19.08.2019 08:21 Uhr

Kempes: "Wollte Spaß am Fußball haben"

Heute ist Mario Kempes 64 Jahre alt
Heute ist Mario Kempes 64 Jahre alt

Der Argentinier Mario Kempes gilt als einer der besten Fußballer der Geschichte. In seinem Heimatland wurde er 1978 WM-Torschützenkönig und zum Spieler des Turniers gewählt. Ab dem Frühjahr 1986 geigte er eineinhalb Jahre für den First Vienna Football Club, der am 22. August 125 Jahre alt wird. Aus diesem Anlass gibt Kempes in dieser Woche ein Comeback auf der Hohen Warte.

Heute arbeitet der 65-Jährige als Experte für die lateinamerikanische Sparte des TV-Senders ESPN. In dieser Rolle ist er nicht zuletzt ein genauer Beobachter seines Landsmannes Lionel Messi, den er angesichts harter Kritik - etwa von Diego Maradona - stets verteidigt hat. Im Interview mit der APA sprach Kempes auch über seine Zeit in Österreich, seine kurze, "erlebnisorientierte" Trainerkarriere und seinen Geburtstagswunsch für die Vienna.

Sie waren ab 1986 sechs Jahre in Österreich. Was hat Ihnen an dem Land so gefallen, dass Sie eine so lange Zeit geblieben sind?

Mario Kempes: "Die Kultur, die Menschen, das Flair. Österreich ist ein großartiges Land und Wien eine fantastische Stadt. Das Wichtigste war mir, dass ich weiter Fußball spielen konnte. Aber ich habe mich hier extrem wohlgefühlt. Auch als ich für St. Pölten und Krems gespielt habe, habe ich weiter in Wien gelebt. Ich erinnere mich immer gerne an diese Zeit. Es gibt einige lustige Anekdoten dazu."

Warum hat es Sie gereizt, nach der Vienna noch bei den kleineren österreichischen Vereinen Krems und St. Pölten zu spielen?

Kempes: "Die Herausforderung hat mich immer gereizt. Nur weil das kleinere Clubs sind, heißt das doch nicht, dass sie keine so großen Ambitionen und Ziele hatten wie die großen Vereine. Ich habe immer mein Bestes gegeben. Und ich sah bei all den Clubs die Voraussetzungen gegeben, um auf höchstem Niveau zu spielen."

Wurden Sie damals in Wien auf der Straße, im Supermarkt eigentlich öfters erkannt und angesprochen?

Kempes: "Für mich war nicht wichtig, erkannt zu werden. Ich wollte Spaß am Fußball haben. Das war wichtig."

Wie haben Sie das Spielniveau in Österreich empfunden?

Kempes: "Das Niveau war alles andere als niedrig, wenn Sie darauf anspielen. Schon damals gab es Vereine wie Rapid, die Austria, die international kompetitiv und erfolgreich waren. Als ich zur Vienna gekommen bin, haben wir versucht, das Niveau der europäischen Konkurrenten zu erreichen."

Sie haben Vereine in Ländern wie Albanien, Bolivien und Indonesien trainiert. Was war der Beweggrund, diese mitunter "exotischen" Angebote anzunehmen?

Kempes: "Ich hatte diese Angebote einfach und die Herausforderung hat mich gereizt. Ich habe das nicht wegen dem Geld gemacht. Vor Ort war es nicht nur herausfordernd, sondern mitunter auch schwierig. Das hat auf Dauer müde gemacht."

Hatten Sie nie den Wunsch, große Clubs in Argentinien oder Europa zu trainieren?

Kempes: "Jeder Fußball-Trainer möchte einmal einen großen Club coachen. 1999 bin ich beispielsweise mit The Strongest bolivianischer Meister geworden. Das war mein erster Meistertitel als Trainer. Aber gegen Ende sind Dinge passiert, die mir nicht gefallen haben. Dann habe ich beschlossen aufzuhören. Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, wie viel Spaß mir mein heutiger Job als Kommentator für den amerikanischen Fernsehsender ESPN macht. Ich fühle mich in dieser Rolle sehr wohl."

Wer ist für Sie der bessere, komplettere Fußballer? Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo?

Kempes: "Messi."

Warum läuft es für Messi aber in der Nationalmannschaft nicht wie gewünscht - und von vielen Argentiniern erwartet?

Kempes: "Messi ist der beste Spieler auf der Welt. Und zum Glück ist er Argentinier. Er wird sich mit dem Nationaltrainer treffen und zusammensetzen, der sicherstellt, ihm die besten Kollegen zur Seite zu stellen, damit Argentinien zum dritten Mal Weltmeister wird."

Würden Sie ihm dazu raten, seine Teamkarriere jetzt zu beenden - oder zumindest eine längere Pause zu machen?

Kempes: "Ich bin keiner, der Messi Ratschläge gibt. Er muss das machen, was er für richtig hält."

Was wünschen Sie der Vienna für die nächsten 125 Jahre?

