07.08.2019 11:21 Uhr

Mit oder ohne Sané? So stark ist der Kader des FC Bayern

Das Team des FC Bayern ist bereit für die neue Saison
Das Team des FC Bayern ist bereit für die neue Saison

Nach dem letzten großen Testspiel im Rahmen des Audi Cups gegen die Tottenham Hotspur waren die Sorgenfalten bei den Verantwortlichen des FC Bayern München wieder ziemlich groß. Kingsley Coman humpelte wortlos und mit dickem Verband um das linke Knie aus der Allianz Arena.

Entsprechend war das Grinsen in Kovacs Gesicht breiter geworden sein, als seine medizinische Abteilung Entwarnung gab: Flügelflitzer Coman erlitt im Test gegen Tottenham Hotspur nur eine Knieprellung und konnte schon im Supercup-Duell gegen Borussia Dortmund am Samstag wieder auf dem Feld stehen.

Das kurze Bangen um die Gesundheit von Coman zeigte allerdings deutlich, dass der Druck auf die Bosse im zähen Feilschen um Neuzugänge weiterhin groß ist. "Wir wissen auch, dass uns nicht allzu viel passieren darf in der jetzigen Situation", sagte Kovac.

Nach dem Rüffel in der vergangenen Woche im komplizierten Transferprojekt um Leroy Sané vermied der Coach Einschätzungen oder gar Forderungen für Verstärkungen. Eine schwerere Blessur des schon in den vergangenen Jahren stets verletzungsanfälligen Coman wäre zur Unzeit gekommen. 

Mit derzeit lediglich 18 Spielern im Profi-Kadern weisen die Münchner das kleinste Team der Liga auf. Dennoch gilt der FC Bayern als heißester Anwärter auf einen erneuten Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Darüber sind sich die meisten Fußball-Experten und Fachportale weitestgehend einig- auch wenn die Konkurrenz wie Dortmund, Leipzig, und Gladbach eine starke Vorbereitung gespielt und ihre Kader aufgerüstet haben. Sollten sich die Bayern erneut den Titel sichern, wäre es die achte Deutsche Meisterschaft nacheinander - einsamer Rekord in Fußball-Deutschland. 

Nachfolger für Ribéry und Robben scheinbar gefunden

Bei ihrem personellen Umbruch hatten die Münchner auf Coman und Serge Gnabry als Flügelzangen-Nachfolger der langjährigen Erfolgskicker Franck Ribéry und Arjen Robben gesetzt. Nachdem beide Youngster in den zwei Testspielen des Audi Cups angeschlagen ausgewechselt werden mussten, sind sie mittlerweile rechtzeitig für den Start im DFB-Pokal bei Energie Cottbus sowie dem Liga-Auftakt gegen Hertha BSC am kommenden Freitag wieder fit. 

Die Routiniers schlagen dennoch subtil Alarm. Es sei nicht seine Aufgabe, Neuzugänge zu fordern, fand Kapitän Manuel Neuer. Aber: "Unsere Bosse haben die Pflicht und Verantwortung, für den Kader zu sorgen." Weltmeister-Kollege Thomas Müller ließ durchblicken, das er das Team für die Aufgaben in drei Wettbewerben nicht gerüstet sieht. Es müsse versucht werden, "sich bestmöglich aufzustellen was Qualität und Quantität betrifft". Deutlich wurde David Alaba. "So eine Saison ist sehr lang", sagte der Österreicher, "und wir wissen alle, dass unser Kader nicht der größte ist und dass da noch was kommen sollte."

Erste Sané-Fixmeldungen umgehend dementiert

Der Wunschkandidat bleibt Nationalspieler Sané von Manchester City, der sich laut Berichten von "kicker" und "Bild"-Zeitung für einen Wechsel zum FC Bayern entschieden haben soll. Die Münchner dementierten dies allerdings umgehend.

Laut "Bild" haben die Bayern nun zudem ein offizielles Angebot abgegeben und locken den pfeilschnellen Außenspieler sogar mit der glorreichen Nummer 10 auf dem Rücken. Nach den jüngsten Querelen wollen sich die Münchner zu dem 23-Jährigen nicht mehr äußern, Coach Kovac musste sich gar für seinen öffentlich geäußerten Optimismus rund um den Mega-Deal bei den Engländern und Trainer Pep Guardiola entschuldigen.

Das Hin und Her und einen möglichen Rekordtransfer des deutschen Nationalspielers verdeutlicht letztlich vor allem eines: Der FC Bayern will und muss sich in der absoluten Spitze unbedingt noch verstärken, will er in der Spielzeit 2019/2020 den Angriff auf den europäischen Fußball-Thron wagen. 

