind wir besorgt? Was heißt besorgt?! Er muss seinen Kopf oben halten und seinen Instinkten trauen", spielt Thomas Tuchel die Flaute seiner Nummer 9 noch herunter. Und auch Werner selbst glaubt, dass die letzte Saison "vielleicht die unglücklichste, die ich je hatte" war. Heißt: Es kann eigentlich nur besser werden.

Doch es bleibt die Frage, wie Werner aus seinem Tal herauskommen möchte. Tuchel hofft darauf, dass es bald "Klick" macht. "Ist das eine Qualitätsfrage? Nein. Es geht um Selbstvertrauen, um das Momentum. Er darf nicht zu viel drüber nachdenken", sagt der Trainer, der allerdings auch weiß: "Das ist leichter gesagt als getan." Dennoch wolle er das Problem Werner "nicht größer machen, als es ist".

Warum Lukaku für den FC Chelsea wertvoller ist

Tuchel selbst kann der weiteren Entwicklung relativ entspannt entgegen sehen. Jetzt, wo ihm mit Lukaku eine echte Alternative zur Verfügung steht. Chelseas Neuzugang hat in den letzten Monaten eindrucksvoll gezeigt, dass er weiß, wie man Tore schießt. Vier waren es bei der EM für Belgien, 30 im letzten Jahr für Inter, im Jahr davor gar 34. 

Was Lukaku im Vergleich zu Werner auszeichnet: Der bullige Belgier braucht nicht viel Platz, um torgefährlich zu sein. Er strahlt selbst gegen tief stehende Mannschaften stets Gefahr aus. Standards, Kopfbälle, Abschlüsse aus der Distanz, in all diesen Bereichen hat der 28-Jährigen gegenüber Werner die Nase vorn. Und diese Qualitäten sind gegen die Burnleys, Brentfords und West Hams der Liga gefragt. 

Werner hingegen kann für die Blues vor allem dann wertvoll werden, wenn sich ein offenes Spiel entwickelt. Wie im Champions-League-Finale, als die Londoner auf die hoch stehende Abwehrkette von Pep Guardiola trafen. Oder wenn es gegen eine Mannschaft wie Liverpool geht, die sich ebenfalls nicht zurückzieht. Aber reicht das für einen Stammplatz? Tendenz: Nein.

Timo Werner wechselt den Berater

Wie könnte es für Werner weitergehen, sollte er seinen Platz in der ersten Elf des FC Chelsea tatsächlich verlieren? Kaum vorstellbar ist, dass er sich freiwillig in London auf die Bank setzt.

Dafür ist er zu jung - und auch eigentlich zu gut. Außerdem würden sich andere Klubs um ihn reißen. Dessen ist sich auch Werner bewusst, der vor wenigen Tagen mit einem Berater-Wechsel für Aufsehen sorgte.

Ein neuer Agent ist nicht immer gleichbedeutend mit einem Vereinswechsel, nicht selten aber ist es der erste Schritt dorthin. Der Wunsch des pöbelnden Zaungasts beim Chelsea-Training könnte also vielleicht doch schneller als erwartet in Erfüllung gehen.

Christian Schenzel