Kempes: "In erster Line möchte ich auf das Herzlichste gratulieren. Ich freue mich, mit dem Club, allen Freunden und all jenen, die das blau-gelbe Trikot getragen haben, diesen Festtag am Donnerstag gemeinsam zu begehen. Die Vienna ist ein großartiger Traditionsverein. Ich wünsche mir, dass man weiter mit so viel Respekt, Anerkennung und Sympathie von der Vienna spricht."

Zur Person/Porträt: Mario Kempes ist einer der erfolgreichsten Fußballer, die je in der österreichischen Liga gespielt haben. "Ich erinnere mich immer gerne an die Zeit", sagt der 65-Jährige. Das Niveau in der Liga sei damals "alles andere als niedrig" gewesen.

Es war ein Transfer, der international Beachtung fand. Kempes auf der Hohen Warte - "das ist ungefähr so, als wäre der Papst im Frühjahr Pfarrer von Grinzing", schrieb die "Kronen Zeitung" im Jänner 1986. Eine Analogie zu den heutigen Verhältnissen im Fußball wäre etwa gegeben, wenn Barcelona-Ikone Andres Iniesta 2018 nicht nach Japan zu Vissel Kobe, sondern zu Wattens oder Mattersburg gewechselt wäre.

Denn wie Iniesta das WM-Finale 2010 zugunsten Spaniens entschied, hatte Kempes 1978 Argentinien auf heimischen Boden zum Titel geschossen. Im WM-Finale gegen die von Ernst Happel trainierten Niederländer (3:1 n.V.) schrieb der auf dem Platz umtriebige Mittelstürmer in Buenos Aires zweimal an. Mit sechs Treffern wurde er Torschützenkönig, zudem zum besten Spieler des Turniers gewählt. Im Vereinsfußball gewann er zwei Jahre später mit Valencia den Europacup der Cupsieger.

"Ich wollte Spaß am Fußball haben. Das war wichtig", erklärte Kempes im APA-Interview, warum er 1986 von Hercules Alicante zur Vienna wechselte, die damals im Mittleren Play-off um den Aufstieg kämpfte. Einfädler des spektakulären Coups waren unter anderem der Spielermanager Josef "Pepi" Schulz mit seiner Agentur und Ex-Austria-Stürmer Carlos Sintas aus Uruguay. Fünf Millionen Schilling Ablöse (363.000 Euro) sollen damals an den spanischen Oberhaus-Nachzügler geflossen sein.

Trotz anhaltender Knieprobleme machte Kempes inklusive Cup knapp 40 Partien für die Blau-Gelben, erzielte dabei 13 Tore. Im Alleingang konnte er zwar keine Spiele entscheiden, doch wenn der langhaarige, schlaksige Linksfuß zu Tempodribblings ansetzte, 40-Meter-Pässe gefühlvoll an den Mann brachte oder aus 30 Metern ins Netz traf, wehte das Flair der ganz großen Fußballwelt durch die spärlich besuchten Stadien.

Am 4. April 1986 kamen laut offiziellen Zahlen aber sogar 11.000 Zuschauer auf die Hohe Warte. Zu sehen gab es das kleine Derby Vienna gegen den Wiener Sport-Club mit Hans Krankl. Die Vienna gewann in diesem Jahr das Mittlere Play-off und verpasste im folgenden Herbst als Neunter nur um einen Zähler das Meister-Play-off. Im Frühjahr 1987 gelang souverän der Klassenerhalt. Neben dem Superstar waren die bekanntesten Spieler Peter Artner, Gerd Steinkogler und Alfred Tatar, zu dem Kempes einen besonders guten Draht entwickelte.

Nach Ende des Vienna-Engagements wechselte er zum zweitklassigen VSE St. Pölten, wohin es auch Tatar verschlug. Drei Jahre später heuerte Kempes beim Kremser SC an. "Nur weil das kleinere Clubs sind, heißt das doch nicht, dass sie keine so großen Ambitionen und Ziele hatten wie die großen Vereine", sagte er. 1992 verließ Kempes Österreich. Seine Trainerkarriere führte ihn in Länder wie Albanien, Indonesien, Venezuela und Bolivien.

Seit einigen Jahren lebt er nun schon in Connecticut an der US-Ostküste und arbeitet als TV-Experte für den Sender ESPN Deportes. Die Verbindung zu Wien riss trotzdem nie ab. Eine seiner vier Töchter, Magali, ist in der Stadt mit Mann und zwei Kindern sesshaft geworden. "Österreich ist ein großartiges Land und Wien eine fantastische Stadt", schwärmt der fünffache Vater und fünffache Großvater.

Am Donnerstag wird Kempes in Döbling mit vielen Ex-Vienna-Kollegen auf den Geburtstag des ältesten Fußballvereins in Österreich anstoßen. Am Freitag (16.00 Uhr) gibt es eine Autogrammstunde. Schon davor, am Dienstag, diskutiert er im UNIQA Tower mit Austrias Sport-Vorstand Peter Stöger und anderen über Vergangenheit und Gegenwart. Am Mittwoch präsentiert der in der Provinz Cordoba geborene Weltstar im Cervantes-Institut am Schwarzenbergplatz im Beisein von "Goleador" Krankl seine Autobiografie - "Matador".

apa