Der erste Triumph in der Champions League seit 2013 ist und bleibt das große Ziel des deutschen Serienmeisters. Mit der Verpflichtung eines weiteren Weltklasse-Spielers könnte der Wunsch, den europäischen Fußball-Gipfel zu stürmen, noch einmal unterstrichen werden. 

FC Bayern München: Der Kader in der Übersicht

Doch wie stark ist der zugegebenermaßen dünne Kader des deutschen Branchenprimus denn nun einzuschätzen? Wir haben das bislang bestehende Team der Münchner unter die Lupe genommen:

Manuel Neuer (Torhüter, 33 Jahre, im Verein seit 2011)

Geht als unumstrittene Nummer eins in die neue Saison. Der Spielführer der Bayern brachte sich schon in der Rückrunde der Saison 2018/2019 immer besser in Form und fand da zu alter Stärke zurück. Der Schlussmann peilt selbst an, wieder dauerhaft an sein Niveau von vor seiner schwerwiegenden Fußverletzung zu kommen, die ihm so lange zu schaffen machte. Sein großer Traum im Bayern-Trikot: Noch einmal den Henkelpott nach oben stemmen. 

Sven Ulreich (Torhüter, 31 Jahre, im Verein seit 2015)

Immer noch der vielleicht beste Ersatztorwart der Bundesliga. Fiel in der Vorbereitung mit gewohnt sicheren Leistungen ebenso auf wie mit seiner Roten Karte gegen Real Madrid, die allerdings höchst umstritten war. "Ulle" wird erneut auf Spielzeiten in allen Wettbewerben hoffen. In der letzten Saison waren es immerhin zwölf Einsätze in Bundesliga und DFB-Pokal. 

David Alaba (Linksverteidiger, 27 Jahre, im Verein seit 2010)

Gefühlt schon seit Ewigkeiten dabei, ist der sechsmalige Fußballer des Jahres in Österreichs immer noch der Platzhirsch auf der linken Abwehrseite. Die Bayern haben in der Vorbereitung viel im 4-3-3-System getestet, welches Alaba durchaus zu Gute kommt. Er wird sich an den linken Flügel ohne seinen Buddy und langjährigen Partner Franck Ribéry erst noch final gewöhnen müssen. Alaba zeigte aber auch schon mit Kingsley Coman tolle Kombinationen. Er wirkte in den letzten Wochen wieder frisch und fit.

Lucas Hernández (Innenverteidiger, 23 Jahre, im Verein seit 2019):

Der Weltmeister kam verletzt in München an, musste sich einer Knie-Operation unterziehen. Der Heilungsverlauf beim vereinsinternen Rekordtransfer geht seit dem aber ohne Komplikationen und störungsfrei vonstatten, sodass Hernández jüngst das erste Mannschaftstraining absolvieren konnte. Von ihm erhofft sich Chefcoach Kovac eine echte Alternative für mehrere Positionen. Bei Atlético Madrid hat er große Spiele als Innenverteidiger gemacht, Weltmeister ist er auf der Linksverteidigerposition geworden. 

Niklas Süle (Innenverteidiger, 23 Jahre, im Verein seit 2017):

Spätestens seit dem Abgang von Mats Hummels zurück zu Borussia Dortmund ist der deutsche Nationalverteidiger Niklas Süle als Innenverteidiger unter Niko Kovac gesetzt. Innerhalb von zwei Jahren beim Deutschen Meister hat sich der 23-Jährige zum absoluten Leistungsträger entwickelt. Auf dem Platz überzeugt der Hüne mit seiner kompromisslosen und schnörkellosen Art des Fußballspielens, abseits dessen ist er mittlerweile ein gefragter Gesprächs- und Interviewpartner. Ihm gehört auch weiterhin die Zukunft beim deutschen Branchenprimus. 

Benjamin Pavard (Innenverteidiger, 23 Jahre, im Verein seit 2019):

Der französische Weltmeister blickt auf die schwärzeste Saison seiner bisherigen Profi-Laufbahn zurück. Mit dem VfB Stuttgart stieg er aus der Bundesliga ab. Nicht zuletzt, weil auch die Abwehrreihe um Pavard nicht funktionierte und sich in der Bundesliga üble 70 Gegentore fing. Beim FC Bayern soll jetzt alles besser werden. Pavard will sich möglichst häufig in der Defensivzentrale anbieten, kann aber auch Rechtsverteidiger spielen. Hat seine größten Stärken im guten Stellungsspiel, guter Raumarbeit und in den Defensivzweikämpfen.

