19.02.2015 11:05 Uhr

Carlos Bacca: Auf der Überholspur

Carlos Bacca ist Sevillas Waffe im Angriff
Carlos Bacca ist Sevillas Waffe im Angriff

Seine Karriere begann spät, nahm dafür umso schneller Fahrt auf. Selbst ein herber Rückschlag warf ihn nicht aus der Bahn. Mittlerweile zählt Carlos Bacca zu den erfolgreichsten Stürmern Europas.

Lucien Favre ist nicht nur ein gewiefter Taktiker, sondern auch ein akribischer Arbeiter. In stundenlangen Videoanalysen seziert der Schweizer den kommenden Gegner, sucht nach Stärken und Schwächen. Seit dem Sieg gegen Köln widmet sich der 57-Jährige voll und ganz dem Studium des FC Sevilla, dem Gladbacher Kontrahenten im Sechzehntelfinale der Europa League (ab 21:05 im weltfussball-Liveticker).

Ein Mann wird dem Fußballlehrer dabei ganz besonders aufgefallen sein: Carlos Bacca. Der Stürmer ist die herausragende Figur im Kollektiv des Tabellenfünften der Primera División. Der torgefährliche Kolumbianer hat in dieser Saison nochmals einen Sprung gemacht und ist auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner beeindruckenden Entwicklung angekommen.

Titel, Tore und Trophäen

Seitdem der heute 28-Jährige vor vier Jahren nach Europa kam, befindet er sich quasi ununterbrochen auf der Überholspur. In seiner Debütsaison beim Club Brugge KV kürte sich Bacca mit 22 Treffern in 25 Spielen auf Anhieb zum Torschützenkönig der ersten belgischen Liga. Den Titel "Spieler des Jahres" gab es als Zugabe.

Der nur logische Tapetenwechsel in eine der stärksten Ligen Europas bremste den Stürmer keineswegs aus. Im Gegenteil. Kaum in Sevilla angekommen, adelte ihn die "Marca" zwölf Monate später als "besten Neuzugang der Liga". Der spanische Verband setzte noch einen drauf, ernannte ihn zum "besten südamerikanischen Spieler der Liga" - eine Auszeichnung, bei der Bacca noch vor Neymar, Lionel Messi und Angel di Maria landete.

Vom Fahrkartenverkäufer zum Ehrenbürger

Neben den persönlichen Auszeichnungen gewann der Mittelstürmer, der im Alter von 20 Jahren noch Fahrkarten in einem Linienbus verkaufte, mit seiner Mannschaft auch noch die Europa League. Nur zweieinhalb Jahre nach seiner Ankunft in Europa war Baccas Trophäenschrank bereits prall gefüllt.

Erst vor Kurzem reiste eine Delegation aus seinem Heimatort Barranquilla extra nach Sevilla, um ihm eine Ehrenmedaille für seine Verdienste zu überreichen. "Er ist ein Vorbild für die Kinder und Jugendlichen unserer Stadt", sagte Bürgermeister Elsa Noguera. Der kolumbianische Botschafter lobte indes den Spieler und den Menschen Carlos Bacca für sein Verhalten auf und abseits des Platzes.

Enttäuschter Zuschauer bei der WM

Ganz frei von Enttäuschungen ist aber auch die Karriere des Kolumbianer nicht. Ausgerechnet bei der WM in Brasilien, auf der größten aller Bühnen, spielte ihm das Schicksal übel mit. Nach dem Aus von Radamel Falcao wollte Bacca in die Rolle des neuen Nationalhelden schlüpfen, stattdessen zog er sich vor dem ersten Gruppenspiel eine Verletzung zu und brachte es lediglich auf einen 20-minütigen Kurzeinsatz.

Ein herber Schlag für den ehrgeizigen Stürmer, schließlich verpasste er seine erste und womöglich letzte Chance, jemals bei einer Weltmeisterschaft für die Cafeteros aufzulaufen. Doch die Enttäuschung hielt nicht lange. Bacca kehrte frühzeitig nach Sevilla zurück, arbeitete hart an sich und ist mittlerweile besser denn je. Das belegen die Zahlen der laufenden Saison.

Sevillas Lebensversicherung

In Sevilla gilt: Selbst wenn nichts geht, Bacca geht immer. Sieben Mal erzielte der Stürmer in dieser Saison das wichtige 1:0. Jedes Mal gingen die Andalusier danach als Sieger vom Platz. Insgesamt traf er in elf Ligaspielen, nur ein einziges Mal gab es anschließend keinen Dreier für den Tabellenfünften. Der 28-Jährige ist die personifizierte Lebensversicherung der Südspanier.

Selbst im Vergleich mit den ganz Großen muss sich der Kolumbianer nicht verstecken. An 17 von 39 Saisontoren war Carlos Bacca direkt beteiligt – einen besseren Wert hat in der Primera División kein Spieler vorzuweisen, der nicht für die wandelnden Torfabriken aus Madrid und Barcelona aufläuft.

Gestärkt aus der Krise

In den letzten Wochen durchlief aber auch einer der torgefährlichsten Stürmer der Liga ein kleines Tief. Chancen erarbeitete er sich weiterhin, nur wollte der Ball einfach nicht über die Linie. Eine Krise, der Bacca sogar noch Positives abgewinnen kann: "Ich bin jetzt noch stärker, weil ich eine Zeit lang nicht getroffen habe. Umso mehr verlange ich ab sofort von mir selbst."

Dass der sprichwörtliche Schuss auch mal nach hinten losgehen kann, zeigte sich im Ligaspiel gegen Getafe. Als Bacca nach 74 Minuten ausgewechselt wurde, äußerte er seinen Unmut mit einer abfälligen Geste gegenüber Trainer Unai Emery. "Das Spiel ist nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben, aber das sind Dinge, die wir als Spieler respektieren müssen", versuchte der Stürmer, die Wogen nach dem Schlusspfiff zu glätten.

Fans, Trainer und Teamkollegen werden es ihm verzeihen – erst recht, wenn er gegen die Borussia aus Mönchengladbach wieder an seine Bestform anknüpft und den Titelverteidiger eine Runde weiter schießt.

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Christian Schenzel