07.11.2016 12:41 Uhr

Sampaolis Sevilla: Vorsicht, bissig!

Der FC Sevilla spielt eine sehr gute Saison
Der FC Sevilla spielt eine sehr gute Saison

Im Rudel Jagd auf den Gegner machen. Lauf- und Fluchtwege zustellen. Panik im Strafraum des Opfers verbreiten. Nein, entlaufende Löwen sind nicht gemeint. Vielmehr ist die Rede von Fußballern, die auf die Order eines besonderen Dompteurs hören: Jorge Sampaoli.

Nachdem der Argentinier im Sommer unter der andalusischen Sonne beim FC Sevilla Stab und Peitsche übernahm, ist seine Mannschaft – die immerhin unter Vorgänger Emery mit gepflegtem und geordnetem Spiel drei Mal die Europa League in Folge gewann – zu einer wahren Pressing-Maschine mutiert. Bestes Beispiel? Das Spitzenspiel der Primera División am Sonntagabend gegen den FC Barcelona, das Stärken und Schwächen der neuen Andalusier zugleich offenbarte.

Klar, der spanische Meister wusste schon vor der Partie, was ihn im Ramón Sánchez Pizjuán erwarten würde. Schließlich luden die Nervionenses nach zuletzt sieben unbesiegten Spielen zum heißen Tanz ein. Doch so ganz schien der FC Barcelona mit der Hetzjagd der Herausforderer nicht gerechnet zu haben. Denn Sampaolis Löwen hatten längst Blut geleckt und Jagd auf Messi und Co. gemacht, als die noch in ihren Träumen schlummerten.

Pressing fruchtet auf Anhieb

So begann Sampaolis Team mit dem Offensiv-Feuerwerk, das La Liga seit dem Sommer und einigen kleinen Startschwierigkeiten bestaunt. Im 3-4-3-System, das mitunter von einer Dreier- in eine Zweierkette wechselte, ließen die Raubtiere um Pablo Sarabia, Steven N’Zonzi und Franco Vázquez den Barça-Akteuren nicht eine Sekunde zum Nachdenken. Zu dritt, zu viert eilten sie auf den Ballführenden, zwangen ihn zu Fehlern und stürmten nach Ballgewinn wie wild geworden in Richtung Marc-André ter Stegen.

Besonders hervorzuheben ist, wie es der Trainer seit seiner Ankunft geschafft hat, dass sich die gesamte Mannschaft dem neuen System unterordnet. Also auch ein fußballerischer Feingeist wie der von Manchester City abgewanderte Samir Nasri. Stürmer Vitolo gab nach dem Spiel zu, das die Umstellung ihre Zeit kostete: "Es war eine Frage der Zeit, zu verstehen, was der Trainer von uns sehen will. Nun kommen wir dem immer ein Stück näher."

Die Lieblingsstrategie des Trainers, der so schon in der jüngeren Vergangenheit in Chile seinen bisher größten Erfolg mit dem Gewinn der Copa América feierte, ging auf. Die Passmaschinen Busquets und Rakitić begangen Fehler um Fehler, Messi wurde von Minute zu Minute blasser und blasser – Sevilla erspielte sich Chance um Chance. Am Ende der ersten Halbzeit sahen die Zuschauer auf Seiten der Hausherren die höhere Laufleistung, mehr gewonnene Zweikämpfe und das verdiente 1:0. Danach attackierte Sevilla erst im letzten Drittel des Feldes und machte nur ernst, wenn es auch nötig war.

Zu viel Risiko, keine "Schlagkraft"

Doch ganz so positiv verlief der erste Durchgang für die Hausherren nicht! Eine der letzten Aktionen offenbarte die große Schwachstelle des Sampaoli-Rudels. Mit zu viel Risiko hinten aufgerückt, reichte ein einfacher Konter über vier Stationen, um Superstar Lionel Messi zum Ausgleich in Szene zu setzen. Ein Zeichen dafür, dass das Gleichgewicht noch nicht stimmt.

Im weiteren Verlauf des Spiels übernahm der Meister das Zepter und spielte empfindliche Diagonalpässe, die das Mittelfeld der Rojiblancos immer wieder aushebelten. Letztlich völlig verdient, erzielte Luis Suárez den 2:1-Siegtreffer. Dieser musste nach dem Spiel jedoch anerkennen: "Sie haben es uns in der ersten Halbzeit richtig schwer gemacht. Das Pressing war sehr hoch", so der Goalgetter.

Was bleibt also am Ende für den neuen Trainer und seine Mannschaft? "Wir haben das Pressing im zweiten Durchgang nicht aufrecht erhalten können. Das war unser Fehler", gab Jorge Sampaoli mürrisch nach der Partie in die Kamera. Und: "Wir haben verloren, weil uns die Schlagkraft fehlte." Eine Aussage, eben ganz nach dem Geschmack des neuen Dompteurs des Löwenrudels.

Gerrit Kleiböhmer