Jérôme Boateng (Innenverteidiger, 30 Jahre, im Verein seit 2011):

Der langjährige Stammspieler und Leistungsträger war schon so gut wie weg aus München, kämpfte sich dann nach einer starken Vorbereitung wieder in die Startelf zurück. Sein dauerhafter Verbleib beim FCB wäre dennoch eine kleine Überraschung. Bei körperlicher und mentaler Fitness ist Boateng immer noch voll konkurrenzfähig. Dass den 30-Jährigen ein vielleicht letztes großes Auslandsabenteuer in seiner Karriere noch einmal reizt, scheint nicht unwahrscheinlich. Bestätigt der Weltmeister von 2014 seine starke Verfassung aus der Vorbereitung, werden die Bayern ihn aber auch liebend gerne behalten.

Joshua Kimmich (Rechtsverteidiger, 24 Jahre, im Verein seit 2015):

Der Mann mit den meisten Einsätzen bei den Bayern in den letzten Jahren. Lief alleine in den letzten zwei Saisons fast 100 Mal für die Münchner auf. Bringt weiterhin alles mit: Ballsicherheit, Passsicherheit, Offensivdrang, Mentalität. Kimmich kann von Kovac ohne Weiteres auch im defensiven Mittelfeld aufgeboten werden, wo der Spieler selbst gerne agiert. Sein großes Plus ist auch die körperliche Verfassung. Der deutsche Nationalspieler verpasste in den letzten Jahren nur ganz wenige Spiele aus gesundheitlichen Gründen und ist ein echter Dauerbrenner. Geht es nach ihm und geht es nach dem FC Bayern, geht das in den kommenden Jahren genauso weiter.

Javi Martínez (Defensives Mittelfeld, 30 Jahre, im Verein seit 2012):

Der 18-malige spanische Nationalspieler zählt mittlerweile zu den dienstältesten Profis im Kader und feierte mit den Münchnern bisher jedes Mal die Meisterschaft. Der erfolgreichste Spanier der Bundesligageschichte ist noch lange nicht satt, besticht durch eine ungemeine Sicherheit und Übersicht in seinem Spiel vor der Abwehrkette. Ist unter Niko Kovac nicht immer gesetzt. Ist Martínez fit, hat er aber bislang noch in jeder Saison seine Duftmarken setzen können. Ist als Alternative auch auf der Innenverteidigerposition einsetzbar. Er soll aber vor allem weiterhin als Sechser auflaufen. 

Thiago (Zentrales Mittelfeld, 28 Jahre, im Verein seit 2013):

Der mittlerweile 28-Jährige ist und bleibt der eleganteste und spielerisch versierteste Spieler im Bayern-Mittelfeld. Will nach einer überragenden Saison 2018/2019 endlich auch die Champions League mit den Bayern gewinnen. Thiago versprüht auf dem Rasen ungemeines Selbstvertrauen und ist nur extrem schwer vom Ball zu trennen. Laufen die Bayern auch in der Bundesliga im neu einstudierten 4-3-3-System auf, wird die Rolle des Spaniers wohl etwas offensiver interpretiert.

Leon Goretzka (Zentrales Mittelfeld, 24 Jahre, im Verein seit 2018):

Ist innerhalb einer Saison zu einem echten Anführer im Mittelfeld der Bayern geworden. Goretzka spielte eine sehr starke Vorbereitung, war fast durchweg im Einsatz und trug sich gleich mehrfach in die Torschützenliste ein. Sein größtes Plus ist seine Vielseitigkeit. Der gebürtige Bochumer spielte schon als Sechser und als Achter, kann aber auch über die rechte Seite kommen. Gilt unter Niko Kovac mittlerweile als gesetzt und will dem Spiel des FC Bayern noch mehr seinen Stempel aufdrücken. 

Corentin Tolisso (Zentrales Mittelfeld, 25 Jahre, im Verein seit 2017):

Nach seiner schweren Knieverletzung will der Franzose nun endlich wieder beim Rekordmeister durchstarten. Er macht sich große Hoffnungen im forcierten 4-3-3-System einen Stammplatz zu ergattern. Tolisso zeigte sich mutig im Spiel nach vorne, kombinationsfreudig und passsicher. Alles Attribute, die sein Cheftrainer einfordert. Im letzten Jahr hat es aufgrund des Kreuzbandrisses nur zu zwei Bundesliga-Einsätzen gereicht. Geht es nach dem 25-Jährigen, kommen da in 2019/2020 viele Spiele hinzu. 

Renato Sanches (Zentrales Mittelfeld, 21 Jahre, im Verein seit 2016):

Einst als Riesentalent verpflichtet, wartet Renato Sanches nunmehr seit drei Jahren auf seinen Durchbruch in München. Dieses Jahr wird wohl die letzte Chance für den Europameister von 2016, sich doch noch für größere Aufgaben zu empfehlen. Immerhin: Renato Sanches durfte sich in der Vorbereitung für Pflichtspiel-Einsätze empfehlen, zeigte dabei sogar ordentliche Spiele gegen namhafte Gegner. Dennoch: Aufgrund der starken Konkurrenz im Mittelfeld wird es für den Portugiesen auch in seiner vierten Saison beim FC Bayern eine Mammutaufgabe, sich einen Platz in der Startelf zu erkämpfen. Ob es mehr als sechs Spiele von Beginn an werden, seinem bisherigen Bestwert in München, darf angezweifelt werden. 

