19.11.2014 08:00 Uhr

ÖFB-Teamchef Koller: "Bin richtig stolz"

Österreich zeigte gegen Brasilien vor allem eine starke Mannschaftsleistung
Österreich zeigte gegen Brasilien vor allem eine starke Mannschaftsleistung

Trotz der 1:2-Niederlage gegen Rekordweltmeisters Brasilien wurde auf Seiten der unterlegenen Österreicher am Dienstagabend ein durchaus positives Resümee der Partie gezogen. Den Stars der Seleção wurde über weite Strecken auf Augenhöhe begegnet, ein Unentschieden wäre im Bereich des Möglichen gewesen.

"Ich glaube, wir haben von unserer Seite ein sehr gutes Spiel gesehen. Die Mannschaft hat das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben", zeigte sich ÖFB-Teamchef Marcel Koller mit dem Auftritt seiner Kicker zufrieden. Ausgerechnet im Moment der Niederlage verzichtete der sonst gerne zu Raison rufende Schweizer auf Understatement: "Ich bin richtig stolz."

Österreichs Leistung gegen die Weltstars Neymar und Co. konnte sich sehen lassen. "Wir haben aus dem Spiel heraus nicht viel zugelassen, dass Brasilianer Tormöglichkeiten hatten. Defensiv sind wir gut gestanden, nach vorne waren wir vielleicht zu hastig. Da muss mehr Ruhe einkehren", führte Koller weiter aus.

Besonders erfreute ihn, dass seine Mannschaft nach nur einem Tag richtiger Matchvorbereitung für den Gegner gerüstet war. "Die Spieler haben gezeigt, dass sie auch in nur kurzer Zeit etwas taktisch aufnehmen können." Unausgesprochen blieb, wie wertvoll diese Qualität bei Doppelterminen in der Qualifikation oder im dichten Turnierplan einer Endrunde sein kann.

Am Ende der Serie steht eine Selbsterkenntnis

Zufriedenheit nach einer Niederlage kommt in Österreichs Fußball schon einmal vor. "Nach dem Deutschland-Spiel (ebenfalls ein 1:2, Anm.) haben damals alle gejubelt und ich habe das nicht verstanden", erinnerte sich Marcel Koller an einen mehr großen als kleinen Kulturschock. Zwei Jahre später fand auch er trotz der ersten Niederlage im Jahr 2014 und dem Ende des Erfolgslaufs von insgesamt neun unbesiegten Auftritten positive Aspekte. "Die Serie ist zu Ende, aber die Spieler haben gezeigt, dass sie sich auch gegen eine Topnation nicht zurückhalten müssen und Fußball spielen können."

Tatsächlich begann das ÖFB-Team rotzfrech gegen den haushohen Favoriten, der seit dem Amtsantritt von Teamchef Carlos Dunga all fünf Partien ohne Gegentreffer gewonnen hatte. "Wir haben auch Videos von den Spielen davor gesehen, da waren die Gegner passiv. Das waren wir nicht, das hat sie überrascht", war sich Zlatko Junuzović sicher. Der Werder-Legionär probierte gleich zwei Mal einen Corner direkt zu verwandeln.

Den Torbann brach in einer an konkreten Torchancen armen Partie aber doch Brasilien. David Luiz fand nach einem Eckball von Oscar per Kopf die Lücke zwischen Junuzović und der Torstange (64.). Nicht das einzige Ärgernis aus rot-weiß-roter Sicht in dieser Situation. "Ich habe es gespürt, ihr habt es gesehen. Nur einer hat es nicht gesehen", ärgerte sich Stefan Ilsanker. Der Salzburger wurde beim Tor vom teuersten Verteidiger der Welt – Paris Saint Germain zahlte im Sommer 50 Millionen Euro für die Dienste von David Luiz - klar regelwidrig aus dem Weg geräumt.

Fußball-Partyschreck Schiedsrichter

Auch Koller sah es so: "Das erste Tor war klares Foul." Überhaupt war die Leistung des Unparteiischen William Collum die schlechteste am Rasen. Während den österreichischen Teamchef die rustikalen Attacken der Brasilianer kaum überrascht hatten, war die Untätigkeit des Schotten für ihn verblüffender.

