15.10.2021 09:42 Uhr

Der irre "Doppel-Spieltag" des Sören Lerby

Sören Lerby in einer Szene aus dem Wiederholungsspiel gegen Bochum
Sören Lerby in einer Szene aus dem Wiederholungsspiel gegen Bochum

Zwei Spiele innerhalb von nur sechs Stunden? In zwei verschiedenen Ländern und für zwei verschiedene Mannschaften? Was Mittelfeldstar Sören Lerby vom FC Bayern am 13. November 1985 erlebte, wäre heute wohl unvorstellbar.

Seit vielen Jahren regelt der Rahmenterminkalender der FIFA, wann die nationalen Ligen und Pokale eine Pause für Länderspiele einlegen müssen. Nicht so vor rund 35 Jahren.

Am 13. November 1985 wollte nicht nur die dänische Nationalelf in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1986 beim Auswärtsspiel in Irland den letzten noch nötigen Punkt einfahren. Am selben Tag – nur ein paar Stunden später – stand das Pokal-Achtelfinalduell des FC Bayern beim VfL Bochum an.

Weder Sepp Piontek, der damalige deutsche Trainer der Dänen, noch Bayern-Coach Udo Lattek wollten auf ihren Mann im zentralen Mittelfeld, Sören Lerby, verzichten.

Da der Verein den Spieler für die Nationalmannschaft abstellen musste, überlegte sich Uli Hoeneß einen Coup: Der Däne sollte, wenn möglich, beide Spiele absolvieren – mittags für Dänemark in Irland, abends für FCB in Bochum.

Voraussetzung dafür, dass Lerby rechtzeitig in Bochum ankommen konnte, war allerdings, dass Piontek seinen Mittelfeldmann nicht die gesamten 90 Minuten spielen ließ. Der Nationalcoach ließ sich auf den Deal ein – sollte es der Spielstand zulassen, würde er Lerby frühzeitig auswechseln.

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Zur Halbzeit stand es zwischen Irland und Dänemark nur 1:1, die Qualifikation der Nordeuropäer war noch nicht in trockenen Tüchern. Der gecharterte Privatjet musste daher ebenso noch warten wie der zunehmend nervöser werdende Uli Hoeneß, der mit nach Dublin geflogen war, um seinen wertvollen Spieler im Eiltempo ins Ruhrgebiet zu bringen.

In der 49. Minute erzielte Michael Laudrup das zweite, acht Minuten später John Sivebaek das dritte Tor für Dänemark. Piontek sah die WM-Qualifikation gesichert und wechselte Lerby in der 59. Minute aus. Weniger als drei Stunden später sollte in Bochum die Pokalpartie angepfiffen werden.

Lerby erinnerte sich später im Fußball-Magazin "11Freunde", wie er mit nassen Haaren aus der Dusche direkt in das Auto von Uli Hoeneß sprang. Eskortiert von der irischen Polizei raste der Bayern-Manager mit dem Wagen direkt auf das Rollfeld des Dubliner Flughafens, wo der Jet bereits wartete. Von Düsseldorf aus ging es im Porsche weiter über die Autobahn nach Bochum. Bis dahin schien der Plan aufzugehen.

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Doch um das Ruhrstadion herum ließ der dichte Verkehr kein Vorankommen mehr zu. Zwei Kilometer vor dem Ziel ging nichts mehr. Kurzerhand schnappte sich Lerby seine Sporttasche, verließ den Wagen und rannte zu Fuß zum Stadion. Wenige Minuten vor dem Anpfiff erreichte er sein Team, aber Udo Lattek hatte nicht auf ihn warten wollen. Sören Lerby musste in der ersten Halbzeit auf der Bank sitzen, erst zum zweiten Durchgang brachte ihn sein Trainer. "Mehr wäre dann doch des Guten zu viel gewesen", erklärte sich Lattek nach dem Spiel.

Große Akzente konnte der Däne nicht setzen. In der ersten Halbzeit hatte Michael Rummenigge die Bayern mit einem Foulelfmeter in Führung gebracht. In der 62. konnte Uwe Leifeld für Bochum ausgleichen.

In der restlichen Spielzeit samt Verlängerung sollte kein weiterer Treffer mehr fallen. In den 1980er Jahren bedeutete dies ein Wiederholungsspiel. Kurz vor Weihnachten, am 18. Dezember 1985, trafen sich beide Mannschaften im Münchener Olympiastadion.

Dort setzte sich der amtierende Deutsche Meister souverän durch, Lerby erzielte den Treffer zum 2:0-Endstand. Wenige Monate später durfte Sören Lerby in Berlin den Pokal in die Höhe recken.

Ralf Amshove