Alphonso Davies (Linksaußen, 18 Jahre, im Verein seit 2019):

Der Jüngste im Team gilt weiterhin als großer Perspektivspieler. Schon im letzten Jahr durfte er sechsmal als Einwechselspieler heran. Die Rolle des Jokers wird ihm wohl auch 2019/2020 zuteil werden. Chancen auf einen Stammplatz hat der Kanadier (noch) keine, trotzdem sorgte er bei seinen Coaches bisher für zufriedene Gesichter. Niko Kovac versprach bereits, den Teenager weiterhin voll im Blick zu behalten: "Er ist ein Spieler, der den Unterschied machen kann. Er wird in diesem Jahr eine gute Entwicklung nehmen." Noch nicht ganz klar ist, wo Kovac letztlich mit ihm plant. In der Vorbereitung lief Davies sowohl als linker Verteidiger als auch auf der deutlich offensiveren Position im linken Mittelfeld auf. 

Serge Gnabry (Rechtsaußen, 24 Jahre, im Verein seit 2017):

Ist der Nationalspieler fit, gehört er auf der rechten Angriffsseite zum absoluten Stammpersonal. Gnabry hat sich auf seiner Position zum vielleicht besten Spieler der Liga entwickelt und besticht mit großem Offensivdrang und einer hohen Intensität. Sein zweites Jahr im roten Trikot soll noch erfolgreicher werden als das ersten. Dafür müsste er seinen Wert von 13 Saisontoren weiter verbessern. Vor allem in der Königsklasse hat sich Gnabry für die kommende Saison viel vorgenommen. In der Champions League wartet der 24-Jährige noch auf sein erstes Tor. 

Thomas Müller (Hängende Spitze, 29 Jahre, im Verein seit 2009):

Mal unersetzbarer Stammspieler, mal Bankdrücker, mal Edeljoker, mal Dauerbrenner. In seinen mittlerweile zehn Jahren Bundesliga hat Thomas Müller beim FC Bayern schon so ziemlich alles erlebt. Auch unter Niko Kovac galt er mal als gesetzt, mal als ausgemustert. Jüngst machte er sich berechtigte Hoffnungen, in der neuen Saison weiterhin als hängende Spitze hinter Robert Lewandowski aufzulaufen. Im Testspiel im Rahmen des Audi-Cups gegen Fenerbahce Istanbul zündete Müller ein Drei-Tore-Feuerwerk. Ansonsten ist er als Dauerläufer, Mentalitäts- und Führungsspieler beim FCB weiter gefragt. Einen Stammplatz hat er bei Kovac trotzdem nicht sicher. 

Jann-Fiete Arp (Mittelstürmer, 19 Jahre, im Verein seit 2019):

Bisher ist die Sommer-Neuverpflichtung einer der großen Gewinner der Vorbereitung. Nach erfrischenden Testspiel-Auftritten in den letzten Wochen dürfte sich der 19-Jährige zumindest einen Platz im Kader gesichert haben und damit dicht vor seinen ersten Bundesliga-Minuten für den FC Bayern stehen. Sein erstes Tor im Test gegen Tottenham Hotspur sorgte auf der Tribüne für Begeisterung. Auch Trainer Kovac lobte Arp für seinen bisherigen Einsatz. Für die Startelf kommt der U-Nationalspieler noch nicht infrage. Als beweglicher und abschlussstarker Einwechselspieler dürfte es es aber dennoch auf Spielzeiten für den Rekordmeister bringen. 

Robert Lewandowski (Mittelstürmer, 30 Jahre, im Verein seit 2014):

Der Mittelstürmer bleibt der Superstar im Team des FC Bayern München. Der Pole garantiert Torgefahr, ist ein absolutes Kraftwerk und praktisch nie verletzt. In seinen fünf Jahren bei den Roten hat er noch nie weniger als 30 Saisonspiele in der Bundesliga absolviert und dabei mindestens 17 Tore geschossen. An ihm führt in der Sturmspitze weiterhin kein Weg vorbei. Lewandowski wird es auch verziehen, wenn er mal öffentlich Kritik an der bisherigen Einkaufspolitik des Klubs äußert. Mehr noch: Ihr wird sogar Gehör geschenkt. Das persönliche Saisonziel des Ex-Dortmunders ist klar: In 2019/2020 soll es die fünfte Torjägerkanone geben. Außerdem will der Goalgetter endlich die Champions League gewinnen.