"Ich habe ihn auch gefragt, ob er seine Karten zu Hause vergessen hat", so Koller sauer. Vor allem beim Ellenbogencheck gegen Veli Kavlak. "Wenn ich die Verletzung eines Gegenspielers provoziere, dann ist das für mich eher Gelb als eine Handspiel oder Ballwegschießen", spielte Koller auf die einzige Verwarnung des Spiels an. Die hatte Rubin Okotie erhalten, nachdem er Tormann Alves aus kurzer Distanz wie ein Volleyballer überhoben hatte.

Das Tor traf Österreich dennoch und das sogar zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Joker Andreas Weimann holte einen Elfmeter heraus. "Ich habe mein Bestes gegeben, den Elfer herausgeholt. Ich glaube es war in Ordnung. Wenn ich mir den Ball nach rechts mitgenommen hätte, wäre der Verteidiger dran gekommen. Deswegen wollte ich ihn mir nach links mitnehmen. Es war ein bisschen zu weit vielleicht, Gott sei Dank hat er mich aber dann umgehaut", erklärte der Gefoulte anschließend.

Dragović erinnert Brasilien ans Tore kriegen

Verwertet wurde der Strafstoß in der 76. Minute von Aleksandar Dragović. Eine doppelte Premiere, denn es war nicht nur der erste Gegentreffer für Brasilien seit der Weltmeisterschaft, sondern auch das erste Tor von Dragović im Dress der A-Nationalmannschaft. Dass er die Verantwortung in Abwesenheit des etatmäßigen Schützen David Alaba übernahm, war für viele überraschend. "Das war so ausgemacht, Marko hat sich auch gut gefühlt. Im Endeffekt ist es egal, wer die Tore macht", so Österreichs Abwehrchef.

Die Hoffnung, dass es nach 1971, 1973 und 1974 zum vierten Remis gegen Brasilien reichen könnte, flackerte nur kurz auf. Keine zehn Minuten später (83.) machte sie Roberto Firmino zunichte. "Ein Sonntagsschuss", für Koller. "Aber hervorragend umgesetzt. Gegen eine Topmannschaft darf man eben keine Sekunde nachlassen." Noch in seiner Nachbetrachtung des Russland-Spiels hatte der 54-Jährige darauf hingewiesen, wie verwundbar eine Mannschaft nach einem gerade erzielten Tor sei.

Erlebnis Seleção

Stichwort Topmannschaft. Wie war es nun, mit den großen Stars auf Tuchfühlung zu gehen? "Jetzt wissen wir, wie man gegen so eine Mannschaft spielt. Sie haben am Ball unglaubliche Qualität", erklärte Robert Almer, der nur in der ersten Halbzeit das österreichische Tor hütete und somit anders als Ramazan Özcan unbezwungen blieb.

"Bei Neymar ist es wichtig, dass er nicht ins eins gegen eins kommt. Deswegen haben wir ihn immer gedoppelt, oder sogar mit drei Mann gegen ihn gespielt", erzählte Martin Hinteregger seine Eindrücke und warum der große Star der Brasilianer einen bis auf den Autogrammwunsch eines Platzstürmers unspektakulären Abend erlebte.

Auch das Ego von Marko Arnautović hatte im Spiel kaum Kratzer abbekommen. "Das ist eine tolle Mannschaft, da probiert man, sich mit ihnen zu messen. Ich habe es mit dem rechten Verteidiger probiert, ich denke es hat ganz gut geklappt. Erste Halbzeit stand er nicht so nah bei mir, zweite Hälfte hat ihm wahrscheinlich der Trainer gesagt, dass er mir weniger Raum geben soll. Es hat Spaß gemacht, ich bin zufrieden. Aber natürlich hätten wir mehr herausholen müssen. Eine Niederlage ist eine Niederlage."

Kollege Zlatko Junuzović fühlte sich am Ende gar geschmeichelt: "Es spricht auch für uns, dass sie die letzten sieben, acht Minuten nur probiert haben, den Ball irgendwie raus zu bekommen. Das ist eine Art und Weise des Respekts."

Im März wird es wieder ernst. Dann steht wieder die EM-Qualifikation auf dem Programm und Österreich muss gegen Fußball-Zwerg Liechtenstein beweisen, dass ein Favorit seine Spiele auch wenn der Underdog tapfer dagegenhält, trotzdem gewinnt. Wie Brasilien.

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Sebastian Kelterer/Johannes Sturm