23.07.2014 13:28 Uhr

Millionen-Transfers: Glücksgriff oder Risiko?

Heuerte nach der WM bei Arsenal an: der Chilene Alexis Sánchez
Heuerte nach der WM bei Arsenal an: der Chilene Alexis Sánchez

Mit dem Wechsel von James Rodríguez zu Real Madrid hat der sommerliche Transferwahnsinn seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Nicht alle Vereine haben dabei eine gute Figur abgegeben. Wer hat einen Volltreffer gelandet, wer ist ein unnötiges Risiko eingegangen?

Geschätzte 360 Millionen Euro haben sechs europäische Spitzenvereine für die sieben teuersten Spieler des WM-Sommers ausgegeben. Im Topf ist alles, was Rang und Namen hat. weltfussball hat die Rekordtransfers unter die Lupe genommen und sagt, wer einen guten Fang gemacht und wer sich verzockt hat.

Cesc Fàbregas (Chelsea FC/35 Mio. Euro)

Der Welt- und Europameister kehrt auf die Insel zurück. Statt im Emirates heuert der Mittelfeldspieler zur neuen Saison an der Stamford Bridge an. Sein Ziel ist klar: der Champions-League-Titel. Den holte er weder mit Arsenal noch mit dem FC Barcelona. Warum José Mourinho den Spanier unbedingt haben wollte, ist schwer zu sagen. Mit Hazard, Matic, Willian, Salah, Ramires, Oscar und Schürrle stehen genügend Akteure für die Zentrale zur Verfügung, die allesamt jünger sind und ein größeres Entwicklungspotenzial besitzen.
Fazit: Risiko. Der 27-Jährige kann das fehlende Puzzlestück zum Titelgewinn der Blues sein. Das war Fàbregas in seiner bisherigen Karriere aber noch nie. Bei einem Preis von 35 Millionen muss er in London endlich beweisen, dass er ein Team zum Titel führen kann.

Luke Shaw (Manchester United/37 Mio. Euro)

Mit gerade einmal 19 Jahren ist Luke Shaw nach Thiago Silva und David Luiz der teuerste Abwehrspieler aller Zeiten. Eine Ehre, die der Linksverteidiger der miserablen Saison der Red Devils zu verdanken hat. Ob der gebürtige Londoner im Old Trafford in die Fußstapfen von Patrice Evra treten kann, muss sich erst noch zeigen. Zwar verfügt der Youngster über ein starkes Dribbling, einen ausgezeichneten Antritt und gute Defensivqualitäten. Diese Fähigkeiten auch auf der großen Bühne im Trikot des Rekordmeisters einzubringen, wird jedoch eine echte Hürde sein.
Fazit: Risiko. So groß die Vorschusslorbeeren auch sind, 37 Millionen Euro für einen talentierten, gleichzeitig aber unerfahrenen und mitten in der Entwicklung steckenden Spieler auszugeben, spricht eher für einen Panikkauf aus Mangel an Alternativen als einen gut durchdachten Transfer.

Diego Costa (Chelsea FC/38 Mio. Euro)

Regelmäßig bemängelte José Mourinho im Vorjahr das Fehlen eines Top-Stürmers. Jetzt hat er ihn. Costa an seinen Leistungen bei der WM zu beurteilen, wäre nicht fair. Im Sammelsurium der satten und alternden Furia Roja hätte es jeder Stürmer schwer gehabt. Mit 36 Toren in 50 Spielen hat der gebürtige Brasilianer seine Klasse im Trikot der Rojiblancos nachgewiesen. Mit 26 Jahren ist Costa zudem im besten Fußballeralter. Unter Diego Simeone hat er das Gras- und Kilometerfressen gelernt und verinnerlicht - optimale Voraussetzungen für einen Job unter Mourinho.
Fazit: Glücksgriff. Für viel Geld verpflichtete Chelsea einen der besten Stürmer, die auf dem Markt waren. Körperlich ist Costa den Anforderungen in der Premier League gewachsen. Seine Qualitäten im Abschluss stehen außer Frage und werden die Blues ein gutes Stück voran bringen.

Alexis Sanchez (Arsenal FC/40 Mio. Euro)

Nach der Verpflichtung von Luis Suárez war im Kader des FC Barcelona kein Platz mehr für den Chilenen. Zum Glück für die Gunners, denn sie verpflichteten einen Ausnahmespieler, der im letzten Jahr durchweg herausragende Leistungen zeigte. 19 Tore und elf Assists bei nur 27 Startelfeinsätzen für den FC Barcelona sprechen für sich. Hinzu kommen beeindruckende Auftritte bei der WM. Der 25-Jährige ist körperlich robust und sollte kaum Probleme haben, sich an die harte Gangart auf der Insel zu gewöhnen.
Fazit: Glücksgriff. Arsène Wenger ist ein zwar kostspieliger, dafür vielversprechender Kauf gelungen. Sanchez passt zu einhundert Prozent in das Anforderungsprofil und wird mit Mesut Özil, Theo Walcott, Jack Wilshere, Aaron Ramsey, Lukas Podolski, Alex Oxlade-Chamberlain und Olivier Giroud eine der stärksten Offensivabteilungen der Liga bilden.

David Luiz (Paris St. Germain/50 Mio. Euro)

Der brasilianische Lockenkopf bildet in Zukunft mit seinem Landsmann Thiago Silva die Innenverteidigung beim französischen Meister. 50 Millionen Euro hat sich Scheich Khelaifi die Dienste des 27-Jährigen kosten lassen. Dafür bekommt PSG einen der torgefährlichsten Abwehrspieler der Welt. Und einen Spieler, der bei Bedarf im defensiven Mittelfeld auflaufen kann und die Erfahrung von 43 Länder- und 33 Champions-League-Spielen mitbringt. Die Kehrseite der Medaille: seine unverhältnismäßig hohe Risikobereitschaft sowie das oftmals mangelnde taktische Feingespür.
Fazit: Risiko. 50 Millionen sind eindeutig zu viel für einen Spieler, der nicht nur beim Gegner, sondern auch den eigenen Mannschaftskollegen Angst und Schrecken verbreiten kann. José Mourinho hat den Brasilianer aus guten Gründen ziehen lassen.

James Rodríguez (Real Madrid/80 Mio. Euro)

Kaum gab der FC Barcelona in der Vorsaison die Verpflichtung von Neymar Jr. bekannt, trieben Los Blancos den Rekordtransfer von Gareth Bale voran. Kaum hatte Luis Suárez bei den Katalanen unterschrieben, begann das königliche Werben um James Rodríguez. Der Kolumbianer ist ein absolutes Ausnahmetalent: technisch stark, brandgefährlich im Abschluss und mit einem feinen Gespür für den tödlichen Pass ausgestattet. Außerdem lässt sich der Shooting-Star wunderbar vermarkten, ein nicht unbedeutender Faktor bei einer derart hohen Ablöse.
Fazit: Risiko. Ob Real den Top-Torschützen der WM wirklich benötigt, bleibt angesichts der vorhandenen Klasse (Ronaldo, Bale, Benzema, Kroos, Isco, di Maria, Modric) fraglich. Zudem bezahlt selbst Spaniens Rekordmeister 85 Millionen nicht mal eben aus der Portokasse. Auf den ersten Blick also ein Transfer, für den Florentino Pérez etwas zu tief in die Tasche greifen musste.

Luis Suárez (FC Barcelona/75-90 Mio. Euro)

In 133 Spielen für Liverpool war Suárez an unglaublichen 135 Treffern direkt beteiligt (82 Tore, 53 Assists). Eingewöhnungszeit war für ihn weder in Amsterdam (139 Spiele, 91 Tore) noch an der Anfield Road nötig. Barcelona bietet ihm den Luxus, gemeinsam mit Messi und Neymar auflaufen zu können - viel mehr geht nicht. Seine sportliche Klasse ist über jeden Zweifel erhaben und überstrahlt sogar seine regelmäßigen Eskapaden auf dem Feld.
Fazit: Glücksgriff. Obwohl der 27-Jährige noch bis November gesperrt ist und mit 75+x Millionen Unsummen gekostet hat, könnte sich der Transfer als echter Volltreffer erweisen. Sollte er gut mit Messi und Neymar harmonieren, dürfte das Trio das Nonplusultra in Europas Offensivreihen werden.

Christian